One Battle After Another (Paul Thomas Anderson) USA 2025

Geht doch, Paul Thomas. „One Battle After Another“ ist ein skurriler, spannender Revoluzzer-Thriller, der eine sehr schöne Grundstimmung hat. Ganz anders als zum Beispiel in „Magnolia“ behandelt Anderson seine hervorragend besetzten und agierenden Figuren geradezu liebevoll. Keine depressive Stimmung. Gut so. Die Konfrontation von linken Agitatoren mit rechtskonservativen, religiösen Eiferern könnte man als satirische Metapher deuten. Ist sie aber nicht. Nicht nur die aktuelle Titelstory des SPIEGEL – „Gotteskrieger“ – belehrt uns eines Besseren. Die Realität hat die vermeintliche Überspitzung längst eingeholt. Darauf deutet auch der teilweise dokumentarische Stil dieses Porträts einer zutiefst zerrissenen Gesellschaft hin.

Die Geschichte

Eigentlich ist es eine Vierecksgeschichte. Da sind zum einen die linke Aktivistin Perfidia sowie ihr Partner, der Sprengstoffexperte „Ghetto Pat“ (Leonardo DiCaprio). Zum anderen stößt Perfidia bei einer gewaltsamen Befreiung von Migranten auf den rassistischen ICE-Offizier Colonel Lockjaw (Sean Penn) – der Beginn einer bizarren sexuellen Beziehung. Die endet erst als die inzwischen schwangere Perfidia nach einem Banküberfall verhaftet wird. Unter Druck verrät sie Namen und Adressen ihre Mitstreiter und wird als Gegenleistung in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Ausgestattet mit einer neuen Identität gelingt ihr die Flucht nach Mexiko.

16 Jahre später

Der Colonel will Mitglied des elitären „Christmas Adventures Club“ werden, eines klerikalen Geheimbundes mit mafiösen Strukturen. Die Sünden der Vergangenheit würden einer Aufnahme im Wege stehen. Deshalb spürt Lockjaw den Aufenthaltsort des drogenabhängigen Pat und seiner 16-jährigen Tochter Walla auf. Aber mit Hilfe eines immer noch funktionierenden Untergrundnetzwerkes können die Gejagten auf getrennten Wegen vorerst fliehen. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd gelingt es dem Colonel, Walla doch noch gefangen zu nehmen. Ein DNA-Test bestätigt seine Vaterschaft. Lockjaw sieht nur einen Ausweg: Ein bezahlter Killer soll seine Tochter töten. Aber dem Mädchen gelingt erneut die Flucht. Zusammen mit Pat kann sie sich ihrer Verfolger entledigen. Der bei der Verfolgungsjagd arg ramponierte Colonel wird am Ende von Mitgliedern des Geheimbundes liquidiert. 

Stärken

Leonardo DiCaprio in seiner Rolle als bekiffter, gammliger Pseudo-Vater, der in seiner Verwirrung über sich hinauswächst, ist einfach brillant. Ebenso Sean Penn als etwas unterbelichteter, rassistischer Colonel, der sich zu Höherem berufen fühlt, bis er in Flammen aufgeht. Auch die ganzen Nebenrollen sind exquisit besetzt: Wallas Freunde, die Mitglieder des Geheimbundes, die Aktivisten usw. Sehr schön auch die ins Spiel gebrachte Selbstironie: Wenn Pat sich beim wiederholten Telefonat mit seinen Mitstreitern partout nicht an den Erkennungscode aus dem „Handbuch für Revolutionäre“ erinnern kann, dann ist das schon witzig. Außergewöhnlich ist auch die Verfolgungsjagd auf den hügeligen Landstraßen im Südwesten der USA. Der Killer des Geheimbundes ist hinter dem Colonel und Walla her, Pat hintendran. Das ganze Auf und Ab ist schon super gemacht, auch der Trick, mit dem Walla den Killer außer Gefecht setzt.

Schwächen

Wieder macht Anderson den Fehler, seinen Film fast komplett mit Musik zu unterlegen und zwar so penetrant, dass die Dialoge teilweise in den Hintergrund treten. Auch in „One Battle After Another“ scheint es so, als würde Anderson seiner Geschichte und seinen Figuren nicht recht trauen. Schade. Die blutige Ballerei unter den Auftragskillern gegen Ende des Films ist überflüssig. Es geht doch nur darum, dass Walla in den Besitz des Fahrzeugschlüssels gelangt und ihre Flucht fortsetzen kann. Das hätte man auch unblutiger und eleganter lösen können. Den nachfolgenden Mordversuch am Colonel durch den Killer des Geheimbundes hätte das Opfer eigentlich nicht überleben können. Bisschen merkwürdig und ebenfalls überflüssig, weil er doch kurz darauf sowieso liquidiert wird. Der entscheidende Schwachpunkt ist aber derselbe wie zum Beispiel in John Cassavetes „Gloria“: Die Geschichte ist nicht zu Ende. Denn genauso wie die Mafia in „Gloria“ wird auch der Geheimbund nicht ruhen, bis alle Zeugen dieses Malheurs beseitigt sind. Also können Pat und Walla am Ende eigentlich nicht in Ruhe in ihrem Haus weiterleben.

Lösungen

Auf die Kraft und die Macht der Geräusche zu setzen, wäre viel effizienter als die gesamte Tonebene mit aufdringlicher Filmmusik zuzukleistern. Hier könnten zum Beispiel die Filme von Robert Bresson, „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang, die Experimentalfilme von Dziga Vertov, das Opening von „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder das „Manifest zum Tonfilm“ Vorbilder sein. Jedenfalls wäre eine intensive Beschäftigung mit den gestalterischen Möglichkeiten auf der Tonebene sinnvoll. Das Ende müsste so aussehen: Pat flieht zusammen mit seiner Ziehtochter nach Mexiko, denn der Geheimbund hat ja beschlossen, für „Sauberkeit“ zu sorgen. Wie, das haben sie ja demonstriert. Dieses Ende wäre auch eine Ironie dieser Geschichte: Man flieht nicht in die USA, sondern aus dem Land.

Fazit

Insgesamt macht dieser skurrile Thriller – trotz seiner Defizite – einfach Spaß. Wir dürfen gespannt sein, wie dieser Kampf weitergeht – One After Another.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für "One Battle After Another"..

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