Dieser Spionage-Krimi (kein Thriller) ist einfach nur enttäuschend. Immerhin hat Steven Soderbergh mal so brillante Thriller wie „Traffic – Macht des Kartells“ hergestellt. Aber das ist lange her, über 20 Jahre. „Black Bag“ ist eine mäßig spannende, stilisierte, manierierte, antiquierte, theatralische Agatha-Christie-Variante im Agentenmilieu. Ein sogenanntes Whodunit, ein Rätselspiel, das Alfred Hitchcock einst wie folgt bewertet hat: „Das Whodunit erweckt Neugier, aber ohne jede Emotion“. Genau das ist das zentrale Problem von „Black Bag“: Es entstehen keine Gefühle. Zudem gibt es eine Fülle von Unglaubwürdigkeiten.
Story
In einer Einheit des britischen Geheimdienstes SIS gibt es einen Maulwurf. Ein internes Computerprogramm, das einen Atomreaktor zur Kernschmelze bringen kann, ist entwendet worden. Ein Missbrauch würde eine nukleare Katastrophe zur Folge haben. Agent George Woodhouse (Michael Fassbender) bekommt eine Liste mit fünf Verdächtigen, unter denen sich auch der Name seiner Frau befindet. Innerhalb einer Woche will er den Verräter finden und eliminieren, was er dann auch schafft.
MacGuffin
Das Computerprogramm „Severus“ ist ein sogenannter MacGuffin, den Hitchcock wie folgt definiert: „Das ist eine Finte, ein Trick, ein Dreh … Macguffin ist also einfach eine Bezeichnung für den Diebstahl von Papieren, Dokumenten, Geheimnissen. Im Grunde sind sie ohne Bedeutung …“ Hier ist es ein MacGuffin von fragwürdiger Qualität: Wieso sollte denn die Kernschmelze eines Reaktors zum Sturz des russischen Regimes führen? Es könnte auch genau das Gegenteil passieren, nämlich dann, wenn es dem Regime gelingt, die Verursacher zu identifizieren und an den Pranger und sich als Opfer hinzustellen. Darin sind solche Regimes doch geübt, vorzugsweise mit Vorgängen, die nicht auf Tatsachen beruhen. Die Qualität dieses MacGuffins ist Ausdruck der Qualität dieses Films.
Dramaturgie
Spannung entsteht eigentlich nur ein einziges Mal, als George mit seiner Kollegin Clarissa in einem Zeitfenster von gut drei Minuten mittels eines Satelliten seine Frau in Zürich ausspioniert. Da gibt es so etwas wie zeitlichen Druck, der tödliche Konsequenzen haben könnte. Ansonsten gerät George kein einziges Mal in Gefahr. Von einem klassischen Erzählmotiv und Suspense ist weit und breit nichts zu sehen. Der Spannungsaufbau ist ein Armutszeugnis.
Figuren
„Ich dachte schon, du bist ein Mensch“, wirft Clarissa unserem Helden irgendwann vor. Genau das ist ein weiteres zentrales Problem dieses Films: George agiert emotionslos im Stile eines Roboters. Diese ganze Künstlichkeit geht nicht spurlos am Zuschauer vorbei. Irgendwann überträgt sie sich. Aber Film ist „Reaction“ und nicht „Action“ (Dudley Nichols). In „Black Bag“ dominiert die Kälte. Es knistert nicht zwischen den Personen. Auch im Schlafzimmer begegnen sich George und seine Frau sittsam in Schlafanzügen. Irgendwann sind einem diese ganzen stocksteifen Figuren auch egal. Ein weiterer Schwachpunkt ist der Antagonist James, der ein Dummkopf ist (s.u.), was Hitchcock wie folgt auf den Punkt bringt: „Je gelungener der Schurke, umso gelungener der Film“.
Machart
Dass der Film ohne Action auskommt, sollte man ihm nicht vorwerfen, obwohl es für einen Spionagefilm schon bemerkenswert ist. Was man ihm vorwerfen kann, ist folgendes: Im Intro begleiten wir den Helden in einer minutenlangen Einstellung von hinten. Wir sehen nur seinen Rücken. Wir sehen auch nicht richtig, was vor ihm ist. Das ist ja von seinem Körper verdeckt. Was sollen solche Aufnahmen bewirken? Später dürfen wir George – wieder von hinten – noch einmal durch die Büroräume des SIS begleiten. Das Ambiente ist sehr stylish, luxuriös, glamourös – so wie Agenten eben leben. Die jazzige Percussion-Filmmusik passt gut zum künstlichen Geschehen. Wieder hat Soderbergh neben der Regie auch die Kamera geführt. Auch das ist ein Fehler. Eine Filmcrew ist ein Team, in dem sinnvollerweise die einzelnen Bereiche auf mehreren Schultern verteilt sind. Seine egomanischen Anwandlungen sind in etwa vergleichbar mit den Ambitionen eines Fußballers, neben der Position des Innenverteidigers auch noch die des Torwarts auszufüllen. Das schmälert natürlich die Chancen des Teams auf ein erfolgreiches Spiel.
Weitere Ungereimtheiten
Als George eine Kinokarte im Papierkorb seiner Frau findet, ist die Manipulation eigentlich offensichtlich. Warum erkennt ein geschulter Agent wie George nicht sofort diese Falle? Die therapeutischen Gespräche von Dr. Vaughan und ihren Klienten sind eine Lachnummer, insbesondere ihr Trennungsgespräch mit „Bösewicht“ James. Warum sollte der eigentlich allein mit George eine Bootsfahrt auf dem einsamen See unternehmen? Die Gefahr einer tödlichen Konfrontation liegt doch auf der Hand. Am Schluss sitzen alle fünf Verdächtigen wieder am Essenstisch, auf dem eine geladene Pistole platziert ist. Da weiß doch jedes Kind, dass die keine Patrone enthält. Jedes Kind? Nein. Nur unser „Antagonist“ James nicht. Der greift nämlich zur Waffe, outet sich und feuert Platzpatronen ab. Das war’s dann für ihn. Dümmer geht’s nimmer. Erstaunlich auch, wer da alles eine Affäre mit wem hatte. Da wird Dr. Vaughan, die eigentlich mit James liiert ist, als Geliebte von Agent Freddie enttarnt. Chef Meacham scheint es gleich mit mehreren zu treiben, bis er ins Gras beißen muss. Nur, was hat das alles mit der eigentlichen Geschichte zu tun? Wahrscheinlich gibt sie sonst zu wenig her?
Fazit
„Black Bag“ ist ein ödes, uninspiriertes Verwirrspiel.
