Die Verurteilten (Frank Darabont) USA 1994

Stephen King ist ein begnadeter Erzähler, wenn er nicht gerade seinem Hang zum Paranormalen nachgeht. Das ist in seiner Novelle „Frühlingserwachen: Pin-up“ zum Glück nicht der Fall. Auf der Website kingwiki.de kann man u.a. nachlesen, worin die Unterschiede der filmischen Adaption zur Kurzgeschichte bestehen. Das ist grandios! Hier kann man studieren, welche dramaturgischen Entscheidungen die Filmemacher bei der Inszenierung von „Die Verurteilten“ getroffen haben. Bis auf eine Wahl (s. Schwachpunkte) sind alle anderen eine Optimierung. Kompliment!

Erzählmotiv

Entstanden ist ein hochdramatischer, ganz auf die beiden Hauptfiguren konzentrierter Gefängnisthriller mit vielen Entwicklungen, Wendungen und Überraschungen auf Grundlage eines klassischen Erzählmotivs: „Unschuldig Beschuldigt“. Es ist auch die Geschichte einer Freundschaft zwischen Ellis Boyd „Red“ Redding (Morgan Freeman) und Andy Dufresne (Tim Robbins), dessen Darstellung eines wegen Mordes verurteilten Bankers ziemlich genial ist.

Figuren

Erzählt wird die Geschichte aus Reds Perspektive, der zunächst nicht viel von Andy hält. Das ändert sich im Laufe ihrer gemeinsamen Haftzeit und hat viel mit Andys unbeugsamen Charakter zu tun. Gegen dessen Credo, sich trotz aller Widrigkeiten ein Stückchen Hoffnung zu bewahren, protestiert Red vehement. Etwas zu vehement, so dass damit auch sein Hauptproblem transparent wird. Er hat sich mit seinem Dasein im Gefängnis arrangiert. Die Freiheit ist eher ein Gefahrenort. Als Beleg dient ihm das Schicksal des Mitgefangenen Brooks, der die Bibliothek betreut hat, nach 50 Jahren entlassen wird und sich in der Freiheit das Leben nimmt.

Red glaubt auch, dass „man jeden brechen kann“ und ahnt nicht, dass Andy längst mit dieser Sorge seiner Freunde und Feinde spielt, hat er doch im Laufe von 20 Jahren, wie der „Graf von Monte Christo“, heimlich einen Tunnel in die Freiheit gegraben. Aber am Ende hat Red etwas von Andys Unbeugsamkeit gelernt und redet endlich Tacheles mit dem Vorsitzenden der Bewährungskommission, was zu seiner vorzeitigen Entlassung in die gefährliche Freiheit führt.

„Die Verurteilten“ sammelt die maximale Punktzahl auf der Defätismusskala ein. Es ist einfach witzig wie Andy der Gefängnisleitung beim Aufbau mafiöser Strukturen hilft, die er letztlich zu seiner erfolgreichen Flucht nutzt. Es ist schon originell, wenn Andy irgendwann erstaunt feststellt, dass er „draußen zu den ehrlichsten zählte“ und „ein Gauner erst im Gefängnis geworden“ ist. Es ist einfach schön wie er dem jungen Kriminellen Tommy Williams das Lesen beibringt, damit dieser seinen Hauptschulabschluss schafft. Es ist berührend wie Andy seine Freiheiten nutzt und Mozarts „Hochzeit des Figaro“ über die Lautsprecheranlage des Gefängnisses abspielt, was den anderen Inhaftierten einen Moment der Andacht beschert und Andy zwei Wochen Einzelhaft. „Man braucht Musik, um nicht zu vergessen, dass es noch Orte auf der Welt gibt, die nicht aus Stein sind“, begründet Andy seinen Sabotageakt.

Schwachpunkte

„Die Verurteilten“ hat zwei gravierende Schwachpunkte und einen kleinen: Wenn Andy von Tommy die Geschichte vom tatsächlichen Mörder seiner Frau erfährt, dann darf er mit diesem Wissen nie und nimmer zum Gefängnisdirektor Norton laufen. Andy müsste ahnen, dass dieser kein Interesse hat, ihn jemals wieder in Freiheit zu sehen. Die Unterredung passt auch nicht zum ansonsten strategisch denkenden und handelnden Andy. Außerdem macht er sich damit mitschuldig an Tommys Ermordung. Das ist, nach Andys Einzelhaft, die nächste Konsequenz aus seinem Gespräch mit Norton, womit wir beim zweiten Schwachpunkt sind.

Warum sollte der Gefängnisdirektor Tommy hinterrücks erschießen lassen? Das kann doch nur Unannehmlichkeiten zur Folge haben. Andere Wärter könnten die Fluchtversion in Frage stellen. Verwandte des Ermordeten könnten eine Untersuchung in die Wege leiten. Daran können Norton und sein Helfershelfer, Oberaufseher Captain Hadley, kein Interesse haben, zumal die Ermordung völlig überflüssig ist. Sie müssen doch nur dafür sorgen, dass beide niemals wieder rauskommen, was in Andys Fall (zweimal lebenslänglich) keine Schwierigkeit sein sollte. Und Tommy könnte man in den Gefängnismauern doch problemlos etwas anhängen, um seinen Aufenthalt zu verlängern.

Finale

Das Schlussbild des Films wie Andy an einem einsamen Pazifikstrand ein altes Boot restauriert und die Freunde sich in die Arme fallen, ist schwach und hat auch nichts mit Andys eigentlichem Traum zu tun, nämlich ein kleines Hotel im mexikanischen Küstenort Zihuatanejo aufzumachen. Viel schöner wäre es gewesen, wenn Andy im Foyer seines eröffneten Hotels gerade etwas repariert, zum Beispiel mit seinem Steinhammer einen Nagel in die Wand schlägt. Hinter seinem Rücken checkt ein Fremder an der Rezeption ein. Der Empfangschef fragt ihn, wie lange er bleiben möchte und der Fremde antwortet: „Lebenslänglich!“ Das ist das Stichwort. Jetzt würde Andy sich umdrehen und seinem Freund in die Arme fallen. Ende. Ansonsten, alles super!

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