„Dog eat Dog“ ist ein abscheulicher Film. In den ersten fünf Minuten schlachtet der drogensüchtige Mad Dog (William Dafoe) seine Freundin Sheila mit einem Fischmesser regelrecht ab. Anschließend erschießt er deren Tochter. Abbruch.
Stümper
Warum sollte man sich diesen Hollywood-Dreck anschauen? Für wen oder was sollte man sich in „Dog eat Dog“ interessieren? Für den Junkie? Kann nicht sein. Für die Ermordeten oder das Fischmesser? Kann auch nicht sein. Tut man Paul Schrader damit unrecht? Nein. Selbst wenn hinterher noch etwas Interessantes kommen sollte, kann man eine Filmexposition kaum abschreckender gestalten. Ein Opening sollte den Zuschauer aber nicht vor den Kopf stoßen, sondern ködern und einfangen. Das ist erzählerisches Einmaleins.
2021 war ein schlechtes Erntejahr. Ein sehr schlechtes sogar. Insofern wundert einen dieser unglaubwürdige Pseudothriller mit Splatter-Einlagen nicht. Dominiert wird „The Trip“ von Figuren, denen man selbst in einem düsteren Film nicht begegnen möchte. Das Problem ist nicht, dass die Protagonisten unsympathisch sind. Das Problem ist, dass sie uninteressant sind (s. 4. Kapitel der „7 Säulen der Filmgestaltung“). Da ist zum einen der ca. 40-jährige Fernsehregisseur Lars, flankiert von seiner Ehefrau, der Schauspielerin Lisa. Obwohl sie in wohlsaturierten Verhältnissen leben (Reihenhaus, Gärtner, Mercedes, Blockhütte am See, Boot), haben sie nichts Besseres zu tun, als sich auf der Fahrt ins Wochenende gegenseitig ihr berufliches Versagen vorzuwerfen. Das ist nicht nur angesichts ihres Wohlstands schwer nachzuvollziehen. Selbst wenn die finanziellen Probleme vakant wären, würde sich ein Paar gegen Ende ihrer Beziehung kaum so unterhalten. Man hätte sich arrangiert, würde aber nicht jeden Tag die selbe Schallplatte auflegen.
Lösungen
Nicht nur dieser Aspekt zeigt die gestalterischen Limitierungen der Filmemacher. Das Naheliegende ist nie originell, meist auch nicht glaubhaft und schon gar nicht dramatisch. Die Lösung wäre das Gegenteil gewesen: Lars hätte sich auf ihrer letzten Fahrt überaus freundlich und zuvorkommend verhalten können. Das hätte Lisa misstrauisch machen müssen und so hätte sie ihm auf die Schliche kommen können. Stattdessen regiert der Zufall, denn auch Lisa will ihren Gatten just an diesem Wochenende beseitigen. Zusätzliches Motiv für beide ist eine Lebensversicherung über mehrere Millionen Kronen. Wozu diese Absicherung der kinderlosen Ehepartner, die sich nach eigenem Bekunden von Anfang an nicht sonderlich grün waren? Würde eine derartige Vertragssumme nicht das Misstrauen einer Versicherung hervorrufen? Spätestens im Schadensfall, womit ihre morbiden Pläne sowieso hinfällig wären.
Zufälle
Zu Fall kommen, kann man bekanntermaßen auf verschiedene Weise, aber auch durch Zufall. Ausgerechnet an diesem Wochenende können drei Schwerverbrecher aus dem Gefängnis entfliehen. Norwegen ist ein großes Land, aber natürlich kreuzen die Gangster bei ihrer Flucht das Gelände der Blockhütte, um beim blutrünstigen Treiben mitzumischen. Nachdem der Gärtner als erstes dran glauben musste, benötigt man schließlich Frischfleisch. Das Gemetzel dauert über zwei Stunden. „The Trip“ ist nur empfehlenswert für Sadomasochisten und Freunde schlecht gemachter Thriller.
Der Film fängt mit der Ermordung zweier Menschen und einem Suizid an. Dann gibt es einen Zeitsprung in die Vergangenheit, wobei sich später herausstellt, dass dieses Opening völlig unglaubwürdig ist und keine erzählerische Bedeutung hat. Also, in „Die Banden von Marseille“ geht’s um Effekthascherei. In der ersten Flashbackszene sehen wir Vronski, den Leiter einer Anti-Gang-Einheit der Marseiller Kripo, beim Gefangenentransport eines arabischen Clanchefs. Dessen Bitte um einen außerplanmäßigen Abstecher ins Krankenhaus zu seiner todkranken Frau kommt Vronski nach. Das alleine ist schon mehr als unprofessionell. Es kommt aber noch besser. Vronski lässt das Krankenzimmer nicht von seinen Leuten vorab untersuchen. Dann erfüllt er auch noch die Bitte seines Gefangenen, mit seiner schwerkranken Frau allein zu sein. Die nutzt dieser, um seine Frau von ihrem Leiden zu erlösen, indem er sie erstickt. Also leistet Bronsky nichts anderes als Beihilfe zum Mord. Das ist für alle handelnden Personen des Films einschließlich der Filmemacher aber kein großes Thema.
