Der Liebe verfallen (Ulu Grosbard)

„Der Liebe verfallen“ ist ein eher ruhiges, kluges und schönes Melodrama, das sich ganz auf seine herausragend agierenden Protagonisten konzentriert: Die verheiratete Illustratorin Molly Gilmore (Meryl Streep) und den Bauingenieur Frank Raftis (Robert De Niro), der Frau und zwei Kinder hat. Ihre Dramatik bezieht die Geschichte aus den Widrigkeiten im Leben zweier Menschen, die füreinander bestimmt sind, zueinander zu finden. Menschen kann man eben nicht so einfach umtauschen wie Bücher.

Opening

Damit sind wir bei der Meeting-Scene. Denn Molly und Frank stoßen kurz vor Weihnachten schwer bepackt am Eingang einer Buchhandlung zusammen. Ein Aufeinanderprall mit Folgen. Denn sie vertauschen ihre Geschenke, die für den jeweiligen Ehegatten bestimmt sind. Eine Metapher, denn nicht nur die Bücher befinden sich beim falschen Partner. Während der Umtausch der Bildbände problemlos erfolgt, dauert es Monate bis Molly und Frank sich in einem Vorortszug wieder treffen. Beide fühlen sich zueinander hingezogen und knüpfen zarte Bande. Diese Annäherung der Seelenverwandten wird sehr schön beschrieben. Nur ihre Hemmungen stehen einer Liebesbeziehung im Wege.

Liebe

Die Gefühlswelt der beiden Protagonisten spiegelt sich in den Begegnungen mit den jeweiligen Freunden wider. Das ist sehr kunstvoll montiert. Wenn Ed Lasky (Harvey Keitel) seinen Kumpel Frank ausfragt, antwortet Molly im Gespräch mit ihrer Chefin Isabelle (Dianne Wiest) und umgekehrt. Die Liebenden kommen sich näher über den Austausch von Privatem oder das Herumalbern auf einem Jahrmarkt. Aber je vertrauter sie werden, umso transparenter wird ihre innere Zerrissenheit. „Was tust du da?“ fragt Molly in einem Zwiegespräch mit ihrem Spiegelbild. Sie ist es auch, die den ersten Liebesakt in Eds Apartment abbricht: „Es tut mir Leid. Ich kann es nicht.“

Handwerk

Aber Ulu Grosbard und sein Drehbuchautor Michael Cristofer können es. Es gibt keinen Schnickschnack. Es geht um die Liebe des Lebens und sonst nichts. Die Dialoge sind originell, klug und pointiert. Immer wieder wählen die Filmemacher die richtige Entscheidung, zum Beispiel als Molly am Ende in ihren Wagen steigt, um Frank noch einmal zu sehen und auf regennasser Fahrbahn fast verunglückt wäre. Aber eben nur fast. Im letzten Moment kann sie ihren Wagen vor einem heranbrausenden Zug zum Halten bringen. Ihre innerliche Erschöpfung, dieses visualisierte „was tust du da?“ ist eigentlich viel dramatischer als ein Verkehrsunfall.

Schwachpunkte

Trotz dieser Szene mangelt es insgesamt an Dramatik. Wenn in Clint Eastwoods Meisterwerk „Die Brücken am Fluss“ die Liebenden aufeinander stoßen, dann verbleiben ihnen ganze vier Tage. Nicht mehr und nicht weniger. Eine Deadline hat eben entscheidende Vorteile. Diese Spielanordnung ist konzentrierter und emotionaler. Die Hemmungen, die Widrigkeiten, die innere Zerrissenheit sind in „Die Brücken am Fluss“ genauso allgegenwärtig, aber sie sind dramatisch verdichtet.
Die Filmmusik in „Der Liebe verfallen“ erinnert ein bisschen an das Hintergrundgedudel in Supermärkten oder Kaufhäusern. Sie ist keine wirkliche Bereicherung für den Film.

Fazit

Natürlich ist es kein Zufall, wenn Molly und Frank ein Jahr nach ihrer ersten Begegnung, also wieder zu Weihnachten, im Buchladen aufeinandertreffen. Aber sie verlieren sich in Plattitüden und schaffen es nicht, über ihre jeweiligen Trennungen zu sprechen. Erst später macht Frank eine Kehrtwendung und verfolgt die Geliebte, die er schließlich im Vorortszug in seine Arme schließen kann. Wieder der Zug. So schließt sich der Kreis. In diesem Fall ein stimmiges und schönes Happy End.

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