Der Killer (David Fincher) USA 2023

Fangen wir mal mit dem Positiven an: „Der Killer“ baut mit der inneren Stimme des Protagonisten, eines namenlosen Profikillers (Michael Fassbender), und seiner Visualität eine suggestive Stimmung auf. Die zieht einen, gerade zu Beginn, durchaus in den Bann. Mit der Perspektive des Helden, mit seinen Beobachtungen von Opfern und Unbeteiligten – teilweise durchs Fernrohr – macht der Thriller den Zuschauer zum Komplizen und zum Voyeur. Damit erinnert „Der Killer“ in seinen besten Momenten an „Das Fenster zum Hof“ von Alfred Hitchcock. Auch die Kameraarbeit und die Filmmusik sind exzellent. So weit, so gut.

Die Geschichte

Der Film ist in fünf Akte eingeteilt und erzählt die Geschichte eines missglückten Auftragsmordes. So gerät der Killer nun selber ins Visier seines Auftraggebers, der keine Spuren hinterlassen will. Dieser Auslöser für die Geschichte wirkt schon arg konstruiert, denn die Gefahr für den Auftraggeber und seinen wohlhabenden Kunden ist nur eine behauptete. Welche Gefahr sollte der Killer denn für die Hintermänner darstellen? Warum bekommt er keine zweite Chance, seinen Auftrag zu Ende zu führen? Der Film liefert darauf keine Antwort.

Rachefeldzug

Nun gut. Jedenfalls wird ein Anschlag auf die Datscha des Killers in der Dominikanischen Republik verübt, bei dem er dummerweise nicht anwesend ist. Dafür trifft es seine Freundin oder Haushälterin Magdalena (ihre Rolle ist unklar), die schwer verletzt wird. Jedenfalls zeigt der Killer an dieser Stelle ein einziges Mal Mitgefühl. Natürlich müssen die Urheber dieses Anschlags zur Rechenschaft gezogen werden, was sie in den nächsten Kapiteln denn auch zu spüren bekommen. Die einzige sympathische Figur dieses Films, der dominikanische Taxifahrer, wird natürlich vom Killer liquidiert.

Ungereimtheiten

Warum wird der Taxifahrer eigentlich ermordet? Wem und was sollte der denn jemandem erzählen? Warum werden die beiden „Profikiller“, die unserem Helden in der Dominikanischen Republik auflauern, nicht ihrerseits vom Auftraggeber liquidiert. Ihr Versagen ist doch viel gravierender als das unseres Killers, tödlich sozusagen. Warum benutzen diese beiden „Profikiller“ bei ihrem Anschlag ein öffentliches Taxi und kein Mietfahrzeug? Der Taxifahrer ist doch ein Zeuge, der ja dann auch plaudert. Warum machen die beiden Killer nach ihrem missglückten Anschlag nicht weiter Jagd auf unseren Helden? Warum erwarten sie ihn nicht irgendwann bei seinem Rachefeldzug? Das hätte doch die Spannung steigern können. 

Dramaturgie

Exakt zweimal gerät der Killer in Gefahr. Einmal als sein Beobachtungsposten in Paris durch einen Hausverwalter aufzufliegen droht. Aber der wirft nur einen Haufen Briefe in die leerstehenden Büroräume. Beim zweiten Mal ist es immerhin ein Kampf auf Leben und Tod mit einem seiner Berufsgenossen, der auf ihn angesetzt wurde. Dieser Kampf hat es an Intensität schon in sich und ist hervorragend inszeniert. Letztlich kann der Killer ihn für sich entscheiden. Wirklich Angst hat man auch bei diesem Kampf nicht um ihn, weil der Ausgang vorhersehbar ist. Damit hat es sich dann mit den Gefahrenmomenten. Für einen Thriller ist das ein bisschen wenig. Außerdem gibt es bei seiner Jagd keine Hindernisse, die größere Probleme darstellen. Unser Killer kann sich zu jeder noch so gesicherten Behausung Zugang verschaffen. Er kennt alle Tricks, hat überall Waffenlager und gefälschte Pässe. Überraschungen? Fehlanzeige.

Die Figuren

Was Fincher gut macht, ist die bedingungslose Konzentration auf den Helden. Es gibt kaum eine Einstellung, in der er nicht präsent ist. Das ist super. Aber dann wieder Finchers Probleme beim Aufbau tauglicher Figuren (s. „Gone Girl“). Der Killer ist nun wahrlich kein Sympathieträger, muss er auch nicht. Aber er sollte unser Interesse oder – im besten Fall – Emotionen wecken. Er sollte nicht eindimensional sein, nicht wie hier im Stile einer Maschine agieren und reagieren. Er könnte eine Entwicklung durchlaufen und sich im Improvisieren üben wie z.B. Turner in „Die drei Tage des Condor“. Von derartigen produktiven Eigenschaften ist hier weit und breit nichts zu sehen.

Phantasiefigur

Der Killer agiert viel zu märchenhaft. Er löst alle Probleme, die sich vor ihm auftun, zwar nicht adhoc, aber unaufhaltsam und mechanisch wie ein Schweizer Uhrwerk. Emotionen können so leider nicht entstehen. Die Namenlosigkeit des Helden ist Ausdruck der Distanz, die Fincher zu seinem Protagonisten aufbaut, der Empathie für Schwäche hält. Selbst beim Epilog, als der Killer neben der genesenden Magdalena auf einer Liege ruht, gibt es keine Berührungen. Alles so kalt hier. „Schätz dich glücklich, wenn sich unsere Wege niemals kreuzen“, sagt der Killer irgendwann im Voiceover. Leider kreuzen sich unsere Wege.

Lebensweisheiten

Endlich bekommen wir mal Einblicke in die Gedankenwelt von Profikillern. „Ich bin, was ich bin“, erfahren wir gleich zu Anfang. Klingt wie eine bemühte Rechtfertigung. „Es kommt auf die Vorbereitung an“, ist eines seiner Maxime oder „Vertraue niemandem“. Abgesehen davon, dass dieses Regelwerk bei seiner Profession nicht gerade originell ist, wird es ständig ad absurdum geführt. Wenn so eine Panne passiert, dann war er eben nicht perfekt vorbereitet. Da andere Profikiller seine Datscha heimsuchen, hat er offensichtlich den Falschen seine Adresse anvertraut. Wenn er mehrmals behauptet, dass ihm alles „scheißegal“ ist, dann könnte man ja auch einen anderen Job ausüben oder wie Auftraggeber Hodges vorschlägt, mit dem verdienten Geld einfach untertauchen. Nein, es ist ihm eben nicht alles „scheißegal“, schon gar nicht das viele Geld. Nur beim Zuschauer stellt sich irgendwann dieses Gefühl ein.

Fazit

Die Protagonisten müssen keinen irdischen Beschäftigungen nachgehen, um Interesse oder Gefühle zu erzeugen. Das können auch Profikiller leisten. „Léon – der Profi“ wäre ein Beispiel. „Der Killer“ ist verlorene Lebenszeit.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für Der Killer (David Fincher) USA 2023.

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