Dead for a Dollar (Walter Hill) USA 2022

Das bewundernswerte an Walter Hill ist seine Produktivität und sein rücksichtsloser Drang zur Unterhaltung. Dabei scheinen Authentizität und Handlungslogik für ihn eher unnützes Beiwerk zu sein. Schade eigentlich. Denn damit ignoriert er einerseits das dramatische Potenzial, das realistische Figuren und nachvollziehbare Motive haben können, zusätzlich läuft er ständig Gefahr, Opfer seiner angehäuften unproduktiven Irritationen zu werden.

Opening

Letzteres passiert in „Dead for a Dollar“, einem Remake des US-amerikanischen Westerns „Die gefürchteten Vier“ von Richard Brooks. „Dead for a Dollar“ beginnt mit einer Meeting-Szene, die symptomatisch ist: Da sucht der Kopfgeldjäger Max Borlund (Christoph Waltz) den Outlaw Joe Cribbens (Willem Dafoe) im Gefängnis auf und warnt ihn: „Joe, geh’ mir aus dem Weg!“ Wie bitte? Ein Kopfgeldjäger sucht freiwillig eines seiner ehemaligen Opfer auf, um ihn zu warnen? Warum? Wovor? Würde ein Profi sich diese Mühe machen? Außerdem weiß er da doch noch gar nichts von seinem anstehenden Auftrag. Schon starker Tobak. Dass Joe sich einen feuchten Kehricht um diese Warnung kümmern wird, ist jedenfalls absehbar. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Dialogszene an Künstlichkeit kaum zu überbieten ist.

Reminiszenz

Leider war das nur der Auftakt. Es folgen eine Fülle von Personen, die merkwürdige Dinge absondern oder tun. Eigentlich müsste der Film „Viel Gequatsche um Nichts“ heißen. Angeblich soll „Dead for a Dollar“ eine Reminiszenz an Budd Boetticher sein. Eine Hommage an Italo-Western mit ihren schweigsamen Helden wäre besser gewesen. 

Die Geschichte

Ist schnell erzählt: Der reiche Großgrundbesitzer Kidd beauftragt Borlund, seine angeblich entführte Ehefrau Rachel zurückzuholen. Sie soll vom schwarzafrikanischen Army-Deserteur Elijah Jones nach Mexiko verschleppt worden sein. Als Begleiter wird dem Kopfgeldjäger Sergeant Poe zugeteilt. Dass Rachel keinesfalls entführt wurde, ist ebenfalls sofort absehbar, was dramaturgisch wieder nicht so toll ist. Jedenfalls spüren die Verfolger die Flüchtenden auf und schaffen sie Richtung US-amerikanischer Grenze, wo es schließlich zum Showdown kommt.

Ungereimtheiten

Das Sammelsurium an Merkwürdigkeiten ist erschlagend. Da bedroht der mexikanische Rancher Vargas die Verfolger, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen hat. Ständig fragt man sich, was diese unermüdliche Abfolge von nichtssagenden Szenen soll? Kurz darauf wird Joe beim Pokern der Falschspielerei bezichtigt, ohne dass es dafür irgendwelche Anhaltspunkte gibt. Was soll der arme Joe denn anderes machen, als den unterbelichteten Provokateur in Notwehr zu erschießen? Konsequenzen? Sucht man vergebens bei einer der langweiligsten Pokerszenen der Filmgeschichte.

Rachel besitzt einen kleinen Revolver, mit dem sie anfangs noch Schießübungen macht. Bei ihrer Ergreifung hat sie nichts Besseres zu tun, als Borlund die Waffe freiwillig auszuhändigen. Will sie nun fliehen oder nicht? Das soll jetzt verstehen, wer will, aber so langsam gleiten die Blicke sehnsuchtsvoll zum Ausschaltknopf.

Dramaturgie

Wie soll Spannung entstehen, wenn die ins Spielfeld geführten Figuren meistens Verständnislosigkeit oder unfreiwillige Komik erzeugen? Mit wem sollen wir hier Gefühle entwickeln oder gar mitzittern, wenn niemand wirklich in Gefahr gerät? Aber darum ginge es.

Fazit

Ein Vergleich mit Tarantinos „Django Unchained“ drängt sich auf, in dem Christoph Waltz ebenfalls einen Kopfgeldjäger mimt. Zahlreiche Kritiker loben Walter Hill für dessen Darstellung, hat er dem Schauspieler in „Dead for a Dollar“ doch angeblich die Manierismen ausgetrieben. Leider kommt dabei nichts anderes als Langeweile anstelle von partieller Situationskomik raus. Dieses plakative, synthetische Spätwerk ist nun wirklich keine Bereicherung für das Genre des Western.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "Dead for a Dollar".

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