„Abbitte“ gehört nicht zu den stärksten Romanen von Ian McEwan. Auf das Problem der Verfilmung von A-Literatur sind wir an anderer Stelle schon ausführlich eingegangen. Eigentlich ist es grundsätzlich problematisch das eigene Gewerk im künstlerischen Produkt zu thematisieren, also das Schreiben im Roman oder die Filmerei im Spielfilm usw. Warum? Wirkt ein bisschen einfallslos, wie ein Buch über den Schriftsteller, der eine Schreibblockade hat. Wen interessiert’s? Die Adaption eines artifiziellen Romans wie „Abbitte“ macht eigentlich nur Sinn, wenn man sich auf das erzählerische Potenzial konzentriert. Welches ist das hier?
Erzählmotiv
Zum einen existiert hier ein klassisches Erzählmotiv, das ist „Die Unmögliche Liebe“. Eine Romeo-und-Julia-Variante, die sich vor etwa 90 Jahren auf einem englischen Landsitz abspielt. Protagonisten sind die junge Cecilia (Tochter der Gutsherrin) und der gleichaltrige Robbie (Sohn der Haushälterin). Eine Liebe, die aufgrund unwirtlicher Zeiten, Standesunterschieden und Eifersucht keine Chance hat. Leider konzentriert Joe Wright sich, genauso wenig wie Ian McEwan, auf das vorhandene Potenzial. Stattdessen gibt es jede Menge Schnickschnack, der mit der Geschichte nichts zu tun hat. Man fragt sich in der Verfilmung auch, wer denn eigentlich die Hauptperson ist?
Perspektive
Eine konsequente Perspektive aus Brionys Sicht (ist im Roman eindeutiger) wäre ein tauglicher Ansatz gewesen, also die noch kindliche Protagonistin, die Schuld auf sich lädt. Vergleichbar mit dem Held in Khaled Hosseines „Drachenläufer“. Also, die Heldin begeht einen folgenschweren Fehler, in den – außer ihr – nur noch der Zuschauer eingeweiht ist (Suspense). Das ganze Desaster aus ihrer Perspektive, wie es ihr nach und nach dämmert, was sie angerichtet hat. Nur sie und nichts anderes. Das wäre Möglichkeit Nummer 1 gewesen.
Die Liebe
Der zweite sinnvolle Ansatz wäre die Konzentration auf die „Unmögliche Liebe“ gewesen, also das Scheitern einer Beziehung aufgrund äußerer Umstände. Alles rigoros aus der Perspektive der Liebenden. Dann müsste auch dieser merkwürdige Kriminalfall mehr in den Vordergrund rücken. Denn das muss man erstmal schlucken, dass nur aufgrund der Aussage eines verwirrten 13-jährigen Mädchens ein Verdächtiger zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wird. Okay, die Standesunterschiede tragen natürlich zu Vorurteilen und zur Vorverurteilung bei, aber wieso werden das Opfer und andere Beteiligte der Suchaktion nicht befragt? Auch die Gerichtsverhandlung wäre interessant gewesen. In „The Help“, ebenfalls eine Literaturverfilmung, reicht der bloße Verdacht einer weißen Frau zur Verurteilung ihrer schwarzen Hausangestellten aus. Das akzeptiert man sofort, aber hier …
Stärken
Es gibt ein paar schöne Szenen mit Eigenwert, etwa als Briony mit den anderen Kindern ihr Theaterstück proben will: „Ihr spielt in diesem Stück, sonst knallt’s!“ Ihr Ensemble hat leider ganz andere Dinge im Kopf. Das ist witzig. Dann die Szene am Brunnen, wie Cecilia entrüstet, nur mit Unterwäsche bekleidet und völlig durchnässt am Brunnen im Garten steht. Das ist Brionys Perspektive. Die wirklichen Zusammenhänge erfahren wir später. Die Liebesszene in der Bibliothek hat etwas Fesselndes, auch wenn Briony sie wieder ganz anders interpretiert. Stellenweise baut der Film eine schöne Atmosphäre auf, die dann durch die Vergewaltigung jäh zerstört wird.
Schwächen
Robbies Kriegserlebnisse werden in surrealen, albtraumhaften Sequenzen erzählt. Dieses Stilmittel wirkt wie ein Fremdkörper und wird urplötzlich ungefähr nach der Hälfte des Films eingeführt. Auch hier fragt man sich: Was soll das? Warum plötzlich diese Traumsequenzen? Letztlich eine unproduktive Irritation.
Fazit
Insgesamt ist „Abbitte“ zu abgehoben, zu überambitioniert, zu unentschlossen und zu weit weg von seinen Zuschauern, um Spannung und Gefühle zu erzeugen.
