Die „Transsiberian“ kommt schwerfällig wie eine Dampflokomotive in die Gänge. Zu Beginn wird suggeriert, dass die russische Hafenstadt Wladiwostok ein Einfallstor für den Schmuggel harter Drogen ist. Tatsächlich kommen sie über den Landweg, über Afghanistan und Kasachstan, zur Durchreise ins russische Reich. Das kann man in einem Spielfilm zugunsten der Dramatik oder einer attraktiven Location ignorieren. Zumindest letzteres ist mit der Transsibirischen Eisenbahn und der winterlichen Tundra vorhanden. Ansonsten ist das konstruierte Opening programmatisch.
Figuren
Hobbyfotografin Jessie bringt mit ihrer Zerbrechlichkeit und ihrer dunklen Vergangenheit noch die besten Voraussetzungen für eine veritable Protagonistin mit. Aber insgesamt sind wir zu wenig bei ihr und erfahren zu wenig von ihr. Immer wieder sorgen alternierende Handlungsstränge für Distanz. Alle anderen Figuren sind wenig originell. So verhält sich der mitreisende Drogendealer Carlos großspurig und übergriffig, wozu er eigentlich keinen Grund hat. Im Gegenteil. Als Besitzer einer beträchtlichen Menge Heroins und von geraubten Drogengeldern sollte er sich eher unauffällig und still verhalten. Immerhin bringt er Jessie derart in Bedrängnis, dass sie ihn im Affekt tötet.
Ihr gutmütiger, spießbürgerlicher Ehemann Roy (Woody Harrelson) mutiert bei ihrer Flucht zum furchtlosen Gewalttäter. Das nimmt man ihm genauso wenig ab wie die zur Schau getragene Harmlosigkeit von Abby, der Freundin von Carlos. Und siehe da: Am Ende hat sie das Drogengeld. Inspektor Grinko (Ben Kingsley) arbeitet, was eigentlich niemanden wundert, nur pro forma für die Polizei. Tiefer gehende Emotionen können bei diesen Abziehbildern nicht entstehen.
Ungereimtheiten
Völlig absurd wird das ganze Geschehen, als Grinko und seine Leute mehrere Waggons der „Transsiberian“ einfach abkoppeln. Dafür gibt es genauso viel oder wenig Gründe wie für das Verhalten von Dealer Carlos. Subtilität gehört offensichtlich nicht zum Repertoire der Filmemacher. Das eigentliche Ziel von Grinko und seinen Leuten sind doch Informationen über den Verbleib der geraubten Drogengelder, die sie sich von Abby und Jessie erhoffen. Aber dafür bedarf es doch nicht der Entführung eines Zugteils mit anschließendem Zusammenprall der abgehängten Waggons. Das Headquarter der Gangster um Grinko, ein verlassenes Militärgebäude, mutet wie ein Relikt aus einem Science-Fiction von Jules Verne an. Die fahrlässige Bewachung von Jessica und Roy diskreditiert die Antagonisten. So doof kann man doch eigentlich nicht sein? Dazu Alfred Hitchcock: „Je gelungener der Schurke, desto gelungener der Film.“
Lösungen
Gleich in medias res. Die Story von „Transsiberian“ hätte auch im Zug beginnen müssen. Das Verschwinden von Roy ist eine hübsche Idee und sorgt für Spannung, nicht aber sein erneutes Auftauchen. Gerade sein dauerhaftes Ausscheiden hätte Jessies Probleme doch eskaliert. Darum müsste es doch gehen. Die Gangster Carlos und Grinko hätten sich zurückhaltend, geheimnisvoll und intelligent verhalten sollen. So punkten in erster Linie gelegentliche Spannungsmomente und die „Transsiberian“, die sich fast unaufhaltsam ihren Weg durch die verschneite Landschaft bahnt.