„The Outfit“ mutet eher an wie ein kammerspielartiger Agatha-Christie-Krimi als ein Mafiathriller. Keiner verlässt den Raum! Das ganze Geschehen spielt in der Schneiderei von Leonard Burling in Chicago 1956. Wobei die Einheit von Zeit, Raum und Handlung und die eher ruhige Erzählweise positiv auffallen. Leider hat Moore die Auslassungen seines Landsmannes Alfred Hitchcock zum Suspense nicht näher studiert. Die Zuschauer werden nicht mit Informationen gefüttert, sondern ein ums andere Mal mit zum Teil konstruierten Wendungen überrascht. Ein Rätselspiel nach dem Motto: Ich sehe was, was du nicht siehst. Was ist das? Wie „Kai aus der Kiste“ werden immer neue Überraschungen hervorgezaubert. Das ist aber keine Kunst und sorgt nur kurzfristig für Gefühlsregungen.
Übertreibungen
Und Graham Moore muss immer noch einen draufsetzen. Da reicht es eben nicht, wenn Leonard in seiner Londoner Vergangenheit nur Schneider gewesen ist und den Tod seiner Familie durch einen Brand verschuldet hat. Nein, er muss auch noch Gangster gewesen sein, der hervorragend mit Messern umgehen kann – eine typische Station im beruflichen Werdegang von Schneidern.
Emotionen
Emotionen können so aber nicht entstehen. Der Zuschauer wird nicht in die Entscheidungsfindungen des Protagonisten eingebunden. Er wird stets im Nachhinein über Zusammenhänge informiert, was das Mitfiebern verhindert. Wie wäre es denn gewesen, wenn der Zuschauer gesehen und verstanden hätte, das kein Geringerer als Leonhard selbst der Absender des Päckchens war, mit dem der Mafiaclan von Roy Boyle auf einen Verräter in den eigenen Reihen hingewiesen wurde? Wir hätten seinen Antrieb und seine Wünsche verstehen können. Wir hätten bei den ersten Widrigkeiten seines Plans mit ihm mitfiebern können.
Zwietracht
Denn eigentlich macht Leonhard sich nur Sorgen um seine Sekretärin Mable, die er liebt wie seine eigene Tochter. Aufgrund seiner Vergangenheit hat er schließlich auch wieder etwas gutzumachen. Nachdem er ihre (vermeintliche) Liaison mit Richie beobachtet, dem unterbelichteten Sohn des Mafiabosses, versucht er im Stile von „Yojimbo“ (Akira Kurosawa) Zwietracht unter den Gangstern zu säen. Weiß Leonhard doch nur zu gut, dass in diesen Kreisen Missgunst und Geldgier mehr zählen als Freundschaften. Die Figurenkonstellation Mafiaboss mit unterbelichtetem Spross ist auch nicht sonderlich originell, weil man die schon etliche Male gesehen hat (z.B. in „Road to Perdition“ von Sam Mendes).
Wendungen
Leonards Plan scheint letztlich zu funktionieren. Denn die Gangster bringen sich reihenweise gegenseitig um, bis sich gegen Ende von „The Outfit“ herausstellt, dass Mable tatsächlich ein mit dem FBI kooperierender Maulwurf ist. Sie hat sich nur mit Richie eingelassen, um an diskreditierende Informationen über den Boyle-Clan zu gelangen. Auch diese Überraschung kontert Moore mit einer weiteren Wendung usw. Jedenfalls hat Mable am Ende einen Koffer voller Geld und wählt den umgekehrten Fluchtweg, den Leonhard seinerzeit eingeschlagen hat: Sie flieht nach Europa.
Finale
Völlig hanebüchen wird das Verwirrspiel in „The Outfit“ nach dem Showdown, als der Erzähler uns darüber aufklärt, dass es – trotz aller Bemühungen – keine wirkliche Perfektion gibt. Leonhard ist gerade dabei, seine Schneiderei in Brand zu setzen, um so alle Spuren zu beseitigen. Da tritt Francis, Boyles rechte Hand, als Untoter noch einmal in Erscheinung. Apropos Untote: Auch Richie läuft nach einem Bauschuss schnell wieder munter durch die Gegend. Jedenfalls haben auch zwei Kopfschüsse aus nächster Nähe Francis offensichtlich nichts anhaben können, weshalb er Leonhard nun ans Leder will. Zum Glück hat der nichts von den Fertigkeiten seiner dunklen Vergangenheit verlernt und killt den Todesunwilligen mit seiner Schere. Dann verlässt auch er seinen brennenden Laden, den er dieses Mal selber angezündet hat. Seine Zukunft sieht er so: „Nun, man breitet sein Werkzeug aus und fängt neu an.“ Wohl dem, der nicht nur ein Handwerk gelernt hat.