Inhalt

Ein mit Kreide geschriebener Text auf einer Schiefertafel, der nach dem Inhalt einer Geschichte fragt.

Reduktion

Egal ob Sciencefiction, Western oder Komödie – ein Film sollte eine spanende, unterhaltsame Geschichte erzählen, die unsere Gefühle berührt oder uns zum Nachdenken, zum Reflektieren bringt. Eine einfache Filmidee bietet größere Chancen auf eine gute Geschichte als eine komplizierte. Warum? Weil die Chance, den Zuschauer zu fesseln größer ist, wenn man sich auf die Protagonisten und ihre Interaktionen konzentriert. Es gibt weniger Raum für Schnickschnack und Ablenkungsmanöver. Es fällt eher auf, wenn der Erzähler einer einfachen Geschichte seinen Plot nicht richtig durchdacht hat.

Beispiel 1: In Roman Polanskis genialem Rachdrama „Der Tod und das Mädchen“ trifft Paulina in ihrem Landhaus auf ihren Peiniger Dr. Miranda, ehemaliger Folterknecht einer südamerikanischen Militärdiktatur. Dritter und letzter Akteur im Bunde ist Paulinas Ehemann, der Rechtsanwalt Gerardo. Das ganze Drama spielt sich in einer Nacht, an einem Ort ab, vom Erkennen bis zur Vergeltung: Einfach, komprimiert, schnörkellos und genial.

Beispiel 2: In „16 Blocks“ von Richard Donner hat Detective Jack Mosely die Aufgabe, den inhaftierten Zeugen Eddie Bunker zum Gerichtssaal zu eskortieren. Das war’s. Das ist die Geschichte – einfach und verständlich. Natürlich wird sie kunstgerecht eskaliert, mit einem Odd-Couple-Paar und jeder Menge Hindernisse. „16 Blocks“ ist übrigens ein Remake des Actionthrillers „Der Mann, der niemals aufgibt“ von Clint Eastwood.

Beispiel 3: In „Fahrraddiebe“ von Vittorio De Sica arbeitet Antonio als Plakatkleber, um seine Familie zu ernähren. Nachdem ihm bei der Arbeit sein Fahrrad gestohlen wird, versucht er, zusammen mit seinem Sohn Bruno den Dieb zu finden. Das war’s. Das ist die Geschichte, die im verarmten Italien nach dem 2. Weltkrieg existenzielle Ausmaße für die Familie hatte.

„Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung.“

Leonardo da Vinci

Der Plot

Was ist das? Der Plot ist das Handlungsgerüst einer dramatischen Erzählung und umfasst folgende Punkte:
Wer ist der Held?
Was ist der Auslöser für die Geschichte?
Was ist das Ziel des Helden?
Was ist der zentrale Konflikt?
Wie ist das Ende?

Philosophie

Worum geht es eigentlich in einer Erzählung? Die Grundfrage einer Geschichte ist im Plot nicht enthalten. Häufig liegt dem eigentlichen Thema ein emotionaler Konflikt zugrunde. Eigentlich behandelt jeder gute Film derartige, auf den ersten Blick verborgene Grundfragen.

Beispiel 1: In Clint Eastwoods „Gran Torino“ hilft Kriegsveteran Walt Kowalski dem 18-jährigen chinesischen Nachbarjungen Thao und seiner Schwester im Kampf gegen eine Gang, die das Viertel unsicher macht. Eigentlich geht es aber um seine Schuld, die er im Koreakrieg auf sich geladen hat und die ihn ein Leben lang belastet. Walt begleicht diese Schuld, indem er sich opfert. Das ist die eigentliche Geschichte.

Beispiel 2: Im Mafiathriller „Donnie Brasco“ gerät der FBI-Agent Donnie in immer größere Schwierigkeiten, weil er sich bei seiner Undercover-Tätigkeit mit dem Mafiosi Lefty anfreundet. Das ist der verborgene emotionale Konflikt: der drohende VERRAT an seinem Freund. Darum geht es eigentlich.

Political Correctness

Wenn Political Correctness nicht missbraucht wird, um andere mundtot zu machen, ist sie eine wunderbare Sache – in unserem Leben aber nicht in einem guten Spielfilm. Da hat sie nichts verloren! Warum? Weil es nichts Langweiligeres gibt, als korrekt agierenden Personen bei ihren Interaktionen zuzuschauen. In einer guten Geschichte benötigen wir exakt das Gegenteil: Niedertracht, Angst, Feigheit, Hinterhalt, Lügen, Intrigen, Tricksereien, Mauscheleien usw.

Beispiel 1: In Khaled Hosseinis genialem Roman „Drachenläufer“ (die Verfilmung hat einige Defizite) sind wir zusammen mit dem jungen Protagonisten Zeuge einer Vergewaltigung. Aus Feigheit verschweigt er seine Beobachtung und beginnt dann noch gegen das Opfer (seinen Busenfreund) erfolgreich zu intrigieren. Diese Schuld, die der Held auf sich lädt, sorgt für eine hohe emotionale Anteilnahme (Suspense). Gerade weil er sich unkorrekt verhält, entwickelt diese Geschichte eine sogartige Spannung.

Beispiel 2: In Ernst Lubitschs „Sein oder Nichtsein“ schlüpft eine Theatergruppe im besetzten Prag in die Rolle von Nazis. Die Schauspieler tricksen, lügen und intrigieren im Kampf gegen die Besatzungsmacht. Gerade diese Hinterhältigkeiten wecken unsere Sympathien.

Rücksichtslosigkeit

Ein guter Spielfilm nimmt keine Rücksicht auf irgend etwas. Warum? Weil es sich mit der Rücksicht genauso verhält wie mit der Korrektheit. Wir brauchen es in der Realität, aber nicht in einer Erzählung. Was ist langweiliger als liebenswürdigen Personen beim Austausch von Höflichkeiten zuzuschauen?
Alexander Kluge: „Was beschnitten ist, löst kein Vertrauen aus. Kino ist vertrauenswürdig, wenn in ihm nichts verboten ist.“

Beispiel 1: In Sidney Lumets „Tödliche Entscheidung“ animiert der Protagonist aus Geldgier seinen Bruder zum Überfall auf das Juweliergeschäft der eigenen Eltern. Der einfache Plan gerät zum Desaster. Die Folgen dieser Rücksichtslosigkeit werden bis zum Anschlag eskaliert, genauso wie die Spannung.

Beispiel 2: In Dan Gilroys „Nightcrawler“ ist der Protagonist ein intelligenter Soziopath, der als sensationsgieriger True-Crime-Reporter arbeitet. Dabei schreckt er nicht davor zurück, eine Schießerei zwischen Gangstern und Polizei zu arrangieren, bei der mehrere Menschen sterben. Gerade seine rücksichtslose Bösartigkeit übt eine Faszination aus. Abgründiger geht es kaum.

Der Ursprung des Films

Wo ist denn eigentlich der Ursprung des Films, seine Quelle, seine DNA? Wo kommt er her? Aus den alchimistischen Labors der Brüder Lumière und Georges Méliès’, dem Begründer des narrativen Films. Ihre Vertriebsfelder waren kleine Theater oder Zelte auf Jahrmärkten. Dort haben sie ihre Experimente und Späße unters vergnügungssüchtige Volk gebracht. Jahrmarkt heißt Rummel. Dort geht es um Attraktion, Aufregung, Adrenalin, Rausch und Spaß. Alles probate Zutaten für eine gute Filmgeschichte, im Gegensatz zu Political Correctness oder gut gemeinter Rücksichtnahme, also der Schere im Kopf. Vor allem verstößt sie gegen das oberste Gebot bei der Gestaltung von Filmen: KEINE LANGEWEILE!

Klassische Erzählmotive

Was ist ein klassisches Erzählmotiv?

Liste von klassischen Erzählmotiven:

Techniken der Ideenentwicklung

Ideenkeim

Mihaly Csikszentmihaly in „Kreativität“:

Patricia Highsmith in „Suspense“:

Jean-Remy von Matt zur Ideenfindung:

„Motive der Weltliteratur“
von Elisabeth Frenzel
Kröner Verlag, 941 S.

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In weiß und grün gehaltenes Buchcover des Nachschlagewerks "Motive der Weltliteratur" von Elisabeth Frenzel.

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ab 1,88 Euro:

„Suspense – oder wie man einen Thriller schreibt“
von Patricia Highsmith
Diogenes Verlag, 176 S.

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für 10 Euro:

In schwarz und weiß gestaltetes Buchcover mit dem sepiafarbenen Foto eines alten Sekretärs mit Schreibmaschine des Standardwerks "Suspense- oder wie man einen Thriller schreibt" von Patricia Highsmith.

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ab 4,14 Euro: