

Ein weiterer wichtiger Baustein sind gute Dialoge.
Aber was ist guter Dialog?
Er geht stets über das rein informative hinaus.
Er ist nie erklärend, nie direkt. Ein guter Dialog ist …
Geheimnisvoll
Wenn ein Dialog Rätsel aufgibt, für die es aber aller Wahrscheinlichkeit nach plausible Erklärungen gibt, dann wird der Zuschauer versuchen, das Rätsel zu lösen. Das ist gut!
Beispiel: In Taylor Sheridans „Wind River“ sucht der Held Cory Lambert irgendwann seine Ex-Frau Wilma auf.
Wilma (schaut auf den Horizont, nicht auf Cory): Du bist wieder draußen.
Cory (schweigt einen Moment, dann leise): Ich geh dahin, wo die Spuren hinführen.
Wilma: Und wenn die Spuren wieder zu unserer Tür zurückführen?
Cory: Dann mach ich diesmal nicht den Fehler wegzusehen.
Abgründig
Wenn ein Dialog die dunkle Vergangenheit eines Protagonisten erahnen lässt, dann will der Zuschauer die Zusammenhänge wissen. Das schafft Spannung.
Beispiel: In Roman Polanskis „Chinatown“ führt Detektiv Jake Gittes irgendwann ein Streitgespräch mit seiner Klientin Evelyn Mulray.
Jake: Ich lüge für Geld. Du lügst aus Angst. Was ist schlimmer?
Evelyn: Ich lüge, um zu überleben. Aber du, Jake … du belügst dich selbst, weil du denkst, du könntest irgendetwas retten, das längst verloren ist.
Anzüglich
Wenn ein Flirt zwischen Mann und Frau auf metaphorischer Ebene stattfindet, dann regt das die Phantasie an. Das schadet nie.
Beispiel: In Ernst Lubitschs „Ninotschka“ umgarnt Graf Léon die linientreue Kommunistin Ninotschka.
Léon (verbeugt sich leich): Nun, ich versichere Ihnen: Wenn ich erobere, dann stets mit größtem Respekt – und möglichst wenig Uniform.
Ninotschka (kurz zögernd, dann ein kaum merkliches Lächeln): Vielleicht … sollten Sie nicht nur die Uniform, sondern auch die Maske ablegen.
Léon (mit funkelnden Augen): Nur wenn Sie versprechen, dabei nicht gleich das System zu stürzen.
Gute Dialoge sind konfrontativ und schonungslos wie in Kurosawas „Die sieben Samurai“. Sie sind schlagfertig und schwarzhumorig wie in Wilders „Extrablatt“. Sie sind selbstironisch und witzig wie in Allens „Mach’s noch einmal Sam“.
Gute Dialoge sind indirekt und implizit, lakonisch und mehrdeutig. Sie enthalten Subtext, d.h. der Zuschauer wird zum Nachdenken angeregt. Er fungiert quasi als Detektiv und muss sich Zusammenhänge erschließen. Interessant ist, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Gute Dialoge sind nie tautologisch, d.h. sie wiederholen nicht Dinge, die man ohnehin erfahren hat. Dialoge können auch nonverbal sein. Ein Augenaufschlag, ein Achselzucken kann mehr sagen als ein langer Monolog.
BEISPIEL FÜR EINEN GUTEN DIALOG:
SIE: „Wenn ich irgendeinen Witz anfange, dann stiehlst du mir die Pointe. Wenn ich diät esse, dann nimmst du ab. Wenn ich mich erkälte – du hustest und wenn wir jemals ein Kind bekommen sollten, dann bist du wahrscheinlich die Mutter.“
ER: „Wenn ich der Vater bin, wäre ich zufrieden.“
(Eheszene aus „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch, 1941)
BEISPIEL FÜR EINEN SCHLECHTEN DIALOG:
ER: „Ich bringe dir eine kleine Überraschung mit.“
SIE: „Was denn?“
ER: „Sag ich nicht, sonst wär’s ja keine Überraschung.“
(Eheszene aus „The Power of the Dog“ von Jane Campion, 2021)
Howard Hawks hat einmal gesagt, dass er seine Filme für die paar Leute in einem vollbesetzten Kino macht, die am schnellsten denken können. Das sollte der Maßstab sein.