Downsizing (Alexander Payne) USA 2017

Angesichts der brillanten Filme, die Alexander Payne zum Teil gedreht hat („The Holdovers“, „About Schmidt“), darf man schon enttäuscht sein. „Downsizing“ hat ein paar originelle und skurrile Szenen, ist aber ansonsten spannungsfrei. Das in der Grundidee enthaltene Konflikt- und Gefahrenpotenzial wird ignoriert. Die thematisierte Zivilisationskritik taugt vielleicht als wissenschaftliche Abhandlung, aber nicht als Grundlage einer dramatischen Filmhandlung. Dafür fehlen zu viele Zutaten (s. „Die 7 Säulen der Filmgestaltung“).

Die Geschichte

Ein Science-Fiction. Im Kampf gegen die Überbevölkerung entdecken norwegische Wissenschaftler die zelluläre Reduktion des menschlichen Körpers: Eine Körpergröße von 180 cm lässt sich auf 12 cm minimieren. Aus der Erfindung resultiert ein Geschäftsmodell. Slogan: „Wir retten uns selbst“. In einer Art Miniatur-Wunderland leben die Geschrumpften in purem Luxus, denn Verbrauch und Kosten reduzieren sich, während Erspartes nun ein Vielfaches wert ist. Ein verlockendes Modell, gerade für Interessenten, denen in der realen Welt Ungemach droht oder das Wasser schon bis zum Hals steht.  

Paul

Einer von diesen Aspiranten ist der Physiotherapeut Paul Safranek (Matt Damon), der mit seiner Frau Audrey in einem Eigenheim lebt und Schwierigkeiten hat, die Kredite zu tilgen. Die Aussicht auf ein sorgenfreies gemeinsames Leben gibt den Ausschlag bei ihrer Entscheidung zum Downsizing. Leider bekommt Audrey im letzten Moment kalte Füße und macht einen Rückzieher, während Paul die Transformation schon vollzogen hat. Das Luxusanwesen, in dem der kleine Paul nun residiert, ist kein wirklicher Trost für den Schicksalsschlag. Aber mit dem Leben auf „großem“ Fuß ist ein Jahr später, nach Scheidung und Gütertrennung, sowieso Schluss. Paul muss in ein Mietshaus ziehen und im Callcenter dazu verdienen.


In the Ghetto

Im neuen Wohnhaus lernt Paul den Nachbarn Dusan kennen, einen Schmuggler und Partyhengst. Nach einer durchzechten Nacht trifft Paul beim Nachbarn auf die vietnamesische Putzfrau Ngoc Lan Tran, mit der er sich anfreundet. So erfährt er zum ersten Mal von den Schattenseiten des Geschäftsmodells. Ngoc ist eine Dissidentin und wurde vom Regime mit einem Downsizing zum Schweigen gebracht. Sie lebt mit anderen Aussortierten in einem Ghetto, das Paul bei einem Besuch nun zum ersten Mal kennenlernt. Als sie erfahren, dass Dusