Station Agent (Tom McCarthy) USA 2003

„Station Agent“ ist eine kleine, ungewöhnliche Tragikomödie, mit sehr originellen Protagonisten und ein paar dramaturgischen Defiziten. Dieser Independent-Film zeigt auch, was in der US-amerikanischen Filmindustrie mit all ihren Schattenseiten möglich ist. Produktionskosten von gerade mal einer halben Million Dollar stehen weltweiten Einnahmen von knapp neun Millionen gegenüber. Chapeau!  

Figuren

„Station Agent“ hat sehr interessante, prägnante Protagonisten. Allen voran der kleinwüchsige Held Finbar „Fin“ McBride (Peter Dinklage). Wenn er im Supermarkt von der Kassiererin aufgrund seiner Körpergröße gar nicht wahrgenommen wird, ertappt man sich beim Schmunzeln. Zugleich bekommt man eine Ahnung von erlittenen Demütigungen, wobei „Zwerg“ noch zu den harmloseren Lästereien gehört. Aber es gibt auch originelle Bemerkungen. So fragt ihn das Schulmädchen Cleo ganz unbekümmert, in welche Klasse er denn geht. 

Drei Freunde

Tom McCarthy gönnt dem Helden eine Entwicklung. Anfangs ist es Fin, der allen vermittelt, in erster Linie seine Ruhe zu wollen. Erst als die labile Olivia Harris (Patricia Clarkson) gleiches von ihm einfordert und er sich nicht an diese Vorgabe hält, reißt er die selbst errichteten Schutzmauern ein. Damit rettet er nicht nur ihr Leben. Am Ende hat Fin gelernt, dass Ruhe gar nicht immer so gut ist.

Der Zweite im Bunde ist der Imbissbesitzer Joe Oramas (Bobby Cannavale), der eigentlich nur seinen Vater im mobilen Verkaufswagen vertritt. Er hat im besten Sinne etwas Kindliches, ist neugierig, unternehmungslustig und verspielt. Vor allem äußert er unverblümt seine Meinung. „Oh shit“, ist erst mal alles, was ihm bei seiner ersten Begegnung mit Fin einfällt. Die selbe Einschätzung entfährt ihm angesichts von Olivias Gemälden. Außerdem ergreift er Partei für Fin, als zwei seiner Gäste sich abfällig äußern. Joe ist ein echter Freund, ein Glücksfall für Fin und den Film.

Komplettiert wird das Trio von der verhuschten, ca. 40-jährigen Olivia, die unter dem Verlust ihres Sohnes und der Trennung von ihrem Mann leidet. Sehr schön ist auch die Meeting-Scene, als Olivia in Schlangenlinien mit ihrem Wagen auf der Straße fährt und Fin sich mit einem Hechtsprung in Sicherheit bringt. Zwischen den beiden entwickeln sich zarte Bande, die Olivia letztlich helfen, zumindest vorerst wieder in die Spur zu kommen. Diesem Dreigespann schaut man einfach gern zu.

Schwachpunkte

Der Film hat einige Längen. Gelegentlich sieht man Fin herumspazieren, ohne dass ein erzählerischer Mehrwert entsteht. Was sollen uns Zwischenschnitte von Bahngleisen sagen, außer dass es sich hier um Bahngleise handelt? Olivias Freundin Janice, die einmal auftaucht, hat nun wirklich keine Handlungsrelevanz. Joe verhält sich unserem Helden gegenüber von Anfang an neugierig und freundlich. Das ist natürlich dramaturgisch nicht so toll. Insgesamt gibt es zu wenig Gefahrenmomente für Fin. Einmal landet er sturzbetrunken im Gleisbett, aber das war’s dann. Zu Beginn des Films erfahren wir zwar, dass er Modelleisenbahnen repariert, aber nicht wovon er nach seinem Umzug lebt. Auch oder gerade wenn man ein Haus – zumal so eine Bruchbude – erbt, benötigt man Geld. Die Thematisierung seiner Existenzkämpfe bleibt leider ausgespart.

Lösungen

In der Beziehung von Fin und Joe wäre eine Odd-Couple-Konfiguration  dramaturgisch ertragreicher gewesen. Also, Joe der griesgrämige, mit allen erdenklichen Vorurteilen ausgestattete Nachbar. Zudem hätte sein Imbisswagen nicht mobil sein dürfen. In einer Zwangslage hätte die Dramatik bestanden. So kann er sich beim ersten handfesten Konflikt aus dem Staub machen, was er ja dann auch tut. Hier wäre denkbar gewesen, dass ihm der alte abgestellte Eisenbahnwaggon gehört. In dem räumt Fin zwar ab und zu auf, aber ansonsten hat dieser keine Funktion. Mit dem Waggon hätte Joe sich nicht einfach davonmachen können. Am Ende hätte das Trio dort ein kleines Eisenbahn-Restaurant eröffnen können, mit Joe als Koch, mit Fin als Kellner und Olivias Gemälden an den Wänden.

Fazit

Das Ende von „Station Agent“ wirkt etwas überraschend. Andererseits sieht man die drei Freunde – nach Trennung und Selbstmordversuch – vereint. Sie haben einander Halt gegeben. Das gibt Hoffnung. Den Wunsch nach Isolation werden weder Fin noch Olivia so schnell wieder artikulieren. „Station Agent“ ist eine kleine, unprätentiöse Perle.

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