Die Filzlaus (Édouard Molinario) F 1973

„Die Filzlaus“ ist eine französische Thrillerkomödie nach einem Theaterstück von Drehbuchautor Francis Veber („Le contrat“), der neben Billy Wilder („Buddy Buddy“) auch für das Remake aus dem Jahr 2008 verantwortlich war. Der Film hat eine geniale Grundidee: Profikiller Ralph Milan (Lino Ventura) mietet sich in einem Hotelzimmer ein, um vor dem gegenüberliegenden Gerichtsgebäude einen Belastungszeugen zu liquidieren. Dummerweise will der Oberhemdenvertreter Francois Pignon (Jacques Brel) just in diesem Moment im Nachbarzimmer Selbstmord begehen. Das würde natürlich die Polizei alarmieren und den Auftragsmord gefährden. Also muss der Killer sich um den Lebensmüden kümmern. Ein einfacher und verständlicher Plot, der Ernst Lubitschs Definition einer Komödie („Something goes wrong“) auf den Punkt bringt.

Odd-Couple

„Die Filzlaus“ demonstriert auch, welch dramatisches Potenzial eine Odd-Couple-Konfiguration beinhaltet, heißt: Man konfrontiert zwei völlig gegensätzliche Charaktere in einer Situation, aus der es erstmal kein Entkommen gibt. Man kettet sie sozusagen aneinander. Denn für Killer Ralph Milan ist es eine ideale Location, um seinen Job zu erledigen. Für Francois ist das Leben nach einem letzten gescheiterten Telefonat mit seiner Frau Louise hier zu Ende. Das ist zwar ein Zufall, den man aber zu Beginn eines Films noch am besten schlucken kann, wie z.B. in „Juror#2“ oder in „Der Tod und das Mädchen“. Jedenfalls ist die Gefahr von Langeweile bei einer Konfrontation derart konträrer Protagonisten eher gering.

Suspense

Ein weiterer Pluspunkt ist der Informationsfluss. Nur die Zuschauer wissen zusammen mit Ralph Milan (und seinen nicht präsenten Auftraggebern) von dessen Mordplänen. Dieses Geheimnis fesselt einen ans Geschehen, lässt einen mitfiebern, sogar mit einem Killer. Irgendwann drücken wir ihm sogar die Daumen, dass er’s hinkriegt. Erst als Francois am Schluss das Gewehr in Ralphs Hotelzimmer entdeckt, ist dieses Geheimnis gelüftet. So ist das richtig. 

Figuren

Nichts gegen Walter Matthau, der die Rolle des Killers in Billy Wilders Remake spielt, aber Lino Ventura (seine Biografie liest sich wie ein Abenteuerroman) ist einfach genial. Es ist so, als ob alle vorherigen Rollen – Gangster, Agenten, Kommissare usw. – in dieser Figur kulminieren. Mürrisch, stoisch und wortkarg versucht er, dem sich anbahnenden Unheil zu entkommen. Vergeblich. Aus dem Jäger wird ein Gejagter. Lino Venturas reduziertes, fatalistisches Mienenspiel spricht Bände. Er muss nicht viel sagen. Wenn schon, dann solche Sätze: „Wollen Sie etwa in einer Bullenkutsche in eine Sterbelaube kutschiert werden?“ Ralph Milan ist ein Killer, der unser Mitgefühl hat – eher selten in der Filmgeschichte. 

Freundschaft

„Die Filzlaus“ ist mehr als eine Slapstickkomödie. Killer Ralph Milan ist ein Misanthrop, ein Zyniker, letztlich ein einsamer Mensch, der sich wundert, wieso man sich wegen einer Frau umbringen kann. Vorgeblich hilft er der Nervensäge oder rettet ihr das Leben, um seinen Job zu machen. Aber man hat immer das Gefühl, dass hinter dieser knallharten Fassade mehr steckt, dass es nur enttarnt werden will und Francois schafft das. Irgendwann hängt der coole Killer an der Angel. Er würde es sich selbst und anderen nie eingestehen, aber Francois ist ihm ans Herz gewachsen, spätestens als der ihm zum Dank ein Hemd aus seiner Kollektion vermachen will. Damit erinnert die Geschichte auch an Patricks Lecontes „Mein bester Freund“, der sie mit ähnlichen Charakteren nur vordergründiger erzählt.

Schwächen

Der erste Zufall ist leider nicht der einzige. Als Ralph die Nervensäge zu seiner Frau chauffieren will, um ihn unterwegs umzubringen, kollidieren sie zufällig mit einem PKW, in dem sich zufällig eine schwangere Frau mit ihrem Mann befindet. Zufällig anwesende Polizisten auf Motorrädern eskortieren das skurrile Quartett zur nächsten Klinik. Das ist zwar witzig, aber schon arg konstruiert. Damit sind wir beim nächsten Schwachpunkt. Das ist die dilettantische Polizeiarbeit. Denn die beiden Polizisten müssten im Anschluss eigentlich die Personalien der Unfallbeteiligten ermitteln. Tun sie aber nicht. Desgleichen bleibt später Ralphs Flucht in seinem Wagen vor einer Polizeisperre folgenlos. Ein einziges Mal geht ein Inspektor dem Hinweis von Kollegen nach und ermittelt in den Hotelzimmern von Killer und Selbstmörder. Insgesamt hätte man die Polizeiarbeit glaubhafter und dramatischer gestalten können.

Louise

Auch die Wankelmütigkeit von Louise wirkt etwas konstruiert. Mal zeigt sie Francois die kalte Schulter, dann wendet sie sich ihm plötzlich wieder zu. Nun gut, Dr. Fuchs, ihr neuer Freund, erweist sich ja als ziemlich rabiat und die angesprochene Langweile in der Beziehung mit Francois hat sich mit Ralphs Erscheinen auch verflüchtigt. Es gibt also Veränderungen, die sich auch daran zeigen, dass Francois um sie kämpft und zeigt, dass er sie tatsächlich liebt.

Fazit

Auch die lakonischen Ellipsen passen zur ironischen Grundstimmung des Films. Am Ende sieht man Ralph und Francois im Hof eines Gefängnisses ihre Runden drehen. Das letzte Wort hat natürlich „Die Filzlaus“, die hofft, demnächst zusammen mit Ralph in eine Zelle verlegt zu werden. Grandios.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für Die Filzlaus.

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