Angesichts der brillanten Filme, die Alexander Payne zum Teil gedreht hat („The Holdovers“, „About Schmidt“), darf man schon enttäuscht sein. „Downsizing“ hat ein paar originelle und skurrile Szenen, ist aber ansonsten spannungsfrei. Das in der Grundidee enthaltene Konflikt- und Gefahrenpotenzial wird ignoriert. Die thematisierte Zivilisationskritik taugt vielleicht als wissenschaftliche Abhandlung, aber nicht als Grundlage einer dramatischen Filmhandlung. Dafür fehlen zu viele Zutaten (s. „Die 7 Säulen der Filmgestaltung“).
Die Geschichte
Ein Science-Fiction. Im Kampf gegen die Überbevölkerung entdecken norwegische Wissenschaftler die zelluläre Reduktion des menschlichen Körpers: Eine Körpergröße von 180 cm lässt sich auf 12 cm minimieren. Aus der Erfindung resultiert ein Geschäftsmodell. Slogan: „Wir retten uns selbst“. In einer Art Miniatur-Wunderland leben die Geschrumpften in purem Luxus, denn Verbrauch und Kosten reduzieren sich, während Erspartes nun ein Vielfaches wert ist. Ein verlockendes Modell, gerade für Interessenten, denen in der realen Welt Ungemach droht oder das Wasser schon bis zum Hals steht.
Paul
Einer von diesen Aspiranten ist der Physiotherapeut Paul Safranek (Matt Damon), der mit seiner Frau Audrey in einem Eigenheim lebt und Schwierigkeiten hat, die Kredite zu tilgen. Die Aussicht auf ein sorgenfreies gemeinsames Leben gibt den Ausschlag bei ihrer Entscheidung zum Downsizing. Leider bekommt Audrey im letzten Moment kalte Füße und macht einen Rückzieher, während Paul die Transformation schon vollzogen hat. Das Luxusanwesen, in dem der kleine Paul nun residiert, ist kein wirklicher Trost für den Schicksalsschlag. Aber mit dem Leben auf „großem“ Fuß ist ein Jahr später, nach Scheidung und Gütertrennung, sowieso Schluss. Paul muss in ein Mietshaus ziehen und im Callcenter dazu verdienen.
In the Ghetto
Im neuen Wohnhaus lernt Paul den Nachbarn Dusan kennen, einen Schmuggler und Partyhengst. Nach einer durchzechten Nacht trifft Paul beim Nachbarn auf die vietnamesische Putzfrau Ngoc Lan Tran, mit der er sich anfreundet. So erfährt er zum ersten Mal von den Schattenseiten des Geschäftsmodells. Ngoc ist eine Dissidentin und wurde vom Regime mit einem Downsizing zum Schweigen gebracht. Sie lebt mit anderen Aussortierten in einem Ghetto, das Paul bei einem Besuch nun zum ersten Mal kennenlernt. Als sie erfahren, dass Dusan eine Reise nach Norwegen zur Gründungskolonie der Geschrumpften plant, schließen sie sich ihm an.
Norwegen
Auf einem Schiff, das einen Fjord passiert, kommen Ngoc und Paul sich zum ersten Mal näher. In der Gründungskolonie treffen sie auf den Arzt Jorgen, den Entdecker des Downsizing. Weil seine Erfindung missbraucht wurde, hat er sich aus Solidarität ebenfalls schrumpfen lassen. Doch nun ist die Kolonie durch austretende Methangase, dem die Kleinen schutzlos ausgeliefert sind, dem Untergang geweiht. Ein unterirdisches Gewölbe soll Zuflucht bieten. Während Paul sich den Flüchtenden anschließt, bleibt Ngoc zurück. Im letzten Moment macht Paul kehrt und gesteht ihr seine Liebe.
Schwächen
Die taugliche Grundidee enthält eigentlich jede Menge Gefahrenmomente. Ihre komplette Ignoranz ist schon fahrlässig. Die lebensbedrohlichen Umstände, die bei einer Flucht aus dem Miniatur-Wunderland resultiert wären, hätte man durchspielen müssen. Zu einer derartigen Exkursion hätte Paul, zum Beispiel bei seiner Trennung oder Scheidung, auch allen Grund gehabt. Umgekehrt: Welche Gefahren hätte das Eindringen von Insekten oder Haustieren für die Bewohner der Miniaturanlage bedeutet? All das wird leider ausgeklammert und hat auch zur Folge, dass man mit niemandem mitzittert. Für das dürftige Geschehen ist der Film auch viel zu lang.
Zeitliche Dichte
Ein weiterer Fehler des Films sind auch die großen Zeitsprünge. Payne beginnt seine Geschichte chronologisch und schafft damit Verständnis. Aber eine gute Erzählung benötigt keine Erklärungen. Im Gegenteil. Wie wär’s denn gewesen, wenn „Downsizing“ mit der Trennung oder Scheidung begonnen hätte. Der Zuschauer hätte lauter Fragen gehabt, auf die es zunächst keine Antworten gibt. Aber es hätte Spannung generiert: Produktive Irritation. Man bleibt bei der Stange, um die Antworten zu bekommen. Auch hier bewahrheitet sich das dramaturgische Postulat von Patricia Highsmith: „Eine gute Geschichte beginnt so nah wie möglich vor ihrem Ende“.
Die Figuren
Paul ist ein hilfsbereiter, freundlicher und bescheidener Zeitgenosse, der anfangs seine Mutter pflegt und eigene Interessen zurückstellt. Diese sympathischen Charaktereigenschaften erfahren leider keine Entwicklung. Damit bringt Paul aber nicht die erforderlichen Voraussetzungen für einen veritablen Helden mit (s. „Die Figuren“). Bis zum Ende bleibt er eigentlich ein Langweiler. Seine Ehefrau ist schnell aus dem Spiel. Sie ist nur der Katalysator der folgenreichen Entscheidung. Die Liebesbeziehung zu Ngoc ist eine behauptete. Welchen Grund hat er, sich in die beinamputierte und ziemlich ruppige Dissidentin zu verlieben? Mitleid ist kein Fundament, wie sie an späterer Stelle richtig anmerkt. Nachbar Dusan (Christoph Waltz) hat überhaupt keine Handlungsrelevanz.
Prototypen
In der Science-Fiction-Komödie „Liebling, ich hab die Kinder geschrumpft“ demonstriert Joe Johnston, wie Gefahrenmomente spannungssteigernd ins Spiel gebracht werden. Die Begegnungen mit Ameisen, Bienen oder Skorpionen sind natürlich lebensbedrohliche Situationen. So ist das richtig. In „Die Truman Show“ von Peter Weir wird der ahnungslose Protagonist zur Maximierung von Einschaltquoten in einer künstlichen Kleinstadt gefangen gehalten. Sein wachsendes Misstrauen, die in gefährlichen Fluchtversuchen münden, sind pure Dramatik. Das sind nur zwei Beispiele, an denen Payne sich gewinnbringend hätte orientieren können.
Fazit
„Downsizing Drama“ wäre ein passenderer Filmtitel gewesen, also geschrumpfte Spannung.