Was für ein wundervoller Film! Im Stile einer Collage erzählt François Truffaut in 18 Kapiteln die Abenteuer von Kindern und erweist sich einmal mehr als deren engagiertester Anwalt. Wie kein anderer konnte er ihre Perspektive einnehmen, ihre Sorgen, Ängste, Nöte und Eskapaden beschreiben. „Taschengeld“ gehört zu den sogenannten unanimistischen Filmen, die das Leben des Einzelnen in der Verflechtung mit der Gemeinschaft zeigen. Der Film spielt mitten in Frankreich, in Thiers, in den letzten Monaten eines Schuljahres und endet in einem Ferienlager.
Die Geschichte
Aus Zeitungsmeldungen, Erzählungen von Freunden und Bekannten sowie eigenen Erinnerungen hat Truffaut eine Hommage an die Welt der Kinder geschaffen: Die kleine Sylvie darf nicht mit den Eltern ins Restaurant, weil sie ungezogen war; Richard leiht zwei Freunden Geld, das er eigentlich für den Friseur bekommen hat; Oscar weigert sich zu sprechen und drückt sich lieber pfeifend aus; Bruno will in der Klasse nicht „mit Betonung“ rezitieren, Grégory fällt mehrere Stockwerke in die Tiefe, ohne sich zu verletzen; Patrick verliebt sich in die Mutter seines Klassenkameraden; Julien wird zu Hause misshandelt; Martine erlebt ihren ersten Kuss im Ferienlager. Aus solch kleinen – manchmal heiteren, manchmal ernsten – Ereignissen besteht das Gerüst des Films. (Auszüge aus dem Roman „Taschengeld“ von François Truffaut)
Francois Truffaut
Wenn ein Erwachsener mit den Augen von Kindern erzählen konnte, dann war das François Truffaut. Das hängt mit seiner Biografie zusammen. Als uneheliches Kind wuchs er bei seiner Großmutter auf. Nach deren Tod landete er in verschiedenen Erziehungsheimen. Sein preisgekröntes Erstlingswerk „Sie küssten und sie schlugen ihn“ ist eine Verarbeitung dieser Erlebnisse. Die Welt der Erwachsenen hat Truffaut als verlogen, brüchig und gewalttätig erfahren. Zusammenhalt gab es unter Gleichaltrigen, unter Kindern. Auch das Rebellische ist in Truffauts Biografie und in seinem Naturell verankert. Während seiner Militärzeit versuchte er mehrmals zu desertieren, bis er schließlich unehrenhaft entlassen wurde. In der Filmregie war Truffaut Autodidakt. Seine Schule war das Kino.
Fazit
„Vergessen wir nicht, dass nichts, was mit der Kindheit zu tun hat, klein und unbedeutend ist“ (Truffaut). Wer mal eineinhalb Stunden von einem Film beseelt werden möchte, dem sei „Taschengeld“ ans Herz gelegt.