Nightcrawler (Dan Gilroy) USA 2014

„Nightcrawler“ von Dan Gilroy ist ein grandioser Psychothriller mit einem genialen Jake Gyllenhaal in der Rolle des gewalttätigen Kleinkriminellen Louis Bloom. Ein konzentriertes Psychogramm eines intelligenten Soziopathen, der schließlich als rücksichtsloser Sensationsreporter seine „Berufung“ findet und buchstäblich über Leichen geht. Louis operiert ebenso abstoßend wie faszinierend. Gefühle sind ihm fremd. Er imitiert sie nur, wenn er ein Vorteil wittert. Nach eigenem Bekunden mag er keine Menschen, weil er sie nicht versteht. Er braucht sie, um Macht auszuüben und um zu überleben. Er zitiert gängige Business-Strategien und lobt seine Kunden aus taktischen Gründen. Louis ist ein Crime-Paparazzi wie er im Buche steht: „Wer mich sieht, hat den schlimmsten Tag seines Lebens.“ Alle Nebenfiguren sind ebenso hervorragend besetzt. Allen voran die alternde Nachrichtenchefin Nina Romina (Rene Russo) und sein Praktikant Rick Carey (Riz Ahmed).

Dramaturgie

Die Spannung wird vorbildlich eskaliert. Nachdem Louis seinen einzigen Konkurrenten erledigt hat, ist er als erster am Tatort einer feudalen Villa, in der die Bewohner von Killern ermordet wurden. Louis filmt nicht nur das Blutbad, sondern auch die fliehenden Mörder, was er gegenüber der Polizei verheimlicht. Deren Festnahme inszeniert er nach allen Regeln der Kunst. Dabei nimmt er nicht nur den Tod der beiden Killer in Kauf, sondern auch den seines Praktikanten und eines Polizeibeamten. Der Film ist auch eine gnadenlose Abrechnung mit den Mechanismen aktueller Fernsehberichterstattung in den USA (hierzulande wäre so etwas kaum denkbar). Letztlich liefert Louis nur das, wonach die Medien gieren: Mord und Totschlag – hautnah und schonungslos. Durch ständiges Elliptieren wird ein rasantes Erzähltempo vorgelegt und die Zuschauer zum Mitdenken animiert. Die Dialoge sind überraschend und hintergründig, ein Baustein der sogartigen Spannung.

Schwachpunkte

„Nightcrawler“hat zwei kleine Schwachpunkte: Wenn Louis die Bremsleitung am Fahrzeug seines Konkurrenten ansägt, dann müsste nach dessen tödlichem Verkehrsunfall die Spurensicherung eigentlich dem Sabotageakt auf die Schliche kommen. Louis’ ständige Grenzüberschreitungen an Unfall- und Tatorten werden juristisch nur ein einziges Mal beanstandet, was die Verpixelung von Mordopfern zur Folge hat. Da hätte man sich schon ein bisschen mehr Gegenwind vorstellen können, sowohl von Polizisten vor Ort oder von gefilmten Opfern und deren Angehörigen.

Finale

„Nightcrawler“ endet mit einer Drohung des weiblichen Detectives, Louis des Mordes zu überführen und mit einem erneuten Zeitsprung. Sämtliche Ermittlungen sind offensichtlich ins Leere gelaufen, da alle Zeugen des letzten Überfalls gestorben sind und Louis nichts nachzuweisen ist. Im Schlussbild hält er eine Ansprache vor seinen neuen Praktikanten und vor neuen Produktionsfahrzeugen: „Ihr müsst nichts tun, was ich nicht auch tun würde.“ Nur Bloom und die Zuschauer wissen um die tiefere Bedeutung dieser scheinbar harmlosen Floskel. Das Grauen ist weiterhin unter uns.

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