Was für ein wundervoller Film! „Stand by me“ ist wieder ein kleines Meisterwerk aus der produktiven Zusammenarbeit von Rob Reiner und Stephen King (s.a. „Misery“). Entstanden ist ein berührender Coming-of-Age-Abenteuerfilm nach Kings Roman „Die Leiche“. Hauptpersonen sind vier 12-jährige Jungs, die im fiktiven Castle Rock (Oregon) leben. Der etwas dickliche Vern hat ein Gespräch von Mitgliedern einer Jugendbande belauscht, demnach ein vermisster Junge in der Nähe von einem Zug überfahren worden sein soll. Heimlich macht das Quartett sich auf die Suche nach der Leiche.
Story
Held ist der Schriftsteller Gordon „Gordie“ Lachance (Whil Wheaton), womit auch die autobiographischen Züge deutlich werden. Es beginnt damit, dass er aus der Zeitung vom Tod des Anwalts Chris Chambers (River Phoenix) erfährt, der einst sein bester Freund und Anführer der Gruppe war. Der Ich-Erzähler Gordie erinnert sich. Die Geschichte wird also als Rückblende erzählt und spielt 1959. Das Gerücht von der Leiche an den Bahngleisen animiert die vier Freunde zum Abenteuerausflug. Sie haben zwar ihre Schlafsäcke dabei und Chris sogar eine echte Pistole, aber an Reiseproviant hat keiner gedacht. Auf ihrer Wanderung halten sie sich immer an den Bahngleisen. Ihre Abenteuer bestehen aus lebensgefährlichen Mutproben, Flucht vor dem Besitzer eines Schrottplatzes und seinem Hund, Proviantbeschaffung oder Kampf gegen Blutegel.
Konflikte
Die Jungs fassen sich keinesfalls mit Samthandschuhen an. Sie schenken sich nichts, was sich u.a. in den rotzigen Dialogen ausdrückt. Trotzdem oder gerade deshalb erfahren wir nach und nach von ihren inneren Verletzungen. So leidet Gordie unter dem Verlust des älteren Bruders, der zugleich der Lieblingssohn des Vaters war. In einer Traumsequenz werden wir Zeuge der Beerdigung und vom Wunsch des Vaters, lieber Gordie im Sarg zu sehen als seinen Ältesten. Chris leidet unter dem schlechten Ruf der Chambers-Familie und fühlt sich gebrandmarkt. So gibt er zwar zu, das schulische Milchgeld gestohlen zu haben, aber seine reumütige Rückgabe hat die Lehrerin verschwiegen. Für alle war er der Dieb. Die Wahrheit hätte ihm niemand geglaubt.
Gerade hinter seiner rauen Fassade schimmert immer wieder der Wunsch nach Harmonie und Frieden durch. Nicht ohne Grund nennt Gordie ihn „Friedensstifter“. Bemerkenswert ist das Verständnis der beiden Jungen füreinander, der Trost und der Mut, den sie sich zusprechen. Chris weiß, wovon er spricht: „Kinder verlieren alles, wenn man nicht auf sie aufpasst.“ In „Stand by me“ passen die Kinder aufeinander auf. Erwachsene kommen nur am Rande vor.
Showdown
Schließlich finden sie die Leiche des vermissten Jungen, ganz in der Nähe der Gleise. Nach dem ersten Schock wollen sie eigentlich ihren ersehnten Triumph genießen, den Fund melden und im Mittelpunkt stehen. Immerhin haben sie etwas geschafft, wozu die Erwachsenen nicht in der Lage waren. Gleiches umtreibt aber auch die Jugendbande, die ebenfalls am Fundort auftaucht. Es kommt zur Konfrontation zwischen den beiden Anführern, wobei der Ältere droht, Chris mit einem Messer zu erstechen. Das verhindert Gordie, indem er die Pistole auf den Angreifer richtet. So können sie schließlich die Bande vertreiben. Am Ende melden die Jungs den Fund der Leiche doch lieber anonym am Telefon.
Freundschaft
Der Ich-Erzähler resümiert die Lebenswege der Jungs. So hat Chris doch noch mit Gordies Hilfe den Sprung aufs College geschafft, was es ihm später ermöglichte, Rechtsanwalt zu werden. „Freunde kommen und gehen“ konstatiert der für sein Alter erstaunlich weise Junge, wobei er gleich einschränkend hinzufügt: „Ich weiß, dass er mir für immer fehlen wird.“ Der ältere Gordie hat rückblickend noch eine weitere Erkenntnis: „Ich hatte später nie solche Freunde, als ich 12 war.“
Schwachpunkte
Das dramaturgische Problem sind die autobiographischen Anteile. Seine Kumpels kann der Ich-Erzähler Gordie vortrefflich charakterisieren, sich selber verliert er ab und zu aus den Augen. Bis auf die Konfrontation am Ende halten sich die Gefahrenmomente in Grenzen. Eine Schuld an einem wie auch immer gearteten Fehler hat er auch nicht auf sich geladen. Seinen Umgang mit der Gefühlskälte seines Vaters ist am Schluss auch kein Thema mehr. Darüber hätte der Zuschauer aber gern noch etwas erfahren. Bisschen seltsam auch, dass keines der vier Kinder trotz 40-stündiger Abwesenheit vermisst wird. Immerhin ist ja in Castle Rock gerade ein gleichaltriges Kind verschwunden.
Fazit
„Stand by me“ ist eine Hymne an die Kinder, an die Kraft der Freundschaft. Der Film hat auch eine Vorbildfunktion, zeigt er doch wie man mit Streitereien unter Freunden umgehen und sie gewinnbringend beilegen kann. Er zeigt auch, dass für eine tiefe Freundschaft, außer einer Seelenverwandtschaft, noch andere Faktoren eine Rolle spielen: nämlich Empathie und Hilfsbereitschaft. Der Film ist eine kleine Perle, der eigentlich in den Filmkanon der Bundeszentrale für Politische Bildung gehört, im Gegensatz zu einigen anderen.