Aber so kann der Zuschauer natürlich keine emotionalen Beziehungen aufbauen. Den ganzen Film über gibt es keine nachvollziehbaren Konflikte, keine Entscheidungsfindungen, in die man einbezogen wird. Ein Paradebeispiel für unproduktive Irritationen: Der Zuschauer hat Fragen, auf die er bis zum Ende keine Antworten bekommt. Man wird ständig vor den Kopf gestoßen. Es herrscht die totale Konfusion, Unglaubwürdigkeiten bis zum Abwinken. Wer soll zum Beispiel glauben, dass praktisch die kompletten Einheiten des Marseiller Anti-Gang- und Rauschgiftdezernats korrupt sind? Warum werden bei einem Feuergefecht zwischen verfeindeten Gangs in einem Strandclub viele der anwesenden Gäste gleich mit erschossen? Wer soll glauben, dass ein Kripobeamter einen überlebenden Zeugen bei der Vernehmung ermordet und dann als Selbstmord tarnt? Warum verhaftet Vronski den Waffenlieferanten des Überfalls ausgerechnet bei der Trauerfeier des ermordeten Zeugen in einer voll besetzten Kirche? So geht das dann munter weiter. Warum Vronski suspendiert und kurz hinterher wieder rehabilitiert wird, fragt man sich schon nicht mehr. Die totale Verwirrung als Gestaltungsprinzip, als Ablenkungsmanöver, weil man im Grunde nichts zu erzählen hat.
Es gibt keine Figuren, mit denen man mitzittert, keine Spannung, keine guten Dialoge. Es gibt einen Haufen Gangster – mit und ohne Polizeimarke – die sich gegenseitig umbringen. Das bringt die arabische Clanchefin bei Vronskis Drogendeal irgendwann auf den Punkt: „Das einzige, was uns unterscheidet ist, dass ich keine Polizeimarke habe“. Die nützt ihm am Ende aber auch nichts, weil er mitsamt seiner kompletten Einheit einschließlich des neuen Polizeichefs eliminiert wird. Von wem weiß man nicht und es ist auch nicht mehr wirklich von Interesse. „Nach „The Power of the Dog“ wieder ein desaströser Netflix-Spielfilm. Man erinnert sich wehmütig an originelle und spannende französische Copthriller wie „Crossfire“ (Claude-Michel Rome). Aber „Die Banden von Marseille“ hat allenfalls einen halben Punkt verdient, für stimmungsvolle Aufnahmen der Stadt.
Wenn man sich als Erzähler nicht auf seine Geschichte konzentriert, kann das auch nichts werden, zumal in „Elle“ das Fundament eigentlich vorhanden ist: Die 50-jährige Michèle Leblanc (Isabelle Huppert) wird in ihrer Stadtvilla von einem Unbekannten überfallen und vergewaltigt. Anstatt zur Polizei zu gehen, macht sie sich auf die Suche nach dem Täter. Ein spannendes Rachedrama hätte es werden können, aber Paul Verhoeven hat nichts Besseres zu tun als eine Unmenge von handlungsirrelevanten Personen ins Spiel zu bringen. Da besucht Michèle ihre botoxbehandelte Mutter, die sich gerade mit einem 40 Jahre jüngeren Mann vergnügt. Ihr Ex-Mann hat eine Jüngere, die von Michèle zum Essen eingeladen wird. Toll. Ihr Sohn mietet mit Mamas Hilfe eine viel zu teure Wohnung an, in der er mit seiner zickigen Freundin auf Nachwuchs hofft, der sich dann auch nach wenigen Tagen einstellt. Mittlerweile wundert man sich über nichts mehr, auch nicht darüber, dass das Baby eine dunkle Hautfarbe hat, was den Vater nicht zu stören scheint.
Michèle selbst hat eine Affäre mit dem Ehemann ihrer besten Freundin Anna, mit der sie zusammen die Geschäfte eines Computerspiel-Verlags leitet. Die ganze stylische Ausstattung und die Mitarbeiterbesprechungen sind eine Lachnummer und erinnern nicht nur in ihrem Ambiente an die Niederungen deutscher Fernsehfilme. Nur, was haben diese ganzen Nebenerzählstränge mit der eigentlichen Geschichte zu tun?
Völlig krank wird das Ganze als Michèle beim zweiten Überfall im Vergewaltiger ihren religiösen Nachbarn erkennt und mit ihm eine sadomasochistische Beziehung eingeht. Zumindest erhält hier die Vorgeschichte ihres Vaters, der – wie das Leben so spielt – ein psychopathischer Killer war, eine Bedeutung: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Bei all diesem absurden Treiben kommt „Elle“ fast komplett humor- und spannungsfrei über die Runden. Der einzige Unterschied zu deutschen Depressionsfilmen besteht in der originellen Fähigkeit der Protagonisten, Streitereien schnell zu begraben, um sich lieber wieder ihren absurden Tätigkeiten zu widmen. Diese Unbekümmertheit hat im positiven Sinne etwas Kindliches. Zumindest kann man an diesen Stellen mal schmunzeln. Wer nach eineinhalb Stunden immer noch nicht ausgeschaltet hat, kann dann noch erleben wie Michèles Sohn den Vergewaltiger bei seinem vierten Überfall erschlägt.