Hunter Hunter (Shawn Linden) USA 2020

„Hunter Hunter“ ist zu zwei Dritteln ein spannender Survival-Thriller bis er dann im Schlussteil zum stupiden Splatterfilm mutiert. Damit erinnert er an den furchtbaren „Parasite“, der zu einer schwarzhumorigen Ausgangsidee, dann eine paranormale Ebene, dann noch eine Splatterebene usw. hinzufügt, so als würde man seinen Grundkomponenten nicht vertrauen. Aber ein guter Pizzateig besteht aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Das war’s. Eine Chilischote hat da nichts verloren. 

Stärken

Gerade mit seinen einfachen Zutaten gelingt es dem Film, eine sogartige Spannung zu erzeugen. Trapper Joseph Mersault lebt mit seiner Frau Anne und der 13-jährigen Tochter Renée in den Wäldern der ostkanadischen Provinz Manitoba. Sie sind Selbstversorger und leben weitgehend vom Pelzhandel. Die anfangs etablierte Gefahr resultiert aus der Anwesenheit eines marodierenden, gefräßigen Wolfs. Sehr schön ist zum Beispiel die Szene, als Anne Wasser vom nahen Fluss holen will. Auf dem Rückweg durch den Wald hört sie Geräusche. Sie beschleunigt ihre Schritte, bis sie schließlich anfängt zu laufen. Als sie das rettende Blockhaus erreicht, ist sie völlig außer Atem und das Wasser in den Eimern komplett verschüttet. Nicht minder spannend ist die Szene, als Joseph mit seiner Tochter auf der Jagd ist und Renée vorsichtshalber allein nach Hause schickt. Dieser Rückweg wird dramatisch vorbildlich zelebriert. 

Auch in „Hunter Hunter“ erweist sich das erzählerische Prinzip der Einheit von Zeit, Raum und Handlung als großer Vorteil. Sehr schön ist auch der angelegte Konflikt zwischen den Eheleuten. Während Anne für einen Umzug in die nahegelegene Stadt plädiert, wo Renée endlich auch zur Schule gehen könnte, fühlt Joseph sich in der Wildnis verwurzelt. Herausragend ist auch die Kameraarbeit von Greg Nicod und die Filmmusik von Kevin Cronin.

Schwächen

Verschiedene erzählerische Fäden führt der Regisseur nicht zu Ende. Einige aufgeworfene und nicht beantwortete Fragen erzeugen unproduktive Irritationen. Was sind dass für Opfer, die Serienkiller Lou auf der Lichtung im Wald getötet hat? Sind sie einzeln dorthin verschleppt worden? Wie lange liegen sie schon dort? Gibt es keine Suchaktionen nach den Vermissten? Wieso verschwindet der Wolf nach der Hälfte des Films sang- und klanglos von der Bildfläche? Am Ende wird auch Renée vom Killer getötet. Das ist aber, nach Hinweis von Meister Alfred Hitchcock, nichts anderes als „Verrat am Kino“. Also, wieso verrät Regisseur Linden seine Protagonisten? Die finale Mutation zum Splatterfilm ist ein erzählerischer Offenbarungseid.

Ungereimtheiten

Wieso gibt es eigentlich in Nordamerika so viele Serienmörder? Das ist genauso glaubwürdig, wie die Vielzahl von Psychokillern in skandinavischen Krimis, also zum Beispiel im Bullerbü-Land Schweden. Nachdem der schwerverletzte Lou von Anne versorgt wird, fragt man sich, wie er kurz darauf derart schnell wieder auf die Beine kommen kann? Schon eine wundersame Schnellheilung bis zu seiner Enthäutung.

Lösungen

Eine Variante von John Sturges’ „Jeopardy“ wäre die Lösung gewesen. Also, der komplette Verzicht auf überflüssige Serienkiller und seine Opfer. Alles Bullshit. Stattdessen: Zwei Gefahrenherde. Joseph tritt auf der Jagd in eine seiner Fallen und wird schwer verletzt. Bei ihm seine Tochter, die versucht, mit einem Gewehr im Anschlag den Wolf auf Abstand zu halten. Ehefrau Anne, über Funk vom Unfall verständigt, will Hilfe holen und gerät dabei in die Fänge eines Schwerverbrechers, der natürlich ganz andere Pläne hat, als Joseph und Renée zu retten. Mehr hätte man nicht gebraucht.

Fazit

Die abgeschmackten Zutaten machen dieses Gericht ungenießbar. Schade.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "Hunter Hunter".

Alien – Director’s Cut (Ridley Scott)

Ridley Scott ist genauso wie sein Bruder Tony ein Synonym für gut gemachte, spannende Unterhaltung. So auch in „Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“. Es beginnt mit Impressionen des Frachtraumschiffs Nostromo, mit unheilvollen Vorahnungen, dass dieser Triumph der Technik sich als Trugschluss erweisen könnte. So spannend die Exposition ist, deutet sie doch zugleich auf einen der Schwachpunkte des Films hin: Alles sehr technisch hier.

Die Geschichte

Die Einheit von Zeit, Raum und Handlung ist ein großer Pluspunkt, ändert aber nichts an der dünnen Story: Im Jahr 2122 empfängt die Nostromo mysteriöse Funksignale von einem kleinen Planeten. Ein Erkundungstrupp stößt dort auf auf unbekannte Lebensformen, die bei der Rückkehr mit an Bord des Raumschiffs gelangen. Es ist ein „Alien“, das nach und nach alle Besatzungsmitglieder tötet, bis auf Offizier Ellen Ripley (Sigourney Weaver), die sich im letzten Moment des Monsters entledigen kann.

Die Figuren

Zur Dominanz der Technik gehört auch das Fehlen von Beziehungen unter den Besatzungsmitgliedern. Es gibt ein bisschen Geplänkel von Parker und Brett über zu niedrige Prämien und eine Kontroverse über die Entscheidung von Captain Dallas, bei der Rückkehr des Suchtrupps geltende Quarantänevorschriften zu ignorieren. Aber, das war’s dann auch. Keine Liebes-, keine Familiengeschichten. Keine Geheimnisse, keine Backstories. Die Kälte des Weltalls scheint auch von der Crew Besitz ergriffen zu haben. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich der Wissenschaftler Ash als Roboter entpuppt. Eine wirklich interessante Person ist nicht an Bord. Ellen Ripley hätte es werden können, aber wir erfahren zu wenig von ihr.

Schwachpunkte

Ein weiterer Schwachpunkt ist das „Alien“, das hier als glibberiges, formänderndes Wesen in Erscheinung tritt. Letztlich ist es zu künstlich und zu amorph. Es ist zwar furchterregender als der Sandwurm in „Dune“, wozu aber nicht viel gehört. Aber es kann nicht ansatzweise dem „weißen Hai“, den Raptoren in „Jurassic Park“ oder den Krokodilen in „Crawl“ das Wasser reichen. Es fehlt das Figürliche. Ein weißer Hai ist ein weißer Hai. Er verändert seine Form genauso wenig wie seinen immensen Appetit.

Suspense

Des weiteren operieren die letzten drei Horrorfilme mit Suspense, d.h. der Zuschauer wird teilweise über die bedrohliche Anwesenheit des Raubtieres informiert, nicht aber der Protagonist. So wird Spannung natürlich vorbildlich eskaliert. „Alien“ operiert mit Überraschungen, etwa wenn das kleine Monster aus Kanes Bauch heraus ins Freie schlüpft. Diese Szene ist sehr schön retardiert. Ein Film mit Überraschungen ist natürlich nicht schlecht, aber was sind sie schon im Vergleich zu Suspense. Irgendwann erahnt man in „Alien“ auch das Unheil, etwa wenn Brett im Rumpf des Schiffes mit einem Flammenwerfer auf Jagd geht. Eine Überraschung, die man ahnt, ist aber auch keine Überraschung mehr.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für Alien.