Der blutige Pfad Gottes (Troy Duffy)

„Der blutige Pfad Gottes“ ist eine ziemlich bleihaltige und blutige Thriller-Groteske, frei nach dem Motto: Wie können die beiden Helden möglichst schnell in die nächste Ballerei gelangen? Das ist im Grunde kein großes Problem. Man nehme ein paar Russen-Mafiosi, ein paar italienische Mafiosi, und hetze beide nicht sonderlich hellen Gruppierungen mit Hilfe von zwei rachsüchtigen irischen Gangstern gegeneinander auf. Das FBI, mit Detective Paul Smecker (William Daffoe) an der Spitze, hat die Aufgabe die Tatorte zu reinigen.

Vorbilder

Das erinnert ein bisschen an Kurosawas „Yojimbo – der Leibwächter“ oder Walter Hills Remake „Last Man Standing“, das ebenfalls mit Zeitlupen und Rückblenden operiert. Die psychologischen Rafinessen der Vorbilder sind dem Regisseur allerdings nicht so wichtig wie die nächste Schießerei. Dieser Hang zur Brutalität und Infantilität erinnert wiederum stark an Quentin Tarantino.

Figuren

Letztlich erzeugt „Der blutige Pfad Gottes“ keinerlei Spannung. Das hängt auch mit den Helden zusammen, den MacManus-Brüdern, die sich als verlängerter Arm einer gerechten Sache verstehen. Darüberhinaus erfahren wir so gut wie nichts über sie. Wie soll man so mit ihnen mitzittern? Alle übrigen Figuren sind zwar hervorragend gecastet, aber was nützt das? Dem ganzen wird noch eine Pseudo-Philosophie übergestülpt: Ist es nicht legitim für Gerechtigkeit zu sorgen, wenn die gesetzlichen Vertreter dazu nicht in der Lage sind? Also, darf man Gott spielen? „Wie weit gehen wir auf diesem Weg?“, fragt Connor MacManus irgendwann, wobei die Antwort schon längst klar ist: bis zum bitteren Ende. In der finalen Gerichtsverhandlung wird auch noch der letzte überlebende Mafioso hingerichtet.

Absurdistan

Das letzte Gemetzel findet unter freundlicher Hilfestellung des FBI statt, die den Brüdern den Zugang zum Gerichtssaal ermöglichen. Eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass man hier nichts, aber auch gar nichts mehr ernst nehmen kann. Den Anfang markiert Connors Sprung aus dem fünften Stock eines Hochhauses auf den Kopf eines russischen Gangsters, den er – im Gegensatz zum Mafioso – völlig unbeschadet übersteht. In einer Welt, in der alles möglich ist, gibt es aber letztlich keine Überraschungen. Man wundert sich nämlich über nichts mehr und das ist dramaturgisch nicht so toll.

Fazit

Es gibt ein paar originelle und witzige Szenen, aber das war’s dann auch. Dann dominiert wieder das Grelle, das Überzogene, die infantile Spielsucht. Ein Film für eher schlichte Gemüter, die sich an Ballereien, grotesken Situationen und viel Blut erfreuen können.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "Der blutige Pfad Gottes"

Lansky (Eytan Rockaway) USA 2021

„Lansky“ ist eine sehenswerte Gangsterbiographie, die 1981 in Miami spielt. Hauptpersonen sind der ehemalige Mafioso Meyer Lansky (Harvey Keitel) sowie der erfolglose Autor und Journalist David Stone (Sam Worthington), der seine Memoiren verfassen soll. Erzählt wird in zwei zeitlichen Ebenen: Die Treffen zwischen Lansky und David finden in der Gegenwart statt, die Erinnerungen des alternden Gangsters in Rückblenden. Lansky diktiert die Bedingungen: Nichts darf ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden. Diese scheinbar banale Vereinbarung hat angesichts von Lanskys krimineller Vergangenheit schon dramatischen Zündstoff.

Dramaturgie

Das hätte man eigentlich nur ausreizen müssen: „Der Pakt mit dem Teufel“ (s. Erzählmotive im 1. Kapitel der „7 Säulen der Filmgestaltung“). Leider verschenken die Filmemacher dieses Gefahrenpotenzial. David hätte nach seinem Vertragsbruch in Lebensgefahr geraten müssen. Eigentlich noch schlimmer. Denn die dramaturgische Kardinalfrage lautet so: Was ist in der jeweiligen Spielanordnung das Schlimmstmögliche für den Protagonisten? Ist doch eigentlich nicht so schwierig? In Davids Fall ist das die Bedrohung für seine geliebten Kinder. Also, ein kompetenter Autor hätte zumindest mit dieser tödlichen Gefahr gespielt. In diesem Thriller geraten leider weder David noch seine Kinder in ernsthafte Gefahr.

Nur die ermittelnden FBI-Agenten, die hinter Lanskys verschwundenem Vermögen her sind, sorgen für Bedrohungen. Sie setzen zum einen die bildhübsche Maureen auf David an, um an entsprechende Informationen zu gelangen. Eigentlich ein durchschaubares Manöver. Man fragt sich nur, ob die Spionin für das FBI oder für Lansky arbeitet? An dieser Stelle wäre ein anderer Informationsfluss dramatischer gewesen, nämlich Suspense (s. 3. Kapitel der „7 Säulen der Filmgestaltung“). Der Zuschauer hätte über das Doppelspiel der Spionin informiert werden müssen. Das hätte die Emotionen gesteigert. Als diese Intrige später verpufft, erpressen die FBI-Agenten David zur Kooperation. Der entscheidet sich angesichts seiner privaten und finanziellen Probleme ebenfalls zum Doppelspiel. Das ist gut. Dass dieser Verrat keine Konsequenzen hat, ist gar nicht gut.

Emotionen

So wecken Lanskys Erinnerungen zwar unser Interesse, aber keine weitergehenden Gefühle. Schade. Dabei haben die Geschichten des „Bankiers des organisierten Verbrechens“ es in sich, handeln sie doch von der brutalen Vorgehensweise beim Aufbau eines illegalen Glücksspielimperiums. Lanskys Mann fürs Grobe ist sein Freund Bugsy Malone. Später muss Lansky sich einem Mehrheitsvotum des National Crime Syndicate beugen, das Bugsy Malone ermorden lässt. Lansky ist ein Kontrollfreak. Um so mehr leidet er unter dem Zerwürfnis mit seiner Ehefrau und vor allem unter der körperlichen Behinderung des gemeinsamen Sohnes. Lansky, der gewohnt ist, mit Geld und Gewalt alles zu regeln, stößt hier an seine Grenzen. „Frauen kann man leider nicht erschießen“, verrät er Bugsy einmal bedauernd.

Hintergründe

Lanskys Geschichten sind manchmal ungeschminkt, manchmal beschönigend. So zum Beispiel, wenn er seinen kriegsentscheidenden Beitrag zur Enttarnung deutscher Spione im 2. Weltkrieg beschreibt. Zum Schluss werden die FBI-Ermittler zurückgepfiffen. Die Hintergründe bleiben im Unklaren. Man kann nur spekulieren. Wahrscheinlich hat Lansky sein Vermögen der US-Regierung vermacht, die in einigen Bundesstaaten und Reservaten das Glücksspiel erlaubt hat und kontrolliert. Darauf deutet auch sein finaler Besuch im Pflegeheim hin, in dem sein geliebter Sohn betreut wird. Das könnte der Deal gewesen sein: 300 Millionen Dollar für Straffreiheit und lebenslange Betreuung seines Sohnes. Dieses Agreement würde im Nachhinein auch erklären, warum ihn Davids Verrat nicht weiter interessiert hat. Es würde auch seine Selbsteinschätzung erklären: „Ich bin ein Engel mit einem schmutzigen Gesicht.“

Fazit

Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der Figur des Journalisten. Dieser kommt Lansky zu Beginn „etwas unterwürfig“ vor. Leider ändert sich diese Haltung im Verlauf des Films nicht. Hier hätte man David eine Entwicklung gewünscht. Sie wäre auch vonnöten gewesen, wenn er von Lansky und vom FBI richtig in die Mangel genommen worden wäre. Insofern sind die Schwächen in der Dramatisierung eng mit denen in der Charakterisierung verknüpft. Insgesamt ist „Lansky“ – trotz der beschriebenen Gräueltaten – ein erstaunlich ruhiger und informativer zeitgeschichtlicher Gangsterfilm.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für "Lansky"
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