The Help (Tate Taylor) USA 2011

„The Help“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Kathryn Stockett. In der deutschen Übersetzung heißt er „Gute Geister“. Das ist ein schöner Titel und hat viel mehr mit dem Inhalt und seinen Figuren zu tun als der nichtssagende „The Help“. Der Filmverleiher hat sich für den belanglosen Titel entschieden, was im Grunde auch viel besser zu dieser Verfilmung passt. Die Geschichten spielen im Bundesstaat Mississippi in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts und erzählen vom alltäglichen Rassismus weißer Südstaatler gegenüber ihren schwarzen Hausangestellten. Ihr großer Vorteil ist ihre Authentizität, die von der eingeführten Erzählerstimme verstärkt wird. Man spürt, dass all diese Anekdoten sich so oder so ähnlich ereignet haben. Dann hat der Film hervorragend besetzte Figuren. Das war’s dann aber auch mit den Vorzügen. Insgesamt kommt „The Help“ viel zu seicht daher. War doch alles nicht so schlimm hier in den Südstaaten. Sah doch ganz schick aus, irgendwie ganz anders als in „Mississippi Burning“ von Alan Parker. Die süßliche, teilweise schwer zu ertragenden Filmmusik offenbart die Verlogenheit dieses erzählerischen Flickenteppichs: Die Fortsetzung von Rassismus mit anderen Mitteln.

Verfilmung

In der Kritik zu „Butcher’s Crossing“ sind wir schon mal ausführlich auf die Probleme von Literaturverfilmungen eingegangen. „Gute Geister“ ist zwar kein literarisches Meisterwerk, aber es lebt, neben einer Vielzahl von authentischen Geschichten, von seinen lebendigen Figuren, einer veritablen Antagonistin und seinen Emotionen. Bei einer Adaption ist immer interessant, was verwendet, was weggelassen oder hinzugedichtet wird. Bei der Verfilmung von „The Help“ wird eine falsche Entscheidung nach der anderen getroffen. Sie ist auch eine dramaturgische Bankrotterklärung.

Dramaturgie

Im Roman gibt es am Ende eine Schlüsselszene, in der Leroy, der gewalttätige Ehemann der schwarzen Haushälterin Minny, auf Betreiben der Antagonistin entlassen wird. Grund: Minnys Beteiligung am Buchprojekt. Daraufhin droht Leroy, seine Frau zu erschlagen. Die daraus resultierenden Schuldgefühle von Aibileen, Minnys bester Freundin und treibende Kraft des Buchprojekts, sind an Dramatik kaum zu überbieten. Die Ignoranz dieses Konflikts in der Verfilmung demonstriert den erzählerischen Dilettantismus der Filmemacher. Ein Grund für diese Fehlentscheidung mag auch falsch verstandene Political Correctness sein: Im Versuch einer Wiedergutmachung hat ein brutaler Schwarzafrikaner keinen Platz. Im Roman flieht Minny nach der Morddrohung mitsamt ihren Kindern zu ihrer Schwester, im Film umarmen sich die gutherzigen schwarzafrikanischen Hausangestellten. Schlimmer kann man ein Happy End eigentlich nicht konstruieren.

Antagonistin

Ein weiterer schwerer Fehler ist die Diskreditierung der Antagonistin. Im Roman ist Hilly Holbrook eine wahre Hexe, von der bis zum Schluss existenzielle Gefahren ausgehen (s.o.). Im Film agiert sie allenfalls im Stile einer Zimtziege, über die man sich teilweise amüsiert. Ein Bösewicht, den man belächelt, hat aber keine Funktion mehr. Ein Beispiel: Am Ende des Romans bezichtigt Hilly Aibileen des Diebstahls, was seinerzeit einer Verurteilung gleichkam. Unter vier Augen droht Aibileen daraufhin, diskreditierende Internas preiszugeben. In Anwesenheit von Minnys Arbeitgeberin ignoriert Hilly ihre Anschuldigung, besteht aber auf Minnys Entlassung, die sofort vollzogen wird. Den tränenreichen Abschied überwacht Hilly im Stile einer Vollzugsbeamtin. Der Verzicht auf eine Strafverfolgung lässt sie in den Augen ihrer Freundin sogar noch großmütig erscheinen. Bösartiger geht es kaum. Im Film rauscht Hilly nach Aibileens Androhung beleidigt davon! Auch nach 60 Jahren hat Hitchcocks Postulat nichts von seiner Gültigkeit verloren: „Je gelungener der Schurke, umso gelungener der Film“. 

Dichtung

An einem kleinen Detail kann man erkennen, was die Filmemacher umtrieben hat. Im Roman gibt es 4-5 Telefonate von Skeeter mit Mrs. Stein, der Verlagsangestellten von Harper & Row in New York. Bei allen Telefonaten befindet Mrs. Stein sich im Büro des Verlagshauses. Wo sonst? Im Film wird Mrs. Stein einmal in ihrem Schlafzimmer gefilmt, ein anderes Mal bei einem Dinner mit zwei männlichen Begleitern. Alles ein bisschen merkwürdig. Zum einen gibt es keinen erzählerischen Gewinn, sich hier von der Vorlage zu trennen, zum anderen sind diese Ideen kompletter Unfug.

Lösungen

Der Preis der Mehrfachperspektive ist immer eine Distanz zur Hauptperson. Wer ist denn hier eigentlich die Heldin? Da fängt es schon an. Diese Frage wird auch im Roman nicht wirklich beantwortet. Das wäre zum Beispiel bei einer Verfilmung eine Optimierungsmaßnahme gewesen. Sie hätte sich auf eine Protagonistin fokussieren sollen, und zwar auf Aibileen. Sie hat am meisten zu verlieren. Ihre Gefahren sind existenziell, nicht die der weißen Protagonistin Skeeter. Ein richtiger Dramatiker hätte jeden Hausbesuch der weißen Journalistin bei Aibileen zelebriert. Sie waren lebensgefährlich, aber nur für die Schwarzafrikanerin und ihre Freundinnen. Jedes Anklopfen, jede Störung hätte eine tödliche Gefahr bedeutet. Im Roman wird es zwar nicht eskaliert, aber zumindest behandelt. Im Film: nichts. Mit der Etablierung einer eindeutigen Heldin hätte man auch der grassierenden Eindimensionalität begegnen können. Mehr von Aibileens inneren Konflikten, Zweifeln, Sorgen, seelischen Schmerzen usw. hätten eine Anteilnahme ermöglicht. 

Fazit

Der Film plätschert so dahin, ganz interessant, mehr Wohlfühlkino als ein Plädoyer gegen Ausbeutung und Rassismus. Ein reißender Strom wäre besser gewesen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "The Help".

„Gute Geister“ von Kathryn Stockett, neu bei bücher.de für 15 Euro

Farbiges Cover des Romans "Gute Geister" von Kathryn Stockett.

„Gute Geister“ von Kathryn Stockett, gebraucht bei medimops

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