„Lansky“ ist eine sehenswerte Gangsterbiographie, die 1981 in Miami spielt. Hauptpersonen sind der ehemalige Mafioso Meyer Lansky (Harvey Keitel) sowie der erfolglose Autor und Journalist David Stone (Sam Worthington), der seine Memoiren verfassen soll. Erzählt wird in zwei zeitlichen Ebenen: Die Treffen zwischen Lansky und David finden in der Gegenwart statt, die Erinnerungen des alternden Gangsters in Rückblenden. Lansky diktiert die Bedingungen: Nichts darf ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden. Diese scheinbar banale Vereinbarung hat angesichts von Lanskys krimineller Vergangenheit schon dramatischen Zündstoff.
Dramaturgie
Das hätte man eigentlich nur ausreizen müssen: „Der Pakt mit dem Teufel“ (s. Erzählmotive im 1. Kapitel der „7 Säulen der Filmgestaltung“). Leider verschenken die Filmemacher dieses Gefahrenpotenzial. David hätte nach seinem Vertragsbruch in Lebensgefahr geraten müssen. Eigentlich noch schlimmer. Denn die dramaturgische Kardinalfrage lautet so: Was ist in der jeweiligen Spielanordnung das Schlimmstmögliche für den Protagonisten? Ist doch eigentlich nicht so schwierig? In Davids Fall ist das die Bedrohung für seine geliebten Kinder. Also, ein kompetenter Autor hätte zumindest mit dieser tödlichen Gefahr gespielt. In diesem Thriller geraten leider weder David noch seine Kinder in ernsthafte Gefahr.
Nur die ermittelnden FBI-Agenten, die hinter Lanskys verschwundenem Vermögen her sind, sorgen für Bedrohungen. Sie setzen zum einen die bildhübsche Maureen auf David an, um an entsprechende Informationen zu gelangen. Eigentlich ein durchschaubares Manöver. Man fragt sich nur, ob die Spionin für das FBI oder für Lansky arbeitet? An dieser Stelle wäre ein anderer Informationsfluss dramatischer gewesen, nämlich Suspense. Der Zuschauer hätte über das Doppelspiel der Spionin informiert werden müssen. Das hätte die Emotionen gesteigert. Als diese Intrige später verpufft, erpressen die FBI-Agenten David zur Kooperation. Der entscheidet sich angesichts seiner privaten und finanziellen Probleme ebenfalls zum Doppelspiel. Das ist gut. Dass dieser Verrat keine Konsequenzen hat, ist gar nicht gut.
Emotionen
So wecken Lanskys Erinnerungen zwar unser Interesse, aber keine weitergehenden Gefühle. Schade. Dabei haben die Geschichten des „Bankiers des organisierten Verbrechens“ es in sich, handeln sie doch von der brutalen Vorgehensweise beim Aufbau eines illegalen Glücksspielimperiums. Lanskys Mann fürs Grobe ist sein Freund Bugsy Malone. Später muss Lansky sich einem Mehrheitsvotum des National Crime Syndicate beugen, das Bugsy Malone ermorden lässt. Lansky ist ein Kontrollfreak. Um so mehr leidet er unter dem Zerwürfnis mit seiner Ehefrau und vor allem unter der körperlichen Behinderung des gemeinsamen Sohnes. Lansky, der gewohnt ist, mit Geld und Gewalt alles zu regeln, stößt hier an seine Grenzen. „Frauen kann man leider nicht erschießen“, verrät er Bugsy einmal bedauernd.
Hintergründe
Lanskys Geschichten sind manchmal ungeschminkt, manchmal beschönigend. So zum Beispiel, wenn er seinen kriegsentscheidenden Beitrag zur Enttarnung deutscher Spione im 2. Weltkrieg beschreibt. Zum Schluss werden die FBI-Ermittler zurückgepfiffen. Die Hintergründe bleiben im Unklaren. Man kann nur spekulieren. Wahrscheinlich hat Lansky sein Vermögen der US-Regierung vermacht, die in einigen Bundesstaaten und Reservaten das Glücksspiel erlaubt hat und kontrolliert. Darauf deutet auch sein finaler Besuch im Pflegeheim hin, in dem sein geliebter Sohn betreut wird. Das könnte der Deal gewesen sein: 300 Millionen Dollar für Straffreiheit und lebenslange Betreuung seines Sohnes. Dieses Agreement würde im Nachhinein auch erklären, warum ihn Davids Verrat nicht weiter interessiert hat. Es würde auch seine Selbsteinschätzung erklären: „Ich bin ein Engel mit einem schmutzigen Gesicht.“
Fazit
Ein weiterer Schwachpunkt liegt in der Figur des Journalisten. Dieser kommt Lansky zu Beginn „etwas unterwürfig“ vor. Leider ändert sich diese Haltung im Verlauf des Films nicht. Hier hätte man David eine Entwicklung gewünscht. Sie wäre auch vonnöten gewesen, wenn er von Lansky und vom FBI richtig in die Mangel genommen worden wäre. Insofern sind die Schwächen in der Dramatisierung eng mit denen in der Charakterisierung verknüpft. Insgesamt ist „Lansky“ – trotz der beschriebenen Gräueltaten – ein erstaunlich ruhiger und informativer zeitgeschichtlicher Gangsterfilm.