„The Wolf of Wall Street“ ist eine grandiose, schlitzohrige und rücksichtslose Gaunerkomödie, die in ihrer Machart an „Casino“ von Martin Scorsese erinnert, mit ihrer Geschichte an „Catch me if you can“ von Steven Spielberg. Genauso wie in dessen Meisterwerk ist hier eine Biografie die Vorlage, die ihre Faszination aus der Schilderung von Betrügereien an der Börse bezieht, die so oder so ähnlich tatsächlich stattgefunden haben. Das gibt dem unglaublichen Treiben noch mal eine ganz andere Dimension, als wenn es von irgendwelchen zugekifften Drehbuchautoren erfunden worden wäre.
Die Form
So wirkt „The Wolf of Wall Street“ eher wie ein durchgeknallter Dokumentarfilm. Das Erzähltempo ist rasant. Atemberaubend. Es gibt keinen Schnickschnack. Scorsese lässt sich da Zeit für seine Figuren, wo es der Identifikation dient. Mit den „Inneren Stimmen“ der Protagonisten können wir tief in ihre Befindlichkeiten und Gedankenwelten eintauchen. Scorsese weiß um den ungeheuren Vorteil, den die Literatur in diesem Punkt gegenüber dem Film hat. Er macht ihn sich einfach zunutze, indem er uns die Gedanken seiner Figuren verrät und die Geschichte vorantreibt.
Die Figuren
Die Besetzung ist herausragend. Leonardo DiCaprio, der den Börsenmakler Jordan Belfort spielt, hat das einzigartige Talent, in bestimmte Rollen förmlich hineinzuschlüpfen. Das ist schon fast beängstigend, so gut und authentisch spielt er den neureichen Aufsteiger. Ein ebenso charmanter wie gewiefter Verkäufer, der vor allem das Geld anderer Leute im Visier hat und im Verlauf seines Treibens zunehmend die Bodenhaftung verliert. Börsenmanipulationen, Drogen, Lug und Betrug gehören bald zum Alltagsgeschäft seiner Brokerfirma. Immer mehr ist nicht genug. Trotzdem ist Jordan ehrlich empört über die Headline eines Zeitschriftenartikels, die ihn als „The Wolf of Wall Street“ abstempelt. Herrlich ist der Besuch der beiden FBI-Agenten auf seiner Luxusyacht, die er vergeblich mit Bikinimädchen, Drinks und Geld zu ködern versucht. Jordan kann einfach nicht glauben, dass es Menschen gibt, die man nicht korrumpieren kann. Die Qualität der gesamten Inszenierung kann man auch an den exzellenten Besetzungen aller Nebenfiguren ablesen.
Die Dramaturgie
Einziges Manko ist die Dramaturgie: Man zittert nicht wirklich mit Jordan Belfort mit. Das hängt natürlich mit dieser Figur des Schlawiners zusammen. Man weiß, dass nach dem Leben in Saus und Braus der tiefe Fall kommt – was sonst? Als der dann eintritt, ist er auch keine Überraschung mehr. Außerdem weiß man, dass der Held wieder auf die Füße fallen wird. Das zeigt ja dann auch das Ende, als Jordan nach der verbüßten Haftstrafe als Verkaufstrainer sein Geld verdient: Crime does pay.