Die Geschichte der Dienerin (Volker Schlöndorff) D, USA 1990

Die Denke geht so: Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff verfilmt einen Roman von Booker-Preisträgerin Margaret Atwood nach einem Drehbuch von Literatur-Nobelpreisträger Harold Pinter – also muss es gut werden. Aber Pustekuchen. Tut es nicht. Auf das Problem der Verfilmung von A-Literatur haben wir an anderer Stelle schon ausführlich hingewiesen. Wenn man so etwas macht, dann ist es sinnvoll, rigoros zu streichen und sich auf das erzählerische Potenzial zu konzentrieren. Das ist hier immerhin vorhanden, wird aber fahrlässig ignoriert. „Die Geschichte der Dienerin“ ist ein verquaster, düsterer Science-Fiction-Gruselfilm, der keine Emotionen hervorruft. US-Filmkritiker Roger Ebert rätselt zurecht darüber, was „uns der Film eigentlich sagen will?“

Vorzüge

Was man dem Film zugute halten kann, ist die gedankliche Auseinandersetzung mit einer Dystopie, wobei der Fokus, wie bei etlichen Werken von Margaret Atwood, auf der Unterdrückung der Frauen liegt. Konkret wird ein klerikales, totalitäres Regime in der fiktiven Republik Gilead beschrieben, das Frauen als „Gebärmaschinen“ instrumentalisiert. Vergleichbare Beispiele in der Literatur sind „1984“ von George Orwell oder „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley. Aber der Diskurs ist ein intellektueller, weil man die emotionalen Wirkungen der literarischen Vorlagen nicht so einfach übertragen kann. Wie man’s macht, hätte Volker Schlöndorff zum Beispiel beim Melodrama „Begegnung“ von David Lean studieren können, ebenfalls nach einer literarischen Vorlage.

Schwächen

Ohne eine interessante Figur wird’s schwierig, Gefühle zu erzeugen. Die Protagonisten agieren mehr oder weniger wie Marionetten. Hinzu kommt dieser rot oder blau gewandete Einheitslook. Das erschwert die Identifizierung und damit auch die Identifikation. Wo ist Kate jetzt eigentlich? Ist sie die rote Gestalt oder doch die andere? Mit wem soll man mitfiebern? Suspense-Situationen werden verschenkt, d.h.: die Spannung wird minimiert. Die Inszenierung ist teilweise uninspiriert, nicht richtig engagiert, manchmal auch merkwürdig, zum Beispiel als Kate in der Toilette des Nachtclubs auf Freundin Moira stößt. Die berichtet quietschfidel von ihrer Gefangennahme, der Liquidierung eines Helfers und Folterungen, die sie erlitten hat. So etwas müsste man brechen, zum Beispiel indem Moira unbekümmert beginnt und dann einen Zusammenbruch erleidet.

Elfenbeinturm

Sein suboptimales Werk erklärt Volker Schlöndorff folgendermaßen: „Ich schob diese Auftragsarbeit ein, um Geld zu verdienen.“ Immerhin hat’s ihm gedämmert, dass hier irgendwie der Wurm drin ist. Seine Rechtfertigung ist aber – mit Verlaub – eine Beleidigung für alle Handwerker, die jeden Tag versuchen, einen guten Job zu machen, um zu überleben. Eigentlich ist diese Ausrede nichts anderes als Grußworte aus dem Elfenbeinturm.

Antagonisten

Noch einmal Hitchcocks einfache Gleichung zur Etablierung eines veritablen Antagonisten: „Je gelungener der Schurke, umso gelungener der Film.“ Dann schauen wir uns doch in „Die Geschichte der Dienerin“ mal die beiden „Bösewichte“ an: Die unfruchtbare Ehefrau Serena geht ihrem Gatten bei der „Zeremonie“ (Befruchtung) hilfreich zur Hand, pflanzt ansonsten Blumen im Garten, wickelt Wollknäuel auf oder hilft Kate bei ihrer Schwangerschaft mit dem lebensrettenden Ersatzbefruchter Nick. Ein einziges Mal wird sie richtig fuchtig, als sie merkt, dass Kate ihr Abendkleid zum Besuch des Nachtclubs angezogen hat. Konsequenzen? Keine. Ehemann Kommandant Fred ist Sicherheitschef der Sekte und hat sich in Kate verliebt. Er behandelt sie, außer bei den obligatorischen „Zeremonien“, respektvoll und zuvorkommend. Das sind doch – mit Verlaub – keine Antagonisten! Dafür müsste Serena beispielsweise im Stile einer Giftschlange und Fred als Despot agieren. Die einzige Gefahrenquelle ist eigentlich das geltende Regelwerk, also das Gebot der Schwangerschaft für Kate. Bei Nichteinhaltung droht eine möglicherweise tödliche Bestrafung. 

Lösungen

Konzentration auf das Erzählmotiv: Die Unmögliche Liebe. Kates Ehemann, der zu Beginn des Films erschossen wird, und ihre Tochter haben keine Handlungsrelevanz. Also in medias res: Kate kommt als neue Gebärmaschine in das Haus des Kommandanten. Alles andere vorher ist überflüssig. Sie verliebt sich in Nick und wird schwanger von ihm. Das Erzählmotiv von „Die Geschichte der Dienerin“ impliziert ein dramatisches Ende und kein revolutionsromantisches.

Fazit

Der Filmtitel suggeriert, dass eine Geschichte erzählt wird. Das ist aber mitnichten der Fall. Stattdessen dominiert das Schreckliche: Die dystopische Welt ist schrecklich, die Inszenierung ist schrecklich, die Stimmung ist schrecklich. Treffender müsste der Filmtitel lauten: „Eine Geschichte des Schreckens“. Also mehr ein deutscher als ein amerikanischer Film.

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