Seit den 90er Jahren hat man vermehrt den Eindruck, dass die US-amerikanische Bevölkerung zu einem nicht unerheblichen Anteil aus Serienkillern besteht, die sich vorzugsweise als polizeiliche Ermittler tarnen. Diesen Verdacht bestätigt auch dieser uninspirierte Thriller. Zudem wartet er mit einem humorfreien Besserwisser als Protagonisten auf, dem Polizeipsychologen Dr. Alex Cross (Morgan Freeman). Der hat nach der Entführung seiner Nichte durch einen Serienkiller nichts Besseres zu tun, als seiner Schwägerin zu raten, sich im Schlafzimmer auszuruhen. Klar, da er sich ja jetzt höchstpersönlich um den Fall kümmert und mit seinem schwarzen Porsche durch die Gegend kurvt.
Am Tatort, in Durham – North Carolina, ist Dr. Cross zwar nicht zuständig und hat da eigentlich nichts verloren, wird aber von den örtlichen Kriminalbeamten äußerst zuvorkommend behandelt und darf bei der Ermittlungsarbeit mitwirken. Das ist natürlich wenig glaubhaft und vor allem ein Verstoß gegen die elementarste aller dramaturgischen Regeln, nämlich seinem Protagonisten das Leben so schwer wie möglich zu machen (s. „Die Dramaturgie„).
Einer der jungen Frauen, die vom Killer in einem unterirdischen Verlies mitten in einem menschenleeren Waldgebiet gefangen gehalten werden, gelingt zu Fuß die Flucht. Trotzdem sind die Knalltüten-Ermittler incl. Dr. Cross anschließend nicht in der Lage das Gefängnis zu orten, obwohl die junge Frau, die zudem noch unter Drogen stand, maximal einen bis drei Kilometer zurück gelegt haben konnte. Spätestens ab diesem Moment kann man aber auch gar nichts mehr ernst nehmen und sollte sich den Rest (Dr. Cross rettet seine Nichte und erschießt den Serienkiller, der ein Detective ist) lieber ersparen, eigentlich den ganzen Film.
Die Lösung wäre folgendes gewesen: Originelle Charakter-Konfiguration, z.B. Tausch der Besserwisserei durch Selbstironie oder Understatement (s. Columbo), Ersatz des Porsches durch eine Klapperkiste, Verbot der Teilnahme an den polizeilichen Ermittlungen, Cross wäre nun ganz auf sich gestellt, die Flucht der jungen Frau müsste ersatzlos gestrichen werden, stattdessen engagiert Cross eine junge Frau als Köder und bringt sie in Lebensgefahr. Das wäre das größtmögliche Drama (s.a. „Das Versprechen“ von Dürrenmatt). Aber so hält „… denn zum küssen sind sie da“, was der der Filmtitel verspricht.
