

Ein weiterer wichtiger Baustein sind gute Dialoge.
Aber was ist guter Dialog?
Er geht stets über das rein informative hinaus.
Ein guter Dialog ist …
Charakterkonsistent
Inkohärenz in der Charakterisierung verursacht schlechte Schwingungen. Es entstehen unproduktive Irritationen. Ein verbitterter, zynischer Kriegsveteran sollte sich entsprechend äußern und benehmen, bis zu seiner evt. Läuterung, die im Idealfall natürlich erst in der letzten Szene erfolgt.
Beispiel: In Clint Eastwoods „Gran Torino“ stellen die Nachbarn einen Korb mit Geschenken vor das Haus von Walt Kowalski.
Walt: Weshalb schleppt Ihr den ganzen Müll hier an?
Nachbarin: Sie haben Thao gerettet.
Walt: Ich hab niemand gerettet.
Nachbarin: Sie sind ein Held für uns.
Walt: Ich bin kein Held.
Irritierend
Im Gegensatz zu den unproduktiven Irritationen schaden produktive nie.
Beispiel: In Denis Villeneuves „Sicario“ befindet sich FBI-Agentin Kate nach einer Besprechung allein mit Alejandro im Raum.
Kate: Sie sind kein Amerikaner?
Alejandro: Nein.
Kate: Für wen arbeiten Sie jetzt?
Alejandro (seufzend): Ich gehe, wohin man mich schickt.
Kate: Und von wo hat man sie hergeschickt?
Alejandro: Cartagena.
Kate: Kolumbien.
Alejandro: Hören Sie, nichts ergibt einen Sinn für Ihre amerikanischen Ohren. Sie werden alles, was wir tun in Zweifel ziehen …
(er erhebt sich von seinem Stuhl) aber am Ende – werden Sie es verstehen …
Geheimnisvoll
Wenn ein Dialog Rätsel aufgibt, für die es aber aller Wahrscheinlichkeit nach plausible Erklärungen gibt, dann wird der Zuschauer versuchen, das Rätsel zu lösen. Das ist gut!
Beispiel: In Taylor Sheridans „Wind River“ sucht der Held Cory Lambert irgendwann seine Ex-Frau Wilma auf.
Wilma (schaut auf den Horizont, nicht auf Cory): Du bist wieder draußen.
Cory (schweigt einen Moment, dann leise): Ich geh dahin, wo die Spuren hinführen.
Wilma: Und wenn die Spuren wieder zu unserer Tür zurückführen?
Cory: Dann mach ich diesmal nicht den Fehler wegzusehen.
Abgründig
Wenn ein Dialog die dunkle Vergangenheit eines Protagonisten erahnen lässt, dann will der Zuschauer die Zusammenhänge wissen. Das schafft Spannung.
Beispiel: In Roman Polanskis „Chinatown“ führt Detektiv Jake Gittes irgendwann ein Streitgespräch mit seiner Klientin Evelyn Mulray.
Jake: Ich lüge für Geld. Du lügst aus Angst. Was ist schlimmer?
Evelyn: Ich lüge, um zu überleben. Aber du, Jake … du belügst dich selbst, weil du denkst, du könntest irgendetwas retten, das längst verloren ist.
Überraschend
Überraschungen sind sowohl in der Handlung als auch bei den Dialogen von Vorteil.
Beispiel: In Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“ warten Franks Leute, drei Revolverhelden, am Bahnhof Cattle Corner. Der einzige, der aussteigt, ist Mundharmonika.
Mundharmonika: Wo ist Frank?
1. Revolverheld: Frank hatte keine Zeit.
Mundharmonika: Habt Ihr ein Pferd für mich?
1. Revolverheld: Wenn ich mich hier so umsehe, dann sind nur drei da … Sollten wir denn tatsächlich eins vergessen haben?
Gelächter der anderen Revolverhelden, nur Mundharmonika verzieht keine Miene. Dann schüttelt er seinen Kopf.
Mundharmonika: Ihr habt zwei zu viel.
Entlarvend
Eine Demaskierung der wahren Natur oder Absicht einer Person oder eines Sachverhalts ist eigentlich immer interessant.
Beispiel: In Patrice Lecontes „Mein bester Freund“ hat der zynische Galerist Francois 10 Tage Zeit, um einen Freund zu finden und eine Wette zu gewinnen. Hilfe sucht er bei Taxifahrer Bruno.
Bruno: Gibt es jemand, den Sie um drei Uhr morgens anrufen können?
Francois: Nein. Den gibt es nicht. Nein.
Bruno: Auch nicht, wenn Sie ein großes Problem hätten?
Francois: Ich hab kein großes Problem.
Danny: Aber klar. Sie können niemand um drei Uhr morgens anrufen.
Suffisant
Schafft Mehrdeutigkeit und regt die Phantasie an.
Beispiel: In Woody Allens „Match Point“ flirtet Protagonist Chris Wilton mit der attraktiven Nola Rice.
Chris: Du weißt also wie du auf Männer wirkst?
Nola: Jeder denkt doch, dass ich was ganz Besonderes bin.
Chris: Bist du das denn?
Nola: Na, bis jetzt hat noch niemand sein Geld zurück verlangt.
Dabei lächelt Nola vielsagend.
Metaphorisch
Auch eine bildhafte, phantasievolle Liebeserklärung hat einen Eigenwert.
Beispiel: In Billy Wilders „Das Apartment“ verweigert Bud Baxter seinem Chef den Zugang zu seiner Wohnung, dass dieser für ein Liebesverhältnis mit der Angestellten Fran Kubelik nutzt. Daraufhin wird Bud gefeuert. Als Fran davon erfährt, eilt sie zu ihm.
Fran: Ich sehe, Sie haben Servietten gekauft.
Bud: Man kann sie auch weglassen.
Er trägt den Teller mit Spaghetti und Fleischsoße aus der Küche, stellt ihn auf den Tisch und streut etwas Käse darauf. Dann geht er zum Kaffeetisch, wo ein voller Martini-Krug bereitsteht, und füllt ein paar Gläser. Fran setzt sich an den Tisch.
Bud: Wissen Sie, ich habe wie Robinson Crusoe gelebt – schiffbrüchig unter acht Millionen Menschen. Dann, eines Tages, sah ich einen Fußabdruck im Sand … und da waren Sie …
Bud reicht ihr einen Martini.
Bud: Es ist eine wunderbare Sache… Abendessen für zwei.
Anzüglich
Wenn ein Flirt zwischen Mann und Frau ganz auf metaphorischer Ebene stattfindet, dann regt das die Phantasie an, was nie schadet. Je schmutziger, umso besser.
Beispiel: In Ernst Lubitschs „Ninotschka“ umgarnt Graf Léon die linientreue Kommunistin Ninotschka.
Léon (verbeugt sich leicht): Nun, ich versichere Ihnen: Wenn ich erobere, dann stets mit größtem Respekt – und möglichst wenig Uniform.
Ninotschka (kurz zögernd, dann ein kaum merkliches Lächeln): Vielleicht … sollten Sie nicht nur die Uniform, sondern auch die Maske ablegen.
Léon (mit funkelnden Augen): Nur wenn Sie versprechen, dabei nicht gleich das System zu stürzen.
Witzig
Ein guter Witz schadet nie.
Beispiel 1: In Loriots „Ödipussi“ ist der 56-jährige Paul Winkelmann (Loriot) Besitzer eines Stoff- und Möbelgeschäfts.
Paul Winkelmann: Sie sind jetzt 11 Jahre in meinem Geschäft und wissen nicht, wo die Preislisten liegen, Fäulein … na … äh … ?
Angestellte: Hagebusch.
Beispiel 2: In Woody Allens „Mach’s noch einmal Sam“ wird der Filmkritiker Allen Felix von seiner Frau verlassen. Seine Freunde Linda und Dick versuchen, ihn in seiner Wohnung aufzuheitern.
Linda: Das hat mir mein Psychiater mal gegen Migräne verschrieben.
Allen: Ich hatte auch mal Migräne, aber die hat mein Psychiater geheilt. Jetzt kriege ich nur noch nervösen Ausschlag.
Linda: Ich krieg sie immer noch. Besonders wenn ich mich aufrege.
Allen: Mir kann, glaube ich, nur ein Chirurg helfen mit’ner Gehirnoperation.
Linda: Ich fühl mich völlig hilflos, wenn mein Psychiater verreist ist.
Dick: Wisst Ihr was? Heiratet doch und zieht zusammen ins Krankenhaus.
Rotzfrech
Das hat einen Eigenwert. Subtext ist eben nicht alles.
Beispiel: In „Die Marx Brothers auf See“ drängt Groucho Marx sich beim Verlassen des Ozeandampfers zwischen zwei Reporter und einer Operndiva und übernimmt die Rolle des Interviewers.
Groucho: Stimmt es, dass sich Ihr Mann von Ihnen scheiden lässt, sobald er wieder sehen kann? … Stimmt es, dass Sie in einem Flohzirkus getanzt haben?
Operndiva: Das ist unverschämt. Wenn Sie nicht aufhören, rufe ich den Kapitän.
Lakonisch
Lakonie zeichnet sich durch eine kurze, knappe, auch spitze und treffende Bemerkung an der Grenze zur Ironie aus.
Beispiel: In Aki Kaurismäkis „Die andere Seite der Hoffnung“ unterhält Restaurantbesitzer Waldemar Wikström sich mit seinen Angestellten.
Waldemar: Kalle braucht dringend Papiere. Legal oder illegal.
Calamnius: Mein Neffe ist ein Genie.
Waldemar: Liegt wohl in der Familie?
Ironisch
Ironie ist verdeckter Spott, der das Gegenteil verbalisiert, was der Urheber denkt und der an den Humor des Gegenübers appelliert.
Beispiel: In Woody Allens „Der Stadtneurotiker“ spricht der Held Alvy Singer eine junge Frau auf einer Party an.
Woody: Wie heißen Sie eigentlich, wenn ich fragen darf?
Allison: Allison.
Woody: Äh, ja. Sie mögen jüdische, linksliberale intellektuelle New Yorker, die Central Park West Universität, die sozialistischen Sommerlager, und ein bisschen Rosa Luxemburg als Pin-Up-Girl an der Wand und vor allen Dingen jede Woche einen hübschen kleinen Streik gegen das Establishment. Stoppen Sie meinen Redefluss, bevor ich mich völlig zum Idioten mache.
Allison: Nein, es war wundervoll. Ich liebe es, zu einem kulturellen Stereotyp reduziert zu werden.
Selbstironisch
Selbstironie ist witzig und schafft Sympathien für den Protagonisten.
Beispiel: In Taylor Hackfords „Dolores Claiborne“ wird die gleichnamige Hauptdarstellerin des Mordes an ihrer Arbeitgeberin verdächtigt und vom Coroner verhört.
Coroner: Wir brauchen ein Haar von Ihnen, Mrs. Claiborne.
Dolores: Nehmen Sie so viel Sie wollen. An der Misswahl nehme ich in dieser Woche nicht teil.
Schlagfertig
Schlagfertigkeit ist Ausdruck geistiger Beweglichkeit. Sie verfügt ebenfalls über Eigenwert und spornt zum Mitdenken an.
Beispiel: In Sidney Lumets „Tödliche Entscheidung“ versucht Andy, seinen Bruder Hank zu einem Überfall auf das Juweliergeschäft ihrer Eltern zu überreden.
Andy: Ich dachte, du packst die Welt bei den Eiern. Hast du eigentlich noch welche?
Hank: Die hab ich, wenn ich sie brauche.
Sarkastisch
Sarkasmus ist eine Form von ungeschminkten, meist unkorrekten Äußerungen, auch von beißendem Spott, bei dem häufig das Gegenteil vom Gesagten gemeint ist. Er weckt Interesse an der Figur und seiner Vorgeschichte.
Beispiel: In „Besser geht’s nicht“ von James L. Brooks mimt Melvin Udall einen ebenso neurotischen wie zynischen Schriftsteller.
Junge Frau: Sie haben ja keine Ahnung, was Ihr Werk mir bedeutet. Wie können Sie nur so gut über Frauen schreiben?
Melvin: Ich stelle mir’n Mann vor und subtrahiere Verstand und Zurechnungsfähigkeit.
Die Gesichtszüge der jungen Frau fallen in sich zusammen.
Konfrontativ
Der Austausch von Höflichkeiten und Floskeln ist langweilig. Interessant ist die Herbeiführung von Auseinandersetzungen.
Beispiel: In Jonathan Demmes „Rachels Hochzeit“ begrüßt Rachel ihre alkoholkranke Schwester Kym.
Kym (umarmt ihre Schwester): Oh, mein Gott. Du siehst toll aus.
Rachel: Quatsch, ich bin total fett.
Kym: Nein. Gar nicht wahr.
Rachel: Nein, aber du … Ich geh jede Wette ein, dass du wieder kotzt.
Provokativ
Eine Provokation ist eine gezielte Herausforderung, eine Form der Manipulation, um eine Reaktion anderer Personen auszulösen.
Beispiel: In Michael Manns „Collateral“ ist Auftragskiller Vincent Fahrgast im Taxi von Max.
Vincent: Sieh in den Spiegel. Deine Papiertücher, dein Auto ist geputzt, irgend ein Limousinen-Service. Wie viel hast du gespart?
Max: Das geht dich überhaupt nichts an… Irgendwann, irgendwann wird mein Traum wahr werden.
Vincent: Eines Nachts wirst du aufwachen und feststellen, dass es zu spät ist. Dass sich dein Traum in Luft aufgelöst hat. Dein Wunsch wird sich nicht erfüllen, denn auf einmal bist du alt … und nichts ist passiert. Und es wird auch nichts mehr passieren, weil du es sowieso nie machen wolltest. Du schiebst deinen Wunsch in irgend eine Ecke deines Hirns und lehnst dich in deinen Sessel zurück und lässt dich den Rest deines Lebens vom Fernseher hypnotisieren. Du schaffst es nicht mal diese Frau anzurufen. Wieso zum Teufel fährst du immer noch dieses beschissene Taxi?
Schonungslos
In einer Filmerzählung schadet es nicht, wenn’s richtig zur Sache geht.
Beispiel: In Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“ klärt Kikuchiyo die Samurais auf.
Kikuchiyo: Was haltet ihr von Bauern? Denkt ihr, sie sind Heilige? Ha! Sie sind listige Biester! Sie sagen: Wir haben keinen Reis, kein Weizen. Wir haben nichts! Aber sie haben alles! Grabt unter den Böden! Oder durchsucht die Scheunen! Ihr werdet reichlich finden! Bohnen, Salz, Reis, Sake! Schaut in die Täler, sie haben versteckte Lagerhäuser! Sie geben sich als Heilige aus, aber sie sind voller Lügen! Wenn sie einen Kampf wittern, jagen sie die Besiegten! Sie sind nichts als geizige, gierige, heulende, listige und gemeine Kreaturen! Verdammt nochmal!
(Kikuchiyo wirft eine handvoll Pfeile in die Holzwand)
Kikuchiyo: Aber wer hat sie zu solchen Bestien gemacht? Ihr! Ihr Samurai habt es getan! Ihr verbrennt ihre Dörfer! Zerstört ihre Felder! Stehlt ihr Essen! Zwingt sie zur Arbeit! Nehmt ihre Frauen! Und tötet sie, wenn sie sich wehren! Was sollen Bauern tun?
(Kikuchiyo sinkt auf die Knie und beginnt unkontrolliert zu weinen)
Kambei Shimada (leise, nach einer langen Pause): Du warst der Sohn eines Bauern, nicht wahr?
Zynisch
Zynismus ist durch beißenden Spott geprägt, wobei die Gefühle des Gegenübers bewusst missachtet werden. Der Gipfel der Provokation.
Beispiel: In Roman Polanskis Meisterwerk „Der Tod und das Mädchen“ (Buch: Ariel Dorfman) trifft Paulina eines Nachts auf den Mann, der sie 15 Jahre zuvor gefoltert und vergewaltigt hat.
Roberto: Ich muss auf die Toilette.
Paulina: Pissen oder Scheißen?
Gerardo: Mein Gott, Paulina! Doktor Miranda, solche Worte hat sie noch nie in den Mund genommen –
Paulina: Der Doktor ist an diese Art Sprache gewöhnt … Was ist jetzt, Doktor? Vorne oder hinten?
Roberto: Im Stehen.
Paulina: Bind seine Füße los, Gerardo. Ich bring ihn raus.
Gerardo: Aber nein, ich mach das.
Paulina: Ich mach’s. Schau mich nicht so an. Es ist wahrlich nicht das erste Mal, dass er seinen – Schwanz vor mir rauszieht, Gerardo. Los, Doktor. Aufstehen. Ich will nicht, dass Sie auf meinen Teppich pissen.
Schwarzhumorig
Schwarzer Humor funktioniert immer und überall und hat einen hohen Eigenwert.
Beispiel: In Frank Capras „Arsen und Spitzenhäubchen“ rühmen die Tanten Abby und Martha ihren Spezialcocktail.
Martha: Erinnerst du dich an die Gläser mit Gift, die all die Jahre in Großvaters Labor standen?
Abby: Du weißt, dass deine Tante Martha ein Händchen fürs Mixen hat. Du hast genug von ihrem Piccalilli gegessen.
Martha: Nun, meine Liebe, für eine Gallone Holunderwein nehme ich einen Teelöffel Arsen, dann füge ich einen halben Teelöffel Strychnin hinzu. Und dann nur noch eine Prise Zyanid.
Mortimer: Mmmm! Sollte einen ziemlichen Kick geben.
Abby: Ja, einer unserer Herren hatte sogar Zeit, zu sagen: Wie köstlich!
Mortimer: Hat er das? Nun, war das nicht nett von ihm? (Dann wendet er sich beiden verzweifelt zu) Seht mal, so etwas könnt Ihr nicht tun! Ich weiß nicht, wie ich es Euch erklären soll. Aber es ist nicht nur gegen das Gesetz, es ist falsch!
Martha (gänzlich unbeeindruckt): Ach, Quatsch!
Hinterhältig
Hinterhältigkeit hat Eigenwert und Suspense.
Beispiel: In Billy Wilders „Extrablatt“ will Zeitungsverleger Walter Burns mit allen Mitteln die Heirat und die Kündigung seines besten Reporters Hildy Johnson verhindern. Dafür gibt er sich gegenüber dessen Verlobten als Hildys Bewährungshelfer aus.
Peggy: Um Gotteswillen. Was ist passiert?
Walter: Nun, da waren diese 16 Highschoolschülerinnen in der Halle und, na ja, Hildebrandt stand oben auf der Balustrade, bekleidet mit einer Regenpelerine, obwohl es überhaupt nicht regnete.
Peggy: Ist das neuerdings ein Verbrechen?
Walter: Wissen Sie, was er darunter trug? Schuhe und Socken …
Peggy: Und weiter?
Walter: Gar nichts. Wir kennen doch diese Exhibitionisten und ihre Tricks … (er öffnet und schließt mehrmals sein Anzugjackett)
Walter: Kommt Leute, schaut her!
Peggy (wendet sich stöhnend ab): Nein, das glaube ich einfach nicht.
Walter: Die Akte von ihm ist so dick.
(Mit Daumen und Zeigefinger zeigt Walter den Umfang an. Peggy seufzt erneut)
Peggy: Armer Hildy.
Walter: Sie sagen es. Er würde schon längst sitzen, wäre da nicht dieser Herausgeber, dieser Walter … äh …
Peggy: Walter Burns.
Walter: Ja genau. Der machte seinen Einfluss bei Staatsanwalt und Richter geltend. So etwas nenne ich einen wahren Freund …
(Das Klingeln des Telefons unterbricht ihn und der Schwindel fliegt auf)
Cool
Coolness kommt von Kühle, also Ruhe bewahren, keine Angst haben, lässig sein, häufig mit Selbstironie gepaart.
Beispiel: In Walter Hills „Last Man Standing“ kommt es zum finalen Duell zwischen John Smith und Hickey, der rechten Hand von Gangsterboss Doyle. Hickey wendet seinem Kontrahenten den Rücken zu und entfernt sich ein paar Schritte.
Hickey: Du wirst doch einen Mann nicht von hinten erschießen?!
John Smith: Ich hab schon Schlimmeres getan!
Dann erschießt er Hickey, bevor der ihm zuvorkommen kann.
mit Subtext versehen
Subtext impliziert eine zusätzliche Bedeutungsebene. Ihre Interpretation sorgt für Inspiration und Spannung.
Beispiel: In Francis Ford Coppolas „Der Pate“ empfängt Don Corleone seinen Patensohn Johnny Fontane. In seinem Büro tätschelt er dessen Wangen.
Don Corleone: Du siehst grauenhaft aus. Du musst gut essen. Und du musst schlafen, dann wird dir in spätestens einem Monat dieser große Hollywoodboss geben, was du willst.
Johnny: Zu spät. In einer Woche fangen sie an zu drehen.
Don Corleone: Ich mache ihm ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann.
Nonverbal
Die Krönung. Wenn sich die Gedanken und/oder Gefühle eines Protagonisten in seiner Mimik, Gestik, Proxemik (räumliches Verhalten, Nähe – Distanz), Handlung widerspiegeln. Wenn für das Verständnis einer Kommunikation kein einziges Wort vonnöten ist. Ein Augenaufschlag, ein Achselzucken kann mehr sagen als ein langer Monolog. Wie heißt es doch? Ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte.
Beispiel: In Clint Eastwoods „Gran Torino“ erhält der 80-jährige Walt Kowalski an seinem Geburtstag Besuch von Sohn und Schwägerin. Sie haben Prospekte von Seniorenheimen vor ihm ausgebreitet und versuchen, ihm einen Umzug schmackhaft zu machen. Walts Miene verfinstert sich zusehends. Schnitt. Außenaufnahme. Sohn und Schwägerin verlassen fluchtartig das Haus. Offensichtlich sind sie von Walt hinausgeworfen worden. Um dessen Gefühle zu verstehen, benötigt es keiner Worte.
SZENEN EINER EHE
Beispiel eines brillanten Dialogs
Szene aus dem US-amerikanischen Spielfilm „Sein oder Nichtsein“ (1942) von Ernst Lubitsch:
SIE: Wenn ich irgendeinen Witz anfange, dann stiehlst du mir die Pointe. Wenn ich diät esse, dann nimmst du ab. Wenn ich mich erkälte – du hustest und wenn wir jemals ein Kind bekommen sollten, dann bist du wahrscheinlich die Mutter.
ER: Wenn ich der Vater bin, wäre ich zufrieden.
Beispiel eines schlechten Dialogs
Szene aus dem neuseeländisch-australischen Spielfilm „The Power of the Dog“ (2021) von Jane Campion:
ER: Ich bringe dir eine kleine Überraschung mit.
SIE: Was denn?
ER: Sag ich nicht, sonst wär’s ja keine Überraschung.
Gute Dialoge sind nie …
erklärend (weil es langweilig wäre),
banal (weil es überflüssig wäre),
realistisch (es geht im Film nicht um eine Abbildung der Realität, sondern um eine dramatische Verdichtung, um „künstlerisch verdichtete Alltagssprache“ Möller-Naß),
tautologisch (niemand braucht eine Verdoppelung, also etwas zu hören, was man ohnehin sieht oder umgekehrt).
Beispiele für schlechte Dialoge
Szene aus dem geschwätzigen und langweiligen „Death Proof“ von Quentin Tarrantino. Die Kellnerin kommt mit Schnäpsen, die Kneipenchef Warren (gespielt von Tarrantino selbst!) spendiert hat.
Warren: Ich liebe diese Philosophie. Warren sagt es und wir tun es. Also dann, lasst es uns tun. Okay.
Butterfly: Was ist das?
Warren: Erst die Kurzen, dann die Fragen. Auf die Plätze und runter damit.
Alle trinken.
Warren: Na, ist das geniales Zeug oder ist das geniales Zeug, Freunde?
Butterfly: Was war’n das?
Warren: Chartreuse. Der einzige Likör, der so gut ist, dass man eine Fahne nach ihm benannt hat.
Gelächter.
Warren: Wer will noch einen Chartreuse?
Butterfly: Ich nicht. Ich geh lieber raus und rauch noch eine.
Warren: Okay, aber pass mit deinem Feuer auf. Fackel die Bude nicht ab … usw.
Szene aus Til Schweigers „Manta Manta – Zwoter Teil“. Jean Pierre Kraemer wird mit seinem Wagen und Freundin auf dem Beifahrersitz mit 200 km/h auf einer Landstraße geblitzt. Ein Polizist mit Motorrad stellt den Raser. Kraemer bittet seine Freundin, den zufällig im Cockpit herumliegenden Basketball unter ihr Kleid zu schieben, um eine Schwangerschaft vorzutäuschen.
Polizist: Leck mich am Arsch. Das ist doch JP Kraemer – oder?
Kraemer: Ja, dat isser. (Freundin lacht dümmlich)
Polizist: Ja, super. Ich bin ein Riesenfan von dir.
Kraemer: Das glaube ich dir, Kollege, aber meine Freundin ist schwanger. Schnallst du dat nich oder was?
Freundin: Das stimmt doch gar nicht. (Kraemer legt seiner Freundin einen Finger auf den Mund)
Polizist: Von dir oder …?
Kraemer: Nee, vom Pabst.
Freundin: Häh?
Polizist: Wie jetzt?
Kraemer (zum Polizisten): Sag mal, bist du zu oft vor’n Kühlschrank gelaufen oder was? Sag mal (Kraemer klopft auf den Basketball), sie ist schwanger. Wir müssen los!
Polizist: Kein Problem. Ich setz mich vor Euch und dann mach ich Euch die Bahn frei.
(Polizist wirft seine Radarpistole hinter sich aufs Feld)
Polizist: Hat jemand meine Radarpistole gesehen?
Kraemer (lachend): Ich hab sie nicht gesehen.
Freundin (zum Polizistzen): Häh? Aber du hast sie doch gerade ins Maisfeld geworfen.
Polizist (konsterniert): Was’n mit der los?
Kraemer (beschwichtigend): Sie kocht gut, okay.
Polizist: Dat ist das Wichtigste, näch.
Kraemer: Sag ich auch immer … usw.
Partyszene aus Maria Schraders „Ich bin dein Mensch„.
Dekan: Er kann doch sprechen – oder?
Tom (imitiert einen Roboter): Tom kann auch sprechen. Tom ist ein freundlicher Roboter.
Dekan: Sag mal, hat er mich jetzt gerade verarscht?
Alma: Ja.
Tom: Tut mir leid. War einfach so naheliegend … usw.
Gute Dialoge sind …
indirekt und implizit, geheimnisvoll und irritierend, lakonisch und mehrdeutig. Gute Dialoge sind eine unterhaltsame Codierung von Informationen. Sie können Subtext enthalten, also eine andere Bedeutungsebene, wodurch der Zuschauer zum Nachdenken angeregt wird. Er fungiert quasi als Detektiv und muss sich Zusammenhänge erschließen. Interessant ist, was zwischen den Zeilen gesagt wird.
„Ein guter Dialog macht deutlich, was die Menschen nicht sagen.“ Robert Towne, US-amerikanischer Drehbuchautor