Zwielicht (Gregory Hoblit) USA 1996

„Zwielicht“ ist ein spannender Gerichtsthriller nach dem gleichnamigen Roman von William Diehl, der noch einmal eindrucksvoll bestätigt, dass man tatsächlich nicht alles glauben sollte, was man denkt. Staranwalt Martin Vail (Richard Gere) glaubt nämlich im Mordprozess gegen seinen Mandanten Aaron Stampler (Edward Norton) so ziemlich als einziger an dessen Unschuld. In der Schlußszene wird Vail eines Besseren belehrt. Wie alle anderen ist auch er auf einen genialen Soziopathen hereingefallen. Allerdings ist die Folgenlosigkeit dieser Wendung ein erzählerisches Armutszeugnis.

Schwachpunkte

Wenn Aaron Stampler im Prozess für unzurechnungs- und schuldunfähig erklärt wird, betrifft das den Mord an den Erzbischoff von Chicago. Bei der finalen Beichte erfahren wir aber auch von einem weiteren Mord, nämlich den an seiner Freundin Linda. Selbst nach dem amerikanischen Rechtssystem würde es sich hier um einen neuen Fall unter neuen Voraussetzungen handeln. An dieser Stelle sich ganz den Gefühlen eines reingelegten, eitlen Anwalts zu widmen und den Film dann zu beenden, ist schon haarsträubend. Was sind denn das für Filmemacher?! Was ist denn das für ein Anwalt?! Damit macht Vail sich mitschuldig an der Vertuschung eines Schwerverbrechens. Er nimmt billigend in Kauf, dass Stampler nach seiner möglichen Freilassung ungeschoren davonkommt und im schlimmsten Fall weitere Morde begehen könnte. Hier lassen zum Beispiel „Double Jeopardy“ von Bruce Beresford oder Gregory Hoblits späterer Thriller „Das perfekte Verbrechen“ den Zuschauer weniger im Regen stehen.

Protagonist

Ein weiteres Problem ist die Figur des arroganten, publicitysüchtigen Staranwalts. Wenn Martin Vail tatsächlich mal ins Schwitzen gerät, lässt auch das einen kalt. Eine Synchronisation der Gefühle findet nicht statt. Selbst wenn er am Ende reingelegt wird, empfindet man vielleicht einen kurzen Moment der Schadenfreude, aber keine Empathie. Man fühlt sich an das alte Sprichwort erinnert, demnach Hochmut vor dem Fall kommt. Das war’s dann aber auch. Eine interessantere, facettenreichere Figur hätte mehr Gefühle generieren können. Billy Wilder hat es in „Zeugin der Anklage“ mit dem skurrilen Sir Wilfried demonstriert.

Konsequenzen

In einem Nebenerzählstrang vertritt Vail den lateinamerikanischen Kriminellen Pineiro, der aber auch sein Viertel vor Spekulanten schützt. Kaufinteressent ist auch eine Stiftung, der Oberstaatsanwalt Shaughnessy angehört, ebenso der Erzbischoff vor seinem Ableben. Während des Prozesses nimmt Vail den Oberstaatsanwalt zwar ins Kreuzverhör, um auf ein Tatmotiv hinzuweisen. Denn der Erzbischoff war gegen die Immobilienspekulation der Stiftung. Leider bleibt auch dieses Verhör ohne Konsequenzen. Wenig später schwimmt Pineiros Leiche im Fluss. Kein weiteres Wort, keine Bilder über Hintergründe oder Zusammenhänge. Dann hat dieser Nebenerzählstrang in „Zwielicht“ aber auch keine Handlungsrelevanz und sollte gestrichen werden.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für Zwielicht (Gregory Hoblit).

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