Die Marx Brothers waren eine US-amerikanische Komikertruppe, die vor knapp 100 Jahren ihr Unwesen getrieben hat. Ihre Filme sind weniger Erzählungen als eine Aneinanderreihung von Sketchen und Varieténummern. Die Situationskomik ist teilweise so absurd, dass man irgendwann lachen muss. Die Vorgehensweise des Anarcho-Quartetts ist weniger subtil, denn hemmungs- und rücksichtslos. Gut so. Leidtragende sind stets Vertreter des Establishments, der Konventionen. Insofern haben sie durchaus etwas gemeinsam mit ihrem philosophischen Namensvetter. Jegliche Etikette sind für die Vier ein Antrieb – ein Muss, das Regelwerk auf den Kopf zu stellen und ad absurdum zu führen.
Opening
In „Die Marx Brothers auf See“ (Monkey Business) machen Groucho, Harpo, Chico und Zeppo einen Luxusdampfer unsicher, auf dem sie natürlich als blinde Passagiere eingecheckt haben. Schon der Vorspann mit den Credits ist sehr originell. Die Texte werden auf rollenden Heringsfässern, dem Versteck der Brothers Brothers, ins Bild gerollt. Nach ihrer Enttarnung kann der Spaß in Form von Flucht-Verfolgungs-Szenen beginnen.
Stärken
Das absurde Treiben könnte man als rotzfreches Kaspertheater bezeichnen, das von Grouchos Wortwitz (der mit Schnurrbart und Zigarre) dominiert wird. Auf die Empörung eines Passagiers „Was glauben Sie, wer ich bin?“, entgegnet Groucho: „Sagen Sie’s mir nicht!“ Korrumpierungsversuche beantwortet er folgendermaßen: „Wollen Sie mich etwa bestechen? Wie viel?“ Nach der Ohnmacht eines Passagiers wird lauthals nach einem Arzt gerufen. Das veranlasst die Marx Brothers, beim nächstbesten weiblichen Gast Erste-Hilfe-Maßnahmen anzuwenden. Deren Proteste, „Ich bin doch nicht die Patientin“, kontern sie wie folgt:“ Macht nichts. Wir sind auch nicht die Ärzte.“
New York
Bei der Ankunft in New York haben die Marx Brothers natürlich keinen Pass. Den klauen sie einfach aus der Kabine von Maurice Chevalier. Da das Passfoto kaum Ähnlichkeit mit den vier Brüdern hat, versucht einer nach dem anderen mit einem vorgetragenen Chanson die Zweifel der Grenzbeamten auszuräumen. Das gelingt ihnen auch, denn spätestens jetzt ist klar, dass keiner von ihnen Maurice Chevalier ist. Witzig ist auch die Zweckentfremdung von Statussymbolen oder Gegenständen. So schlüpft Groucho beim Showdown beispielsweise in die Rolle eines Radioreporters. Als Mikrofon muss ein alter Milchtopf mit Stiel herhalten.
Grenzüberschreitungen
Die Grenzen zu Beleidigungen sind fließend. So kündigt Groucho dem Publikum auf dem Ozeandampfer eine berühmte Opernsängerin an, während im Nachbarzimmer gerade das Büfett eröffnet wird: „Um sie schnell dorthin zu bringen, gibt Frau Schmalhausen ein Sopransolo.“ Bei der Landung in New York mischt Groucho sich einfach unter die wartenden Journalisten, um der von Bord gehenden Operndiva folgende Frage zu stellen: „Stimmt es, dass sich Ihr Mann von Ihnen scheiden lässt, sobald er wieder sehen kann?“ Das sind natürlich schon Bemerkungen unterhalb der Gürtellinie. Darf man das im Film? Ja, warum nicht? Ist doch nur ein Film. Dort können oder sollen wir auch Zutaten verwenden, auf die wir im realen Leben besser verzichten. Könnte ja sonst langweilig werden.
Schwächen
Echte Widersacher sind im ganzen Treiben allerdings nicht auszumachen. Kapitän und Besatzung in „Die Marx Brothers auf See“ agieren in Gestalt von uniformierten Trotteln. Das ist zwar grotesk und spaßig, aber eben wenig dramatisch. Ein Manko, das allen Filmen der Marx Brothers anhaftet. Teilweise wirkt das Geschehen auch etwas angestaubt, etwa wenn Harpo jedem Rock hinterherläuft und die Damen schreiend das Weite suchen.
Fazit
Wer jemals Angst hatte, gegen Benimmregeln zu verstoßen, hätte mit den Filmen der Marx-Brothers jede Menge Therapiematerial. Sie haben etwas Befreiendes, machen Spaß und sind – wenn man so will – eine Anleitung zum Ungehorsam.