Letters from Iwo Jima (Clint Eastwood) USA 2006

„Letters from Iwo Jima“ ist filmisch ausgedrückt der „Gegenschuss“ zu Clint Eastwoods vorherigem Spielfilm „Flags of our Fathers“. Er behandelt die Invasion der strategisch wichtigen Insel Iwojima durch die US-Amerikaner im 2. Weltkrieg ausschließlich aus der Sicht der japanischen Truppen. Dabei nimmt der Regisseur sich Zeit für seine Figuren, für die aussichtslose Lage angesichts einer gewaltigen Übermacht und die fehlende Unterstützung durch eigene Streitkräfte. Das finale Gemetzel hätte man sich eigentlich schenken können. Nichts Neues auf den Schlachtfeldern, die in diesem Fall 18.000 Japanern und 7.000 Amerikanern das Leben gekostet haben. Was u.a. fehlt, ist die Konzentration auf einen tauglichen Protagonisten.

Figuren

Der ehemalige Bäcker Saigo hätte es sein können. Er mimt eine Art „braver Soldat Schwejk“ und verkörpert die ganze Sinnlosigkeit der Verteidigungsschlacht. Von ihm kommt der intelligenteste militärstrategische Vorschlag: „Wenn wir den Amerikanern die Insel überlassen, können wir schnell wieder nach Hause.“ Das wär’s gewesen. Natürlich ist dieser Plan außerhalb der Vorstellungskraft der Militärführung, die Harakiri für ehrenwerter hält als eine Flucht: „Lang lebe der Kaiser!“

Der Fehler liegt im Plural: „Letters“. Besser wäre ein Brief gewesen, und zwar der von Saigo an seine schwangere Frau. Clint Eastwood verzettelt sich, indem er eine Vielzahl von Charaktere aufbietet. Da ist, neben Saigo, Hauptmann Tanida, dann der Kommandeur Generalleutnant Kuribayashi, der Springreiter Oberstleutnant Nishi, dann Shimizu, ein ehemaliger Militärpolizist usw. So kann, trotz gelegentlicher Flashbacks, keine Nähe aufgebaut werden, die aber Voraussetzung für eine emotionale Anteilnahme wäre. Wir erfahren zu wenig über die Protagonisten. Die fragmentarische Behandlung sorgt für Distanz, für Oberflächlichkeit und deutet auf den eigentlichen Schwachpunkt hin.

Story

Es gibt keine Geschichte. Die Eroberung einer Vulkaninsel ist keine Geschichte. Das ist vergleichbar mit „Titanic“ ohne melodramatische Liebesgeschichte. Was dann übrig bleibt, ist die Visualisierung einer Katastrophe, die ja auch keine Überraschung ist oder Suspense enthält. Weiß ja jeder vorab, dass das Schiff untergeht oder die Insel eingenommen wird. Was ist denn überhaupt eine Geschichte (s.a. klassische Erzählmotive)?

Im Antikriegsfilm „Lone Survivor“ erzählt Peter Berg von der existenziellen Entscheidung, die der Kommandeur einer vierköpfigen Navy-Seals-Einheit treffen muss und von ihren dramatischen Konsequenzen. Der Anführer ist der eindeutige Held dieser Geschichte, die sich bis zum Ende nur um diesen Entschluss dreht. Oder nehmen wir „American Sniper“, den Clint Eastwood 2014 gedreht hat und der wie kaum ein anderer Spielfilm zeigt, was Krieg mit den Menschen macht. Es ist die dramatische Lebensgeschichte eines traumatisierten Scharfschützen. Beide Spielfilme haben den Fokus auf einen Helden und seine Motive, auch auf seine Fehler oder falschen Entscheidungen, die anderen Menschen das Leben kosten (können). Das ist ein wesentlicher Punkt. In „Letters from Iwo Jima“ verbleibt den Figuren keine Gelegenheit, ihre falschen Entscheidungen, nämlich die Stellung zu halten, anzuzweifeln oder gar zu bereuen. Bis auf Saigo gehören sie alle zu den Opfern dieses Wahnsinns.

Fazit

„Letters from Iwo Jima“ gehört zu den schwächeren Filmen Clint Eastwoods. Den verständlichen Wunsch, Teil der amerikanischen Geschichte aus einer anderen Perspektive zu erzählen, hätte er mit einer Geschichte kombinieren müssen, so wie er es in den meisten seiner Filme demonstriert hat.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "Letters from Iwo Jima".

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