Der unheimliche Besucher (László Benedek) USA/S 1971

Dieser Rachethriller von László Benedek punktet mit seiner atmosphärischen Dichte, seiner Visualität und einem minutiös erzählten Gefängnisausbruch, der in der Filmgeschichte seinesgleichen sucht. Schon die ersten Bilder stimmen auf die düstere und kalte Atmosphäre des Films ein, was gleichzeitig eines seiner Defizite ist: Der Protagonist Salem (Max von Sydow) läuft nachts in Unterwäsche durch eine schneebedeckte Landschaft auf einen Ort zu. Dort entwendet er im Hause seines Schwagers, des Landarztes Dr. Arthur Jenks, einen Schlips und ein Spritzbesteck mit Chloroform. Anschließend steigt „Der unheimliche Besucher“ in das Haus seiner ehemaligen Freundin Britt und erwürgt sie.

Vorgeschichte

Nach und nach erfahren wir von den zurückliegenden Ereignissen: Vor Jahren lebte Salem mit seiner Schwester Ester (Liv Ullmann) und seinem Schwager auf einem Hof. Letztere planten einen Versicherungsbetrug, bei dem der ganze Hof in Brand gesteckt werden sollte. Ein Landarbeiter, zufälliger Zeuge der Verschwörung, wurde von Dr. Jenks erschlagen. Beweismittel wurden manipuliert und belasteten Salem. In einem Indizienprozess wurde er für schuldig befunden. Sein Anwalt plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit, weshalb Salem in eine nahe gelegene psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde. Dort klügelte er im Laufe von zwei Jahren einen raffinierten Racheplan aus. So weit die Vorgeschichte.

Geschichte

In der Anstalt gewinnt Salem das Vertrauen eines Wärters. Damit verbundene Freiheiten nutzt er für einen Fluchtplan, der ihm auch eine Rückkehr ermöglicht. Das perfekte Alibi: Ein Gefängnisinsasse kann außerhalb der Mauern keinen Mord verüben. Doch genau das macht Salem und hinterlässt am Tatort Indizien, die den Verdacht auf Dr. Jenks lenken. Bei seinem zweiten Ausbruch rächt er sich an Ester, beim dritten muss sein ehemaliger Anwalt dran glauben. Dabei versucht Salem jedes Mal, den Verdacht auf seinen Schwager zu verstärken. Derart in die Enge getrieben gesteht Dr. Jenks schließlich den Mord am Landarbeiter und die Manipulation von Beweismitteln. Sehr schön ist die Schlusspointe, die Salem doch noch überführt. Es ist der vermisste Papagei, der bei der Durchsuchung seiner Zelle anfängt zu plappern. Der hatte sich in einem Mantel versteckt, den „Der unheimliche Besucher“ bei seinem letzten Ausbruch im Hause seines Schwagers als Schutz vor der Kälte mitgenommen hat.

Schwachpunkte

Im Grunde gibt es keinen Sympathieträger. Die Ermordung mehrerer unsympathischer Personen wirkt nicht weiter dramatisch. Außer bei seinen Ausbrüchen kann man sich auch für Salem nicht weiter erwärmen. Zudem sorgt eine Fülle von Ungereimtheiten für unproduktive Irritationen. Wieso wurde die Tatwaffe beim Mord am Landarbeiter nicht nach Fingerabdrücken untersucht? Schwer zu glauben, dass ein bisschen Blut an Salems Jackett zur Verurteilung ausreicht? Was ist mit einem amtsärztlichen Gutachten? Was ist mit seiner Unschuldsbeteuerung? Hat er kein Alibi? usw. Überhaupt zeigt sich die Polizei unter Leitung ihres Inspektors (Trevor Howard) sehr empfänglich für Beweismanipulationen, was sie nicht besonders clever erscheinen lässt. Spurensicherer sind zu keiner Zeit an den verschiedenen Tatorten aktiv. Auch die Presse scheint die Ermordung von drei Frauen innerhalb kurzer Zeit nicht zu interessieren. Wieso ermordet Salem überhaupt seine ehemalige Freundin? Über ihre Mitschuld darf man allenfalls spekulieren.

Fazit

Schade, insgesamt überlagern die erzählerischen Einfältigkeiten die visuelle Kraft dieses doch etwas angestaubten Thrillers. Immerhin: Jeder, der diesen Gefängnisausbruch gesehen hat, wird ihn nicht mehr vergessen.

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