Vergiftete Wahrheit (Todd Haynes) USA 2019

Auch „Vergiftete Wahrheit“ von Todd Haynes orientiert sich an einer wahren Begebenheit und wird, ähnlich wie „Philomena“ von Stephen Frears oder der unsäglich langweilige „One Life“, zum Opfer seiner guten Absichten. Der Film beruht auf einem Bericht von Nathaniel Rich im New York Times Magazine und erzählt den Kampf des Anwalts Robert Bilott gegen den Pharmakonzern DuPont in West Virginia. Dieser hatte in den 80er Jahren Perfluoroctansäure (PFOA) in den Ohio River geleitet, damit wissentlich das Trinkwasser kontaminiert und zigtausende von Menschen vergiftet. Auch Todd Haynes unterliegt dem Fehler, sich eng an die Begebenheiten zu halten, die sich zudem über Jahrzehnte hinziehen und sich nicht wirklich für eine Verfilmung eignen. Alles ist interessant oder auch erhellend, aber nie packend. 

Stärken

Mit seiner ruhigen, etwas behäbigen Art erinnert Rob Bilott an Columbo. Man macht den Fehler, ihn zu unterschätzen. Aber er ist kompetent, hartnäckig, gründlich und nicht korrumpierbar. Wir können mit ihm sympathisieren, zumal es ein Kampf David gegen Goliath ist. Überhaupt sind alle Schauspieler, von den Farmern bis hin zu den Top-Anwälten, hervorragend besetzt. In seinen besten Momenten funktioniert „Vergiftete Wahrheit“ wie ein Krimi und Rob agiert wie ein Kommissar, der beharrlich die Puzzleteile eines Verbrechens zusammenträgt und am Schluss Anklage erhebt.

Schwächen

Ein großes Manko sind die fehlenden Gefahren. Einmal scheut Rob sich davor, die Zündschlüssel seines Wagens herumzudrehen. Eine Sprengladung? Aber dafür ist der Antagonist zu clever. Er ist nie wirklich greifbar, ein Phantom. Seine Schandtaten hat er bereits vollbracht. Nun ist er mit Vertuschung und Schadensbegrenzung beschäftigt und hat dafür gigantische finanzielle Mittel. DuPont ist eben nicht „Der weiße Hai“. Leider. Einmal wird Rob wegen gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus eingeliefert. Aber er erholt sich schnell wieder und Frau und Chef stehen an seiner Seite. Das ist schön, aber nicht spannend.

Protagonist

Im Grunde macht Rob alles richtig. Das ist lobenswert, aber auch nicht dramatisch. Er ist der Anwalt der Unterdrückten, der Geschädigten – ein guter Mensch, aber auch ein bisschen langweilig. Der Ehekonflikt ist vergleichsweise harmlos. Die Klagen seiner Frau über sein berufliches Überengagement sind im Grunde eine Liebeserklärung. Da geht es dem Whistleblower Jeffrey Wigand in „Insider“ von Michael Mann schon wesentlich schlechter. Seine Ehefrau reicht nämlich die Scheidung ein. Auch in „American Sniper“ von Clint Eastwood, ebenfalls nach einer wahren Begebenheit, wird das Eheleben hervorragend dramatisiert.

Fazit

Der eigentliche Skandal ist die Strafe, die DuPont für jahrzehntelange vorsätzliche schwere Körperverletzung mit Todesfolgen erhalten hat: Insgesamt mussten 1,1 Milliarden Dollar an Entschädigungen gezahlt werden. Das entspricht in etwa dem Gewinn nur der Teflon-Sparte, die der Konzern seinerzeit in einem Jahr erzielt hat! Anschließend hat der Konzern seine Spuren verwischt, sich in Dow Chemical umbenannt, die Agrarabteilung in Corteva. Heute firmiert der Konzern unter dem Namen „DuPont de Nemours“.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Vergiftete Wahrheit".

Schreibe einen Kommentar