The Irishman (Martin Scorsese) USA 2017

Je älter Martin Scorsese wird umso länger, langsamer und langweiliger werden seine Filme (s.a. „Killers of the Flower Moon“). Das Mafiaepos „The Irishman“ kommt auf eine Länge von dreieinhalb Stunden! Dahinter steckt vielleicht auch der Wunsch, den eigenen Werken die Bedeutung beizumessen, die ihnen gebührt. Leider bewirkt Scorsese damit exakt das Gegenteil. Diese Monumentalwerke sind meistens redundant und kontraproduktiv. Potenzgehabe? Neben handwerklicher Professionalität offenbart der Gangsterthriller eklatante dramaturgische Defizite. Alles ist interessant und gut gemacht, aber nicht sonderlich spannend. Emotionen weckt der Film eigentlich nur an einer Stelle.

Die Geschichte

Lastwagenfahrer Frank Sheeran (Robert De Niro) verkauft Teile seiner Fracht unter der Hand an die Mafia. So bekommt er Kontakt zu Mafioso Russell Bufalino (Joe Pesci), der ihm Aufträge als Geldeintreiber und Killer verschafft. Anfang der 60er Jahre wird Frank als Leibwächter für den Gewerkschaftsboss Jimmy Hoffa (Al Pacino) abgestellt, zu dem er im Laufe der Jahre eine enge Freundschaft entwickelt. Nach einer mehrjährigen Gefängnisstrafe begreift Hoffa nicht, dass seine Zeit als Gewerkschaftsführer vorbei ist. Nachdem er wiederholt die Mafiabosse gegen sich aufgebracht hat, erhält Frank den Auftrag, seinen Freund zu ermorden. Nach der Liquidierung werden Frank, Russell und weitere Clanmitglieder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Aus der Haft entlassen, verbringt Frank seine letzten Jahre, einsam und ohne Kontakt zu seiner Familie, in einem Altersheim.

Stärken

Wie in fast allen Filmen von Martin Scorsese sorgt ein Erzähler für den Einstieg in die Geschichte und in die Befindlichkeiten der Protagonisten. Das ist gut, hat eine literarische Qualität, sorgt für einen erzählerischen Rhythmus und manchmal sogar für Tempo. Die Schauspieler sind bis in die letzten Nebenrollen hervorragend gecasted. Es sind echte Typen mit Marotten und Eigenheiten. So legt zum Beispiel ausgerechnet der korrupte Jimmy Hoffa Wert auf Pünktlichkeit, auf angemessene Kleidung und pflegt eine Dickköpfigkeit, die ihm letztlich zum Verhängnis wird. Auch die Mafiosi stehen ihm in nichts nach und zeigen sich erstaunlich empfindsam. An Hoffas Widerspruchsgeist nervt sie seine „mangelnde Wertschätzung“.

Schwächen

Es gibt keine wirklichen Gefahren für den Protagonisten. Einmal wird Frank zum Chef des Bufalino-Clans zitiert. Aber da bekommt er eine zweite Chance, sein Startschuss als Mafiakiller. Das zweite Gefahrenmoment ist der Mordauftrag, der seinen Freund Jimmy Hoffa betrifft. Des Weiteren gibt es kein klassisches Erzählmotiv, was ein entschiedener Nachteil ist. Der Mafiathriller „Donnie Brasco“ von Mike Newell speist seine unglaubliche Spannung aus dem Erzählmotiv „Falsche Identität“ und natürlich aus Suspense. Beides suchen wir in „The Irishman“ vergeblich.

Emotionen

Im Grunde ist Frank kein tauglicher Held. Ohne dass seine inneren Zweifel transparent werden, schlüpft er bereitwillig in die ihm angetragene Rolle eines Mafiakillers. Er ist nichts weiter als ein treuer Gefolgsmann, ein williger Befehlsempfänger. Gerade der Mordauftrag an seinen Freund Jimmy Hoffa hätte nicht nur seine inneren Konflikte befeuern müssen, sondern auch die mit seiner Frau oder Freundin. Das alles bleibt ausgespart. Lediglich der Streit mit seiner Tochter Peggy, die Hoffa hatte, wird angerissen. Das ist aber zu wenig, um eine Nähe zu dieser Figur aufzubauen und Gefühle zu entwickeln. Hinzu kommt wieder das völlig deplatzierte Overacting von DeNiro, der ständig irgendwelche Grimassen schneidet. Das ist ein Störfaktor. Einmal ist sein Gesicht zur Maske erstarrt, als er kurz nach dem Mord an Hoffa mit Mafioso Russell im Auto heimfährt. Da bekommt man eine Ahnung, wie nahe ihm dieser letzte Mord geht. Das ist die Stelle, an der man auch begreift, was der Film alles links liegen lässt.

Lösung

Auf dieses dramatische Potenzial hätte Scorsese sich konzentrieren sollen: Franks Zwiespalt, der aus dem Auftrag der Mafiosi resultiert, seinen Freund Jimmy Hoffa zu liquidieren. Das ist das Drama. Das ist eine Zwickmühle, aus der es kein Entrinnen gibt. Diese innere Zerrissenheit hätte man aber zelebrieren müssen. Sie hätte auch Suspense geschaffen, ein elementarer dramatischer Baustein.

Fazit

„The Irishman“ ist ein handwerklich perfekt gemachter Gangsterfilm, der zwar interessant, aber viel zu lang ist und keine Emotionen weckt. Traue keinem Film über 120 Minuten Länge!

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für "The Irishman".

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