Diese unsäglich langweilige, erzählerische Nullnummer ist eigentlich gar kein Film. Es ist ein Missverständnis, das auf folgender Annahme beruht: Wir haben gute Absichten, indem wir einen liebevollen Blick auf gesellschaftliche Randfiguren werfen, genauer: auf Wohnungslose („nicht obdachlos“ wie die Protagonistin Fern betont), also haben wir auch einen guten Film. Diese Gleichung ist natürlich grober Unfug. Auch die Entschuldigung, „Nomadland“ sei ja „dokumentarisch“ inszeniert, ist nichts anderes als eine Beleidigung für gut gemachte Dokumentarfilme. Warum sollte denn überhaupt das handwerkliche Regelwerk (Die 7 Säulen der Filmgestaltung) für irgendeine Filmgattung außer Kraft gesetzt sein?
Die „Geschichte“
In „Nomadland“ fährt Fern (die arme Frances McDormand) alleine in ihrem zum Wohnmobil umgebauten Van durch eine winterliche Landschaft, arbeitet aushilfsweise bei Amazon, besucht ein Camp anderer Nomaden, repariert ihr Wohnmobil, besucht einen Waschsalon oder spielt auf ihrer Querflöte. Bei all diesen Aktivitäten erfahren wir kaum etwas über die Hauptperson.
Der erste dramatische Höhepunkt ereignet sich nach ca. 40 Minuten, als sie im Wohnmobil ein größeres Geschäft verrichtet und zeitgleich jemand an die Tür klopft. Der zweite Höhepunkt ereilt den tapferen Zuschauer nach gut einer Stunde, als ihr Wohnmobil defekt ist und sie für die Reparatur über 2.000 Dollar zahlen soll. Gottseidank hat sie eine liebevolle Schwester, die ihr sofort aus der der Patsche hilft. Überhaupt sind alle Menschen, denen sie begegnet, nett und zuvorkommend: Die Besitzerin eines Tankstellen-Rastplatzes jagt die Camperin nicht davon, sondern sorgt sich wegen der Kälte um sie. Die Arbeitskollegen sind freundlich und lustig. Die Familie des älteren Dave, der ein Auge auf sie geworfen hat, empfängt sie mit offenen Armen. Ringelpietz ohne Anfassen.
Political Correctness
Die grassierende Gutherzigkeit ihrer Mitmenschen ist genauso unglaubwürdig wie langweilig und eine Umkehrung der dramaturgischen Kardinalregel: Wie können wir unserer Heldin das Leben möglichst leicht machen? Die Nähe des gutmütigen Dave wird Fern auch schnell zu viel, weshalb die Beziehungsunfähige lieber weiter flüchtet. Eine Entwicklung wird ihr nicht vergönnt. Wozu auch? Die Hauptperson ist der Filmemacherin ziemlich egal. Hier geht es um Größeres, um globale Zusammenhänge, die leider alle unklar bleiben, zugekleistert mit guten Absichten, political Correctness und lauter Gutmenschen.
Fazit
Da sind wir – zumindest von der Bedeutung der Silben her – beim Positiven: Es gibt zum Teil tolle Landschaftsaufnahmen und Fern umarmt einen Baum. Das ist sehr schön, auch wenn das alles ist. „Nomadland“ hat keine Geschichte, keine Konflikte, keine Gefahren, keine prägnanten Figuren oder Dialoge. Die eigentlich interessante Frage ist, wieso er überhaupt diese Würdigungen erhalten hat? Qualitative Gründe gibt es keine! Aber welche dann? Politische, gesellschaftspolitische, umweltpolitische, soziologische, ethnologische, psychologische, Schuldgefühle gegenüber den Nicht-Sesshaften, gegenüber den Vertriebenen, gegenüber den Ureinwohnern Amerikas, gegenüber den Frauen in der Post-Weinstein-Ära? Wie auch immer, jedenfalls geht es hier nicht um die fachgerechte Gestaltung eines Films. Im Schlusstitel gibt es eine Widmung für alle verblichenen Nomaden und eine Drohung: Wir sehen uns! Die Vorstellung, von diesen Filmemachern jemals wieder etwas zu sehen, ist schon beunruhigend.