Ridley Scott ist genauso wie sein Bruder Tony ein Synonym für gut gemachte, spannende Unterhaltung. So auch in „Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“. Es beginnt mit Impressionen des Frachtraumschiffs Nostromo, mit unheilvollen Vorahnungen, dass dieser Triumph der Technik sich als Trugschluss erweisen könnte. So spannend die Exposition ist, deutet sie doch zugleich auf einen der Schwachpunkte des Films hin: Alles sehr technisch hier.
Die Geschichte
Die Einheit von Zeit, Raum und Handlung ist ein großer Pluspunkt, ändert aber nichts an der dünnen Story: Im Jahr 2122 empfängt die Nostromo mysteriöse Funksignale von einem kleinen Planeten. Ein Erkundungstrupp stößt dort auf auf unbekannte Lebensformen, die bei der Rückkehr mit an Bord des Raumschiffs gelangen. Es ist ein „Alien“, das nach und nach alle Besatzungsmitglieder tötet, bis auf Offizier Ellen Ripley (Sigourney Weaver), die sich im letzten Moment des Monsters entledigen kann.
Die Figuren
Zur Dominanz der Technik gehört auch das Fehlen von Beziehungen unter den Besatzungsmitgliedern. Es gibt ein bisschen Geplänkel von Parker und Brett über zu niedrige Prämien und eine Kontroverse über die Entscheidung von Captain Dallas, bei der Rückkehr des Suchtrupps geltende Quarantänevorschriften zu ignorieren. Aber, das war’s dann auch. Keine Liebes-, keine Familiengeschichten. Keine Geheimnisse, keine Backstories. Die Kälte des Weltalls scheint auch von der Crew Besitz ergriffen zu haben. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich der Wissenschaftler Ash als Roboter entpuppt. Eine wirklich interessante Person ist nicht an Bord. Ellen Ripley hätte es werden können, aber wir erfahren zu wenig von ihr.
Schwachpunkte
Ein weiterer Schwachpunkt ist das „Alien“, das hier als glibberiges, formänderndes Wesen in Erscheinung tritt. Letztlich ist es zu künstlich und zu amorph. Es ist zwar furchterregender als der Sandwurm in „Dune“, wozu aber nicht viel gehört. Aber es kann nicht ansatzweise dem „weißen Hai“, den Raptoren in „Jurassic Park“ oder den Krokodilen in „Crawl“ das Wasser reichen. Es fehlt das Figürliche. Ein weißer Hai ist ein weißer Hai. Er verändert seine Form genauso wenig wie seinen immensen Appetit.
Suspense
Des weiteren operieren die letzten drei Horrorfilme mit Suspense, d.h. der Zuschauer wird teilweise über die bedrohliche Anwesenheit des Raubtieres informiert, nicht aber der Protagonist. So wird Spannung natürlich vorbildlich eskaliert. „Alien“ operiert mit Überraschungen, etwa wenn das kleine Monster aus Kanes Bauch heraus ins Freie schlüpft. Diese Szene ist sehr schön retardiert. Ein Film mit Überraschungen ist natürlich nicht schlecht, aber was sind sie schon im Vergleich zu Suspense. Irgendwann erahnt man in „Alien“ auch das Unheil, etwa wenn Brett im Rumpf des Schiffes mit einem Flammenwerfer auf Jagd geht. Eine Überraschung, die man ahnt, ist aber auch keine Überraschung mehr.

Hi Klaus,
da du Wert auf handwerkliche Kriterien und Qualität legst, wundert mich deine negative Haltung zu Alien ein bisschen.. Wenn man Spannung, Atmosphäre, Inszenierung und filmisches Handwerk als Maßstab nimmt, ist Alien ja eigentlich ein Paradebeispiel. Ridley Scott arbeitet dort mit extrem präzisem Pacing, nutzt Stille und Sounddesign gezielt zur Spannungssteigerung, und die Kameraarbeit verstärkt perfekt das Gefühl von Enge und Isolation.
Auch das Produktionsdesign von H. R. Giger entworfen gilt bis heute als Meilenstein, weil es den Look des gesamten Sci-Fi Genres geprägt hat. Selbst die Schnittstruktur ist bewusst so aufgebaut, dass die Bedrohung sich langsam und organisch entfaltet.
Wenn man also nach handwerklichen Kriterien urteilt, ist Alien eigentlich fast lehrbuchmäßig gut gemacht, unabhängig davon, ob man den Film persönlich mag oder nicht.
Und zu deinen Kritikpunkten:
Zur „dünnen Story“
Alien hat absichtlich keine komplizierte Story, weil der Film gar nicht so funktionieren soll. Das ist ein enger, klaustrophobischer Spannungsfilm. Es geht darum, dass etwas Fremdes ins Schiff kommt und die Crew damit klarkommen muss. Mehr braucht der Film nicht. Er lebt nicht von Plot, sondern davon, wie die Stimmung aufgebaut wird und wie die Gefahr immer näher kommt. Eine einfache Story ist hier kein Fehler, sondern das genaue Konzept.
Zu „keine Beziehungen, keine Backstories, keine Liebesgeschichten, keine Familiengeschichten, keine Geheimnisse“
Das klingt so, als wären solche Elemente Grundbedingungen für gute Filme. Das stimmt aber nicht. Das sind nur Werkzeuge, die man benutzen kann, aber nicht muss. Ein Film wird nicht automatisch besser, nur weil jemand eine tragische Vergangenheit hat oder weil irgendwo eine Liebesgeschichte drangetackert wurde. Viele moderne Filme sind gerade deswegen schwächer, weil sie zwanghaft irgendwelche Privatdramen in die Story quetschen, obwohl sie zur Situation gar nicht passen.
Bei Alien ist das genauso gewollt. Die Crew wirkt wie echte Arbeiter in der Zukunft, die ihren Job machen und nicht ständig über ihr Privatleben reden. Keine künstlichen Liebesgeschichten, keine erzwungenen Drama-Hintergründe. Die Spannung entsteht gerade dadurch, dass diese Leute normale Kollegen sind. Die Friktionen, Befehle, Rangordnung und der Ärger über Ash reichen völlig aus, um die Gruppe glaubwürdig zu zeigen. Der Film versucht gar nicht, große Charakterbögen zu erzählen. Er will Realismus in einer Extremsituation.
In Alien würde das sogar schaden. Die Figuren wirken glaubwürdig, weil sie arbeiten wie echte Kollegen: kurz angebunden, professionell, manchmal genervt, mit Spannungen zwischen den Abteilungen. Diese Art von Beziehung ist viel realistischer als künstliches Hollywood-Drama.
Die Welt von Alien funktioniert genau deshalb, weil die Crew keine unnötigen privaten Nebenplots hat. Der komplette Fokus liegt auf der Gefahr im Schiff und darauf, wie sie darauf reagieren. Jede Ablenkung vom Kern hätte den Film nur verwässert.
Außerdem macht genau das Ripley so interessant. Sie hat keine künstlich drübergestülpte Backstory. Man lernt sie durch ihr Verhalten kennen wie sie Regeln ernst nimmt, wie sie Entscheidungen trifft und wie sie mit Stress umgeht. Das ist ein stärkerer Charakteraufbau als jede ausformulierte Kindheitsgeschichte. Alien zeigt Charaktere über Handlungen, nicht über Erklärungen. Und das ist gutes Kino.
Gute Filme brauchen keine Liebesdramen, keine Familienplots und keine ausgerollten Vorgeschichten. Diese Dinge sind optional. Für Alien wären sie sogar komplett fehl am Platz. Die Spannung und Glaubwürdigkeit ergeben sich gerade daraus, dass die Crew normale Menschen bei der Arbeit sind und nicht Figuren aus einem Seifenopern-Drehbuch.
Zur Kritik am Alien selbst
Das Alien ist eine der berühmtesten Filmkreaturen aller Zeiten. Der Look hat das ganze Genre beeinflusst. Dass es nicht wie ein normales Tier wirkt, ist der Punkt. Das Ding soll nicht wie ein Hai oder ein Raptor funktionieren. Es ist etwas völlig Fremdes, etwas, das biologisch nicht zu uns passt. Genau das macht es unheimlich. Giger hat absichtlich eine Form gewählt, die man nicht komplett greifen kann. Das ist kein Fehler, sondern der Grund, warum diese Figur bis heute legendär ist.
Zur Behauptung, der Film arbeite kaum mit Suspense
Alien hat sowohl Schockmomente als auch klassische Suspense und zwar reichlich. Die Szene mit dem Brustkorb ist ein Schock, ja. Aber fast alles danach ist reine Anspannung. Man weiß, dass das Alien irgendwo im Schiff ist. Man hört es. Man sieht dunkle Gänge, enge Räume, Bewegungsmelder, die ausfallen. Das ist genau das, was Suspense ausmacht: Der Zuschauer weiß mehr als die Figuren oder fühlt die Gefahr deutlicher. Die Jagd auf Brett oder Dallas ist genau das.
Zu sagen, Alien würde hauptsächlich auf Überraschungen setzen, stimmt einfach nicht.
Alien ist auch deshalb so gut, weil der Film eine Atmosphäre hat, die man nicht kopieren kann. Das Schiff wirkt wie ein echter Arbeitsplatz, das Alien wirkt wie etwas, das nicht in unsere Welt gehört, und die ganze Mischung aus Enge, Dunkelheit, Maschinenlärm und Stille erzeugt einen Druck, der bis heute kaum ein anderer Film erreicht. Der Film hat keine einzige unnötige Szene ! er zieht sich nicht in die Länge, alles sitzt genau da, wo es hingehört. Auch wegen dieser Konsequenz gehört der Film zu den besten Sci-Fi-Horrorfilmen überhaupt, und sollte objektiv klar in einer Top 20 sein