Il Divo (Paolo Sorrentino) I 2008

Spielfilme wie „Il Divo“, die von Personen der Zeitgeschichte („Oppenheimer“) oder des Zeitgeschehens („Lansky“) handeln, verfügen eigentlich über jede Menge dramatisches und originelles Potenzial. Wenn ein Drehbuchautor die Figur eines Politikers kreieren würde, der 29 mal angeklagt und 29 mal freigesprochen wurde, hätte man ihn wahrscheinlich für gaga oder bekifft erklärt. Nun, Giulio Andreotti hat es in seiner Karriere geschafft und das macht diese Figur natürlich interessant. Man fragt sich, wie das möglich sein konnte? Man hofft auf Einblicke in Korruption, in die Abgründe der italienischen Nachkriegsgesellschaft.

Die Geschichte

Es beginnt mit der Aneinanderreihung von Toten – Opfern von Terroristen oder Mafiosi. Irgendwie könnte Andreotti mit all dem zu tun haben? Leider wird das nicht beleuchtet. Keine Hintergründe, keine Internas, nichts Biographisches, keine Geschichte. Das ist eigentlich schon ein Kunststück, die ganze geheimnisvolle Dramatik, die die Person des Andreotti umwabert, narrativ auszusparen.

Die Figuren

Alle Protagonisten sind perfekt gecasted. Allen voran Toni Servillo in der Rolle des Giulio Andreotti – „Il Divo – der Göttliche“. Aber was nützt das alles, wenn wir kaum etwas über ihn und seine Mitspieler erfahren? So kann keine Nähe entstehen, keine Emotionen. Die Figuren sind einem egal. Gelegentlich agieren sie in Zeitlupe. Warum? Ein handwerklicher Grund ist nicht erkennbar. Wahrscheinlich findet Sorrentino das chic? Zwei- bis dreimal taucht Andreottis Ehefrau auf und hofft, dass alles gut gehen werde. Ihre Sorge bezieht sich auf die Vorladung eines sizilianischen Gerichts. Tatsächlich ist Andreotti im Jahre 2002 zu 24 Jahren Haft verurteilt worden, bis dieser Schuldspruch 2003 von einem Berufungsgericht kassiert wurde. All das kann man aus Recherchen erfahren, nicht etwa aus der Filmhandlung.

Angeblich war der leibliche Andreotti ein Meister der Hinterzimmerdiplomatie. Hätte den Zuschauer schon mal interessiert, was im Geheimen besprochen und in der Öffentlichkeit umgesetzt wurde. Hier hätte man sich zugunsten der Dramatik auch an Spekulationen beteiligen können – eigentlich müssen -, zum Beispiel was seine angebliche Mitschuld am Tod des entführten Aldo Moro betrifft. Hat Andreotti nun seine Finger im Spiel gehabt oder nicht? Es wird zwar gezeigt, dass ihn der Mord belastet, aber ansonsten bleibt der Film jede Antwort schuldig.

Collage

So bleibt es in „Il Divo“ bei zusammenhanglosen Schnipseln. „Man darf niemals Spuren hinterlassen“, hört man Andreotti sagen. Über diese Spuren bzw. ihre Vertuschung erfahren wir leider auch nichts. Und so geht das dann munter weiter: „Man muss das Böse tun, damit das Gute gewinnt.“ Und, was dürfen wir uns unter „Böses“ vorstellen? Auch hierauf – man ahnt es schon – gibt es keine Antwort.

Schnickschnack

Dafür gibt es jede Menge Schnickschnack. Wichtig ist dem Regisseur zum Beispiel eine schöne Ausleuchtung, die in „Il Divo“ geradezu werbeästhetisch daherkommt. Unprätentiös und schmutzig wäre besser gewesen. Die expansiv eingesetzte Filmmusik soll das leisten, was die bewegten Bilder zu keiner Zeit vermögen: Gefühle generieren. Leider funktioniert auch das nicht. Dafür wird die Musik zu aufdringlich, oberflächlich und deplatziert eingesetzt. Teilweise werden die Dialoge in der Abmischung von der Musik überlagert. Auch das zeigt, dass es Sorrentino nicht um ein Verständnis geht.

Fazit

Insgesamt ist diese Politcollage viel zu artifiziell und vor allem ignorant: Diese hochdramatischen biographischen Hintergründe nahezu unangetastet zu lassen, ist nicht „göttlich“, sondern sündhaft.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "Il Divo"

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