Insider (Michael Mann) USA 1999

Es handelt sich hier um einen ebenso spannenden wie klugen Psychothriller, der auf einem tatsächlichen Fall beruht und ohne Darstellung von Gewalttaten auskommt. „Insider“ konzentriert sich ganz auf die inneren Konflikte seiner beiden Hauptdarsteller. Das ist zum einen Jeffrey Wigand (Russel Crowe), der als Wissenschaftler eines Tabakkonzerns vor den Suchtgefahren einer chemischen Beimischung warnt. Ein entsprechendes firmeninternes Memo hat seine Kündigung zur Folge. Trotz vertraglicher Schweigepflicht entscheidet er sich aus Gewissensgründen für die Veröffentlichung seiner Insider-Kenntnisse. Damit kommt Lowell Bergman (Al Pacino), Producer des CBS-Politmagazins „60 Minutes“ ins Spiel.

Was folgt, ist ein gnadenloser Kampf zwischen den Geschäftsführern, Lobbyisten und Anwälten des Tabakkonzerns auf der einen Seite und Wigand mit Bergman und seiner Redaktion auf der anderen Seite. Ein Kampf, der nicht mit Kugeln ausgetragen wird, sondern – subtiler und cleverer – mit Rufmordkampagnen, Psychoterror und Gerichtsklagen. Wigands Ehe übersteht diesen Kampf nicht. Seine Frau verlässt ihn mit den beiden gemeinsamen Kindern. Bergman gerät in einen vergleichbaren Zwiespalt, als CBS vom Tabakkonzern aufgekauft und das schon fertig produzierte Interview mit Wigand nicht ausgestrahlt werden soll. Hier sind die sektengleichen Zwänge einer Firmenstruktur sehr schön beschrieben. Als es für die Journalisten unverfänglich ist, plädieren alle Mitarbeiter der Redaktion für eine Ausstrahlung des Interviews, also für eine Veröffentlichung der Wahrheit. Als der Druck der Fernsehbosse dann zunimmt, ist Bergman plötzlich allein. An hehre journalistische Grundsätze kann sich plötzlich keiner mehr erinnern. Um den Renitenten ruhig zu stellen, wird er – anders als Wigand – nicht gefeuert, sondern beurlaubt, was eigentlich viel cleverer ist. Denn Ressentiments entstehen eher durch Kündigungen als durch kostenlose Urlaube.

Aber Bergman denkt gar nicht daran, lange auf dem Abstellgleis zu verweilen. Er schlägt mit seinen Mitteln zurück, indem er einen befreundeten Redakteur der New York Times von diesem Skandal berichtet. Die entscheiden sich nach kurzer Recherche für eine Veröffentlichung dieses Angriffs auf die Pressefreiheit auf der ersten Seite ihrer Zeitung. Ein Schachzug, der natürlich ein großes Interesse am nichtgesendeten Beitrag erzeugt. Dem müssen die TV Bosse schließlich nachgeben: Das Interview wird gesendet. Doch Bergman hat genug von seinen alten Kollegen und kündigt seinen Job bei „60 Minutes“, weil gegenüber zukünftigen Informanten nicht noch einmal als Verräter dastehen will. Er ist nicht käuflich.

Zum packenden Geschehen gesellt sich eine brillante Kameraarbeit (Dante Spinotti), oftmals aus der Hand gefilmt, manchmal in Zeitlupe, immer unglaublich konzentriert auf Handlung und Personen. Die Montage, die Komposition von Geräuschen, die Filmmusik offenbaren die Handschrift eines ganz großen Regisseurs: Michael Mann, einer der wenigen Autorenfilmer Hollywoods. Seine Werke sind stets ebenso eigenwillig wie spannend.

Es gibt zwei Schwachpunkte im Film. Zum einen agiert Wigands Frau in ihrer Zickigkeit zu eindimensional. Da stellen sich bei der Trennung des Ehepaares regelrechte Glücksgefühle ein: Gottseidank ist er diese Tante endlich los. Ein komplexeres Verhalten wäre natürlich dramatischer gewesen und nur darum geht’s, nicht darum, welchen Charakter die reale Mrs. Wigand hatte. Des weiteren zahlt auch diese Geschichte ihren Preis für die Fokussierung auf zwei Hauptdarsteller: Die emotionale Anteilnahme wird gerecht aufgeteilt, aber nicht bis zum Anschlag maximiert. Dafür hätte man die Geschichte ganz aus Wigands Perspektive erzählen müssen. Aber dann wären die journalistischen Internas natürlich auf der Strecke geblieben. Eine Frage der Abwägung. Was ist wichtiger: die Eskalation der emotionalen Anteilnahme für den Protagonisten oder der Medienkrimi?

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Insider"

L.A. Confidential (Curtis Hanson) USA 1997

Die Romanvorlage dieses brillanten Thrillers stammt von James Ellroy, einem Vertreter sogenannter Hard-boiled-Krimis. Entsprechend düster und blutig geht’s in „L.A. Confidential“ zur Sache. Die Erzählerstimme des Boulevard-Reporters Sid Hudgens (Danny de Vito) ist der Pacemaker der Geschichte. Die Vorstellung der drei Protagonisten, allesamt Mitglieder einer Mordkommission des LAPD, ist schon genial. Sie erfolgt im Stile einer erkennungsdienstlichen Behandlung und einer charakterisierenden kurzen Spielszene. Schon ist man ganz bei ihnen, bei dem jungen, noch unerfahrenen, aber wandlungsfähigen Lieutenant Ed Exley (Guy Pearce); dem einfach gestrickten, schlagkräftigen und nicht korrumpierbaren Police Officer Bud White (Russell Crowe) mit einem großen Herz für Frauen, denen Gewalt angetan wird; sowie dem eitlen, publicitysüchtigen und cleveren Sergeant Jack Vincennes (Kevin Spacey).

Letztlich dreht sich alles um die Nachfolge des inhaftierten Gangsterbosses Mickey Cohen. Also wer übernimmt die Kontrolle aus illegalen Geschäften mit Drogen, Glücksspiel und Prostitution? Über Ungereimtheiten bei den Ermittlungen zum Nite-Owl-Massaker kommen die drei Detectives schließlich dem neuen Unterweltboss auf die Schliche, der kein Geringerer als ihr eigener Chef ist, nämlich Captain Dudley Smith (James Cromwell). Bis zum Schluss wird die Spannung vorbildlich eskaliert. Passend zur düsteren, sarkastischen Grundstimmung des Films erledigt ausgerechnet der moralische, prinzipientreue Ed Exley am Ende Captain Smith durch einen Gewehrschuss in den Rücken. Die Dialoge sind originell und intelligent, manchmal auch hart und schonungslos, oder witzig und überraschend. Die Kameraarbeit ist herausragend, genauso wie die Montage.

Es gibt nur zwei Schwachpunkte in diesem Copthriller: Wie in „Léon – der Profi“ muss man auch hier schlucken, dass der Leiter eines polizeilichen Dezernats ein brutaler Gangster ist, der zudem mit Hilfe einer Vielzahl von korrupten Detectives einen mörderischen Bandenkrieg betreibt. Die Schlussballerei in einem abgelegenen Motel, aus der Ed Exley und Bud White – zwar ramponiert – aber als einzige Überlebende hervorgehen, mutet schon kurios an. Dabei wäre die Lösung ganz einfach gewesen: Captain Smith hätte anstelle von einem dutzend Helfershelfern nur zwei gehabt, was auch glaubhafter gewesen wäre. Denn so ein Doppelspiel droht doch immer aufzufliegen. Also weniger wäre mehr gewesen. Ansonsten alles super!

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State of Play (Kevin Macdonald) USA 2009

Nach Scorseses Meisterwerk unsanfte Landung in den Niederungen konstruierter 08/15-Thriller. Tony Gilroy, einer der Drehbuchautoren, ist eben nicht Dan Gilroy („Nightcrawler“). Er ist sein Bruder und teilverantwortlich für einen abstrusen Plot, klischeehafte Figuren und hölzerne Dialoge. Das einzig Positive an „State of Play“: Immerhin bemühen die Filmemacher sich um einen Spannungsaufbau.

Es fängt mit einem Killer an, der die Karikatur eines Killers ist und sich einen Koffer mit geheimen Unterlagen von Straßenräubern klauen lässt. Auch alle anderen Figuren des Films, bis auf den Kongressabgeordneten Stephen Collins (Ben Affleck), sind komplett fehlbesetzt. Russell Crowe mag als „Gladiator“ oder Bankräuber im Western „Todeszug nach Yuma“ geeignet sein, aber doch nicht als investigativer, unkonventioneller Journalist Cal McAffrey. Selten wurde eine Odd-Couple-Konfiguration so spannungsfrei umgesetzt.

Mit der ihm zur Seite gestellten Online-Redakteurin Della Frye (Rachel McAdams) freundet Cal sich bereits nach Hälfte des Films an. Die arme Helen Mirren mimt eine Chefredakteurin und müht sich mit Dialogen ab, die die Grenze zur unfreiwilligen Komik immer mal wieder überschreiten. Außerdem halten die Protagonisten Beweismaterial in einem Mordfall zurück und machen sich mitschuldig an der Ermordung zweier Menschen. Das ist für sie aber kein großes Ding, genauso wenig wie für die ermittelnden Kripobeamten. Anstatt die Schreiberlinge einzubuchten und dahin zu bringen, wo sie hingehören, wird nur ein bisschen rumgeplänkelt. Das ist aber nicht glaubhaft und schon gar nicht dramatisch.

Apropos. Das eigentliche Drama wäre es gewesen, „State of Play“ ganz aus der Perspektive von Stephen Collins zu erzählen, der seine Geliebte von einem Kriegskameraden beschatten lässt, herausbekommt, dass sie ihn anfangs ausgehorcht, sich dann aber in ihn verliebt hat und schwanger geworden ist. In den Augen des Beschatters ist sie eine Verräterin, die er beseitigt. Damit wäre das Drama komplett: Stephen Collins ist für die Ermordung der Frau verantwortlich, die er liebt und die ihn liebt. Das wäre das Schlimmstmögliche, also dramatisch richtig. Man müsste nur die Erzählperspektive wechseln.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "State of Play"
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