„Mein liebster Alptraum“ von Anne Fontaine ist eine erfreulich unkorrekte Liebeskomödie, die eine schöne Stimmung verbreitet. Null Punkte auf der Defätismusskala. Der Film macht auch erzählerisch Tempo und ist, genauso wie „Mein bester Freund“ von Patrice Leconte, eine Satire auf eine exaltierte Kunstszene. Einiges ist zwar etwas überzeichnet und auch vorhersehbar, so zum Beispiel dass der prollige Gelegenheitsarbeiter Patrick Demeulieu (Benoît Poelvoorde) und die anfangs verkniffene Galeristin Agathe Novic (Isabelle Huppert) am Ende zueinander finden. Dem Vergnügen tut das insgesamt keinen Abbruch, wofür vor allem der Culture Clash und die rotzfrechen, zum Teil auch schwarzhumorigen Dialoge entscheidenden Beitrag leisten.
Odd-Couple
In „Mein liebster Alptraum“ kann man wunderbar studieren, welches Konfliktpotenzial einer kontrastreichen Charakter-Konfiguration innewohnt. Auf der einen Seite der „Eiszapfen“ Agathe, die zusammen mit ihrem Partner, dem Verleger Francois in einer luxuriösen Pariser Altbauwohnung residiert, auf der anderen der vulgäre und trinkfreudige Patrick. Man muss nur für eine länger andauernde Konfrontation sorgen. Das löst die Regisseurin zum einen damit, dass beide Eltern von pubertierenden Jungen sind, die die gleiche Schule besuchen und sich angefreundet haben. Des Weiteren findet ausgerechnet Francois Gefallen am respektlosen Patrick und engagiert ihn, natürlich ohne Absprache mit Agathe, als Handwerker für eine Baustelle in ihrem Apartment. Das Feld ist also gedüngt. Wie heißt es doch? Gegensätze ziehen sich an.
Wendungen
Immer wieder gibt es Erwartungen, die durchbrochen werden. Nach Patricks Frage an Francois – „Wie läuft’s denn im Bett mit so’nem Eiszapfen? Ist bestimmt nicht der Bringer?“ – erwartet man alles mögliche, aber bestimmt nicht, dass er ernsthaft darauf eingeht und beide sich anfreunden. Tun sie aber und das ist sehr schön gemacht. Später, als Francois eine Affäre mit Patricks Sozialhelferin Julie hat, und das Gespräch mit Agathe sucht, denkt man, dass er die Affäre beichten will. Aber Pustekuchen. Francois macht Agathe einen Heiratsantrag. Das ist im ersten Moment irritierend, macht bei näherem Nachdenken aber Sinn. Denn Francois ist verwirrt. Einerseits fühlt er sich sich zu Julie hingezogen, andererseits nervt ihn ihr esoterisches Getue. Außerdem ist er ungefähr doppelt so alt und weiß um die zeitliche Limitierung dieser Liaison. Der überraschende Antrag ist ein Versuch, Klarheit zu schaffen. Die gibt’s dann auch von Agathe, die von einer Heirat nichts wissen will und postwendend ihre Affäre mit Patrick beichtet. Später ist sie es, die einen Heiratsantrag macht, und zwar an Patrick. Vorgeblich geht es darum, Vertretern des Jugendamts seriöse familiäre Verhältnisse vorzugaukeln. Auch dieser Antrag ist im ersten Moment eine Überraschung, bei Lichte betrachtet nicht mehr.
Dialoge
Die Dialoge in „Mein liebster Alptraum“ sind unkorrekt, schlagfertig, manchmal auch schwarzhumorig – einfach ein Genuss. Als Patrick nach seiner Morgentoilette leicht bekleidet durchs Luxusapartment läuft, bemerkt Agathe süffisant: „Ist es Ihnen nicht peinlich, hier im Slip rumzulaufen?“ Patrick antwortet mit einer Gegenfrage: „Nein, wieso? Soll ich ihn ausziehen?“ Bei einer Vernissage in ihrer Galerie mokiert Patrick sich über eine leblose Fotografie mit einer Abbildung von Agathe: „Es ist als würde ich ein Topmodell ficken und dabei das Licht ausmachen.“ Nach der eilig anberaumten Trauung zwischen Agathe und Patrick bemerkt der Trauzeuge, einer der Schriftsteller, den Francois unter Vertrag hat: „Danke, dass ich Trauzeuge sein durfte.“ Agathe: „Das ganze ist doch ein Betrug. Wer außer dir, wäre besser geeignet?“
Defizite
Die Schwächen dieser hemmungslosen Komödie liegen nicht in der Überzeichnung von Charakteren oder Szenen, wie etliche Kritiken bemängeln. Was spricht denn überhaupt gegen eine unterhaltsame Übertreibung? Eigentlich nichts. Schließlich sind wir doch im Kino. Das Gegenteil wäre eine Unterzeichnung oder Subtilität. Beides keine tauglichen Zutaten für eine Screwball Comedy. Die eigentlichen Defizite liegen im dramaturgischen Bereich. Es gibt keine wirkliche Spannung. Das liegt an der stiefmütterlichen Behandlung der einzigen Personen, von denen eine Gefahr ausgeht. Das sind die Mitarbeiter des Jugendamts, die Patrick drohen, ihm seinen Sohn wegzunehmen und ihn in die Obhut einer Pflegefamilie zu geben. Dieses Gefahrenmoment taucht aber erst nach der Hälfte des Films auf. Das muss man natürlich eher platzieren. Diese Drohung hätte der erzählerische Bogen sein müssen. Sie ist das Damoklesschwert, das nicht nur über Patrick schwebt, sondern auch über Agathe. Deshalb heiratet sie ihn ja, vorgeblich zur Vortäuschung stabiler Familienverhältnisse.
Konstruktionen
Das zweite Defizit liegt in der Konstruktion, Patrick als Handwerker zu engagieren. Da hätte Agathe zu diesem Zeitpunkt schon mehr Widerstände an den Tag legen dürfen. Außerdem wäre ein derartiges Engagement ja eher zeitlich begrenzt. Patrick dann noch für die Dauer der endlos währenden Reparaturen in eine Dachgeschosswohnung einzuquartieren, ist schon arg bemüht.
Beziehungen
Der dritte Fehler liegt im eindimensionalen Verhalten Agathes zu ihren Angestellten in der Galerie. Hier agiert sie ausschließlich im Stile einer Schreckschraube. Diese Szenen passen auch überhaupt nicht zur sonstigen Atmosphäre des Films. Vielleicht sollten sie überzeichnet wirken, tun sie aber nicht, weil sie jeglichen Humor vermissen lassen. Die Liaison von Francois mit der attraktiven und ca. 30 Jahre jüngeren Julie ist ebenfalls ein Konstrukt. Sie hat etwas Traumhaftes, aber nichts Alptraumhaftes. Das ist der Punkt. Hier wäre es viel besser gewesen, wenn Patricks Vorliebe für beleibtere Frauen („ Ich nudel sie durch, die Dicken“) auf Francois abgefärbt wäre. Julie als dicke, rotzfreche und gleichaltrige Frau hätte die geeignetere Partnerin abgegeben.
Fazit
„Mein liebster Alptraum“ bereitet trotz seiner Mängel vor allem eines: pures Vergnügen.

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