„Eine zauberhafte Nanny“ ist eine märchenhafte, teilweise rabenschwarze Familienkomödie und behandelt ein ganz bodenständiges Thema: Ein alleinerziehendes Elternteil ist mit der Erziehung der (hier: sieben) Kinder hoffnungslos überfordert. Mit diesem irdischen Problem können wohl alle Eltern etwas anfangen. Aber das war’s dann auch mit den Vorzügen dieser Mary-Poppins-Variante.
Die Geschichte
Cedric Brown (Colin Firth) arbeitet als alleinerziehender Bestatter und versucht seine renitenten Kinder durchzubringen. Die haben allerdings einen hohen Verschleiß an Kindermädchen. Ganze 17 haben sie schon in die Flucht geschlagen. Aber Nr. 18 ist Nanny McPhee (Emma Thompson), ein „Kindermädchen von der Regierung“, die ihnen – und auch ihrem Vater – nach und nach – fünf Lektionen erteilt. Die geplante Hochzeit mit der schrillen Mrs. Quickly können die Kinder sabotieren, so dass einem Happy End mit dem Dienstmädchen Evangeline (Kelly MacDonald) nichts mehr im Wege steht.
Stärken
Am stärksten ist der Film in seinen schwarzhumorigen, unkorrekten Momenten. Wenn die Kinder zum Beispiel beim Spielen mit einer selbst gebastelten Guillotine ihre Puppen köpfen oder sich vermeintlich als Kannibalen erweisen. Man versteht ihre Gefühle und ist bei den Sabotageakten auf ihrer Seite, vor allem bei denen gegen die auserwählte Stiefmutter. Einige Slapstickeinlagen sind wirklich witzig, zum Beispiel wenn der kurzsichtigen Tante Adelaide, anstatt Schwesterchen Christianna, ein verkleidetes Schaf untergejubelt werden soll. Auch die Dialoge der Kinder untereinander haben es teilweise in sich. Sie sind eben nicht auf den Kopf gefallen.
Erzählmotiv
Dramaturgisch vorteilhaft ist auch die Etablierung einer Variante des Erzählmotivs „Erbe mit Bedingungen“, hier: Unterhalt mit Bedingungen. Die wohlhabende Tante Adelaide verknüpft nämlich weitere Alimentezahlungen an eine Neuvermählung von Neffe Cedric. Damit haben die Protagonisten ein existenzielles Problem und das ist spannungstechnisch gut.
Vorhersehbarkeit
Jeder Zuschauer hat aber hunderte oder tausende Filme gesehen und Handlungsabläufe abgespeichert, die bei der Beurteilung von vergleichbaren Situationen herangezogen werden. Es findet gewissermaßen ein Abgleich statt. Der Zuschauer hat also eine Erwartungshaltung. Wenn sich diese dann ein ums andere Mal bestätigt, wird’s – genau – langweilig. Leider ist in „Eine zauberhafte Nanny“ einiges vorhersehbar. Bei ihrem ersten Auftritt geht Dienstmädchen Evangeline liebe- und verständnisvoll mit den Kindern um. Da ahnt man schon: Das wird die neue Mutti, was ja dann am Ende auch eintritt. Eine Entwicklung, eine Veränderung wird ihr leider nicht gegönnt. An anderer Stelle postuliert Nanny McPhee: „Wenn Ihr mich wollt, aber nicht mehr braucht, werde ich gehen“. Da weiß man dann auch, dass sie am Ende nicht mehr gebraucht und gehen wird usw. Es mangelt also an Überraschungen und Wendungen.
Weitere Schwächen
Ein großer Fehler ist es, das Damoklesschwert der Armut nicht durchzuspielen. Die bloße Beschreibung des finanziellen Ruins und seiner Folgen ist für die Kinder zu abstrakt. Das hätte man durchexerzieren müssen. Erst in der Not hätten sie eine glaubhafte Chance zur Einsicht gehabt. Die von Cedric auserwählt Braut, Mrs. Quickly, agiert im Stile einer Karikatur. Sie ist zu schrill und überzogen, um eine wirkliche Gefahr zu sein. Eine attraktive, hinterhältige und intelligente Aspirantin wäre besser gewesen. All diese Schwächen hätte man in der Stoffentwicklung beheben können. Aber Drehbuchautorin Emma Thompson hat schon in „Sinn und Sinnlichkeit“ von Ang Lee gezeigt, dass sie nicht das Metier wechseln sollte.
Lösungen
Evangeline sollte besser ein großmäuliges, rotzfreches kleines Scheusal sein, dass sich von den Kindern nichts gefallen lässt. Sie dürfte auch nicht als Chrissie-Ersatz mit Tante Adelaide verschwinden. Dann ist sie ja aus dem Spiel, was aber kontraproduktiv ist. Denn wir wollen ja bei den Interaktionen mit Cedric und den Kindern ihre Entwicklung mitverfolgen, um am Ende das Gefühl zu haben, dass sie – entgegen dem ersten Eindruck – tatsächlich eine geeignete neue Mummy sein könnte. Hier wäre auch ein Deal zwischen den Kindern und Evangeline schön gewesen: Die Kleinen bringen ihr Lesen und Schreiben bei, im Gegenzug verspricht das Dienstmädchen Läuterung. Die Deadline – Heirat bis Ende des Monats – wäre noch dramatischer, wenn sie nicht eingehalten wird. Eine Reduktion der Fantasyelemente (Zauberei) hätte die Spannung gesteigert. Denn wenn alles möglich ist, macht man sich auch keine Sorgen mehr um die Protagonisten.
Fazit
„Eine zauberhafte Nanny“ hat das selbe Schicksal ereilt, wie die Mary-Poppins-Verfilmung, die die australische Romanautorin P. L. Travers als zu „süßlich“ empfand. Rotziger, frecher, britischer und weniger „zauberhaft“ wäre auch hier besser gewesen.