Oppenheimer (Christopher Nolan) USA, GB 2023

„Oppenheimer“ ist ein hochinteressantes Dokument der Zeitgeschichte, das sich auf das sogenannte Manhattan-Projekt konzentriert, das die US-Amerikaner 1942 zunächst im atomaren Rüstungswettlauf mit den Nazis, später mit den Sowjets ins Leben gerufen haben. Insgesamt ist der Film viel zu lang und erinnert nicht nur in seinem Potenzgehabe an David Leans „Lawrence von Arabien“. Beide Filme widmen sich historischen Persönlichkeiten, in ihrer Machart frönen sie der Gigantomanie (beide auf 70mm Filmmaterial gedreht) und erzählen keine Geschichte. Schon die Genreeinstufung gestaltet sich schwierig. Eine Biographie ist „Oppenheimer“ nicht. Dafür erfahren wir viel zu wenig über ihn. Ein Thriller ist es auch nicht. Dafür müsste der Held schon mehr in Gefahr geraten. Ein Drama? Zumindest für die Opfer der wissenschaftlichen Forschungen von Oppenheimer und seiner illustren Crew. Aber die werden komplett ausgespart.

Stärken

Hautnah bei historischen Prozessen anwesend zu sein, ist schon faszinierend, auch spannend und erhellend. Casting und Ausstattung sind bis in die kleinsten Details brillant. Sehr schön sind die Dialoge: Pointiert, hart, manchmal hinterhältig, ironisch oder mehrdeutig. Die Montage sorgt für erzählerisches Tempo. Durch die für Nolan typische nichtchronologische Erzählweise ist man schon gezwungen, sich zu konzentrieren. Gut so. 

Schwächen

Dann aber auch der für Nolan typische Schnickschnack: Selbstverliebte surreale Bilderteppiche, die immer wieder parallelmontiert werden. Mal Schwarzweiß-, mal Farbbilder. Subjektive, Objektive? Wie auch immer. Welchen emotionalen Mehrwert generiert dieser Schnickschnack? Alles so bombastisch hier. Schließlich geht es bei Nolan mindestens um die Zerstörung oder Rettung der Welt. Hier um beides. Die ständige musikalische Untermalung suggeriert Drama ohne Ende, ist aber nichts als eine enervierende Domestizierung des Zuschauers. Stille gibt es nur nach dem Atombombenabwurf.

Was ist das Gegenteil von Subtilität? Ein Film von Christopher Nolan. Dann die Längen. Muss jeder Nebenerzählstrang visualisiert werden? Was sagt uns das, wenn Oppenheimer immer mal wieder Zigarette rauchend und gedankenverloren durch die Gegend wandelt? Nichts, außer dass er Zigarette raucht und spazieren geht. Nolans größter Fehler besteht aber darin, die Figur des J. Robert Oppenheimer zu heroisieren. Da nützt denn auch seine quälende Vision beim Beifall seiner Belegschaft nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima nichts mehr. Er ist ein amerikanischer Held, was ja auch die ausführlich behandelten Untersuchungskommissionen und seine spätere Rehabilitierung zeigen.

Fazit

Einerseits ein sehenswerter Film, der zur Wissensbildung beiträgt. Anderseits dominieren gestalterische Schwächen und die vertane Chance, die Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki zu würdigen und nicht die technischen Urheber. So lässt sich die Mitschuld am Tod von über 200.000 Menschen nicht verarbeiten.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für Oppenheimer.

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