Das Spiel der Macht (Steven Zaillian) USA 2006

„Das Spiel der Macht“ ist ein handwerklich herausragend gestaltetes Drama. Das Geschehen ist in Louisiana in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt und handelt vom Aufstieg und Fall des demokratischen Politikers Willie Stark (Sean Penn). Der inszeniert sich als Anwalt der Armen und Schwachen und kann so die Massen mobilisieren. Die ganze Besetzung, von der illustren Schauspielerriege bis hin zu den kleinsten Nebenrollen ist einfach brillant. Die Kameraarbeit von Pawel Edelman ist ein Kunstwerk. Er stammt von der seinerzeit besten Filmhochschule der Welt, aus dem polnischen Lódz, und hat viel mit Roman Polanski gedreht. Die Dialoge haben es in sich. Kein Zweifel, hier waren Könner am Werk.

Romanverfilmung

Sehr schön ist auch die innere Stimme des Ich-Erzählers, des Journalisten Jack Burden (Jude Law), der auf literarische Weise die Innenwelten der Figuren ausleuchtet. An diesen Stellen wird deutlich, dass erst sich hier um eine Romanverfilmung handelt, nämlich um „All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, für den er seinerzeit den Pulitzer-Preis erhalten hat.

Dramaturgie

Die Verfilmung leidet unter einer mangelnden Konzentration. Neben den politischen Machenschaften wird noch ein klassisches Erzählmotiv angerissen, nämlich „Die unmögliche Liebe“. Leider wird die unerfüllte Leidenschaft von Jack zu seiner Jugendliebe Anne Stanton nur am Rande behandelt. Ihr Scheitern liegt auch nicht an den äußeren Umständen, wie bei „Romeo und Julia“ zum Beispiel, sondern an der Glorifizierung seines Bildes einer unbefleckten Liebe.

Dann ist da noch Jacks Freundschaft zu Annes Bruder, dem Arzt Dr. Adam Stanton. Auch zu ihm hatte Jack einst eine innige Beziehung. Nun benutzt er ihn für Willies politische Ränkespiele. Anne beschreibt Jack ihren Bruder folgendermaßen: „Er ist immer noch der selbe Idealist, der du früher warst“. Des Weiteren wird eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt, nämlich die Beziehung von Jack zu seinem Ziehvater Richter Irwing, den er ungewollt in den Selbstmord treibt. Das allein hätte schon genügend Stoff für ein abendfüllendes Drama geboten. All diese aufgeführten dramatischen Ereignisse rufen allerdings keinerlei Gefühle hervor. Woran liegt’s?

Protagonist

Der gravierendste Fehler in „Das Spiel der Macht“ liegt in der Unentschlossenheit der Charakterisierungen. Wer ist eigentlich der Held? Jack Burden oder der Robin-Hood-Verschnitt Willie Stark? Damit fängt’s an. Die innere Stimme des Ich-Erzählers deutet auf Jack hin. Er ist ein kühler, desillusionierter, teilweise zynischer, gutaussehender Journalist. Er wandelt Whiskey trinkend und wie ein zufällig anwesender Beobachter („ich beobachte lieber aus der Ferne“) durchs Geschehen, dem irgendwann seine Ideale abhanden gekommen sind. Das mag sein Interesse an Willie erklären, an seiner Empathie, seiner Authentizität und seinen scheinbar hehren Absichten. Jacks Wahlkampfhilfe wirkt wie eine Art Therapie: Kann Willie mir etwas zurückgeben, was irgendwann auf der Strecke geblieben ist? Nein, kann er nicht.

Emotionen

Zweimal zeigt Jack emotionale Reaktionen. Einmal als er gegenüber Richter Irwing belastendes Material zurückhält. Ein zweites Mal als seine Jugendliebe Anne ihn nach ihrer Affäre mit Willie aufsucht. Da fällt die Maske: „Wie konntest du mir das antun?!“ Da bricht alles aus ihm heraus. Es ist ein Eingeständnis seiner gefühlsmäßigen Unfähigkeit, das Bedauern verpasster Chancen, für die es keine Korrekturen gibt. Man kann nicht wirklich eine Nähe zu ihm aufbauen. Letztlich lässt einen das ganze Geschehen irgendwie unbeteiligt zurück. Jack durchläuft auch keine Entwicklung und zeigt keinerlei Schuldgefühle nach dem Suizid seines Ziehvaters, was die Distanz manifestiert. Der durchtriebene, bauernschlaue Willie wäre der tauglichere Held gewesen.

Konstruktionen

Die jahrzehntelang zurückliegende Korruptionsaffäre, in die Richter Irwing verwickelt war, wirkt schon arg konstruiert. Sie bestätigt letztlich Willies simples Weltbild, demnach jeder Dreck am Stecken hat: „Der Mensch stinkt sich durchs Leben, von der Windel bis zum Grab“. Viel glaubhafter und passender zu den politischen Machenschaften wäre es gewesen, wenn der Richter tatsächlich eine saubere Weste gehabt hätte. Er ist auch gar nicht der Typ für derart krumme Touren. Nein, ein Gerücht wäre die Lösung gewesen. Also eine Konstruktion, der man nur allzu gerne Glauben schenkt. Anstelle der Wahrheit hätte ihm die Unwahrheit das Genick brechen sollen. 

Showdown

Noch gravierender ist das konstruierte Finale. Das Motiv für den Attentäter Adam Stanton ist ein Gerücht, nämlich dass seine Schwester eine Affäre mit Willie eingegangen ist, um ihm die Leitung eines neuen Krankenhauses zuzuschanzen. Hmm? Das ist ziemlich schwach und nicht wirklich glaubhaft. Da hätte man schon eine krankhafte Geschwisterliebe – also Eifersucht – als Motiv herausarbeiten müssen. So wirkt das Ganze sehr inszeniert und plakativ, was ja auch die ästhetischen Schlussbilder mit zwei Leichen inmitten der kreisrunden Insignien des Staates Louisiana zeigen.

Fazit

In „Das Spiel der Macht“ kann die herausragende handwerkliche Gestaltung nicht über gravierende Mängel in der Dramaturgie und der Figurenentwicklung hinwegtäuschen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Das Spiel der Macht".

„All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, neu bei bücher.de für 19,99 Euro

Farbiges Cover des Romans "All the King's Men" von Robert Penn Warren.

„All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, gebraucht bei medimops

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