Die Exposition ist ein kleines Meisterwerk und deutet schon darauf hin, womit wir es in „Man on Fire“ zu tun bekommen: Mit einem exzellent gemachten, spannenden Thriller. Zudem gibt es ein klassisches Erzählmotiv, nämlich Rache und das wird auch noch – zumindest weitgehend – intelligent abgehandelt, also nicht im Stile von „Ein Mann sieht rot“.
Figuren
Eigentlicher Star des Films ist die neunjährige Pita Ramos (Dakota Fanning), die mit ihren unbekümmerten, unkorrekten Fragen dem zweiten Protagonisten, den desillusionierten Ex-Agenten John Creasy (Denzel Washington), das Leben schwer macht: „Hast du eine Freundin?“, „Ist das gut schwarz zu sein als Bodyguard in Mexiko?“ usw. Dabei steht Creasy das Wasser sowieso schon bis zum Hals. Eigentlich ist es eher der Whisky und nicht das Wasser, in dem er die Erinnerungen an die Untaten seiner Vergangenheit ertränken will. Er ist schon drauf und dran, sich aus dem Leben zu schießen, aber es hat noch mehrere Wendungen in petto. Erst klemmt die Kugel im Lauf seiner Waffe und dann entwickelt er auch noch Gefühle für die kleine Nervensäge.
Freundschaft
Das Schönste an diesem Rachethriller ist die Zeit, die er sich nimmt, um die Freundschaft zwischen beiden zu erzählen. Der Film ist schon zur Hälfte vorbei als Pita ihn soweit hat: „Sie haben eben gelächelt.“ – „Nein. Ich lächle nie.“ Aber Creasy kommt da nicht mehr raus. Die Kleine hat ihn um den Finger gewickelt, ihren großen, traurigen „Creasy-Bär“. Das ist einfach schön. Auf dem Höhepunkt ihrer Freundschaft schenkt Pita ihm einen silbernen Anhänger mit einer Abbildung des Heiligen Judas, dem Schutzpatron der hoffnungslosen Fälle. Nicht nur Creasy ist gerührt.
Form
Dramaturgisch fachgerecht wird an dieser Stelle die nächste Kehrtwendung vollzogen: Pitas Entführung und vermeintliche Ermordung im Zuge einer desaströsen Lösegeldübergabe. Die ganzen Wendungen und Überraschungen, bis hin zum dramatischen Ende, sind stets plausibel und eskalieren die Spannung. Die Montage und die Kameraarbeit sind herausragend. Die zeitweise angewendete fragmentarische Schnitttechnik inklusive Geschwindigkeitsmanipulationen sind hier kein Selbstzweck. Sie tragen zur Identifikation bei, zur Synchronisation der Gefühle. Wir sehen die Welt mit Creasys Augen: „Man on Fire“. Die Filmmusik ist schräge, einfach und genial. Sie ordnet sich stets dem Geschehen unter und versucht, seine Wirkung zu intensivieren. Und das gelingt ihr. Chapeau! Linda Ronstedts Version von „Blue Bayoo“ ist nicht minder brillant.
Schwachpunkte
Es gibt zwei Schwachpunkte in „Man on Fire“: Samuel Ramos (Marc Anthony) ist nie und nimmer Pitas Vater und schauspielerisch eine komplette Fehlbesetzung. Glaubt er denn allen Ernstes, dass die Kidnapper seine Tochter ungeschoren lassen, nachdem er zusammen mit seinem Anwalt die Hälfte des Lösegeldes abgezwackt hat? Der finanzielle Druck, der auf dem Vater lastet, wird nicht richtig transparent. Hat er in dieser Zwangslage nichts Besseres zu tun, als in der heimischen Villa Golf zu spielen, in der – warum auch immer? – dauernd dutzende von Kerzen brennen?
Das martialische Gerede von Pitas Mutter („Töte sie alle!“ und „Legen Sie ihn um!“) nervt einfach nur. Es passt auch überhaupt nicht zu ihrer seelischen Verfassung. Creasys Freund Paul Rayburn (Christopher Walken) bläst ins gleiche Horn: „Er (Creasy) ist dabei, sein Meisterwerk (das Töten) zu vollbringen.“ Im Grunde hätten sie in diesen Momenten einfach nur schweigen müssen. Weniger wäre mehr gewesen. Creasy hatte es vorher ja schon auf den Punkt gebracht: „Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert.“ Ansonsten macht es einfach Spaß, Tony Scott und seinem Team bei der Ausübung ihres Handwerks zuzuschauen.