Horizon (Kevin Costner) USA 2024

„Horizon“ – der erste von vier Teilen – ist ein sehenswerter, spannender Western mit überwältigenden Landschaftsaufnahmen, der im damaligen New Mexico kurz vor Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs spielt. Warum das Epos etliche negative Kritiken bekommen hat, ist nur zum Teil verständlich. Immerhin gelingt Kevin Costner, nach seinen vorangegangen Ausflügen ins Westerngenre („Der mit dem Wolf tanzt“ und „Open Range“), knapp drei Stunden fesselnde Unterhaltung. Das Problem ist sein Hang zur Egomanie und zum Größenwahn. Bei Costner muss es mindestens die ultimative geschichtliche Aufarbeitung von der Besiedelung des Wilden Westens sein, Untertitel: „An American Saga“. Weniger wäre mehr gewesen.

Gigantomanie

Gleich sechs Erzählstränge schickt Costner ins Rennen. Da sind zum einen die ersten Siedler, die sich in „Horizon“ im San Pedro Valley niederlassen. Dann sind es die Apachen mit ihrem jungen Häuptling Pionsenay, die zunächst das Örtchen überfallen, Bewohner massakrieren und sich anschließend in die Berge zurückziehen. Als dritte Ebene wird eine Gruppe von Kopfgeldjägern eingeführt, die für jeden Indianerskalp harte Dollars bekommen und nun die Verfolgung aufnehmen. Dann werden die Geschehnisse im nahegelegenen Fort der US-Kavallerie beleuchtet, in dem Frances Kittredge (Sienna Miller) mit ihrer Tochter und anderen Überlebenden des Überfalls Zuflucht finden. Als Fünftes begleiten wir den Pferdehändler Hayes Ellison (Kevin Costner) bei seiner Flucht mit der Prostituierten Marigold und einem zweijährigen Baby von Wyoming gen Süden. Der sechste Erzählstrang beschreibt einen Siedlertreck nach Westen unter Leitung von Matthew van Weyden.

Emotionen

Das Problem mit multiplen Erzählsträngen: Man verliert seine Protagonisten aus den Augen und das geht dann zu Lasten der Anteilnahme. Ein Emotionshemmer. Wenn Hayes zum Beispiel im Duell den durchgeknallten Caleb Sykes (genial: Jamie Campbell) erschießt und mit Marigold samt Baby flieht, dann sind wir bei ihm. Wir fühlen und zittern mit ihnen mit, zumal sie von drei Killern verfolgt werden. Dann sehen wir uns aber unvermittelt mit den Personen und Gefahren eines Siedlertrecks konfrontiert. Es ist jedes Mal eine kleine Enttäuschung. Von Pionsenay ist irgendwann gar nichts mehr zu sehen. Die alternierende Erzählweise generiert leider kein Mehr an Komplexität und Spannung. Im Gegenteil.

Stärken

 Neben der brillanten Kameraarbeit gibt es immer wieder sehr schöne, auch witzige Szenen. Toll ist zum Beispiel die Etablierung von Marigold, die sich in einem kleinen Kaff in Wyoming bühnenreife Kabbeleien mit einem Ladenbesitzer und der örtlichen Chefin des Saloons um nahende Viehhändler liefert. Toll auch der eskalierende Dialog zwischen Caleb und Hayes, als sie gemeinsam zur Hütte hochgehen, in der Marigold mit Lucy, Ehemann Walter und dem Baby lebt. Berührend ist auch die Szene, in der Elizabeth, die ca. 14-jährige Tochter von Frances, in den Bürgerkrieg ziehenden jungen Rekruten selbstgebastelte Stoffherzen schenkt. Ungewöhnlich ist auch die Darstellung des Ablebens der ersten Landvermesser in „Horizon“. Wir sehen nur das Resultat, nicht aber die Ermordung durch die Apachen. Die Gräueltaten zeigt Costner dann beim anschließenden Überfall bis zum Exzess. 

Weitere Schwachpunkte

Die Ausstattung ist teilweise schlampig, weil sie nicht schlampig genug ist. Schon komisch, wenn Hayes tagelang durch die Wälder Wyomings reitet und – bis auf seinen Schnauzer – immer frisch rasiert ist. Lucy hat James Sykes, Calebs Vater, mit einer Schrotflinte das halbe Gesicht weggeschossen. Davon ist bei seiner Begutachtung von Calebs Leichnam absolut nichts zu sehen. Marigold wird vom bildhübschen Model Abbey Lee gespielt, die nichts, aber auch gar nichts mit Prostituierten im US-amerikanischen mittleren Westen des 19. Jahrhunderts gemein haben dürfte. Da hätte sich Costner mehr an den ungeschminkten Darstellungen der Italowestern orientieren können.

Lösungen

Ein Teil des Erfolges der Westernserie „Yellowstone“ (ebenfalls mit Kevin Costner) resultiert aus einem konzentrierten Familiendrama. Keine sechs Erzählstränge, sondern einer! Für „Horizon“  ist es doch eine einfache Rechnung: Vier epische Teile von jeweils drei Stunden ergeben eines Gesamtlänge von ca. 12 Stunden. Hätte man jeden der sechs Erzählstränge einzeln behandelt, wäre man auf eine angenehme Länge von zwei Stunden pro Film gekommen. Fokussierung auf jeweils einen Erzählstrang – das wär’s gewesen.

Fazit

„Horizon“ bietet zwar wenig Neues zum Genre des Westerns, aber immerhin knapp drei Stunden gute Unterhaltung.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für Horizon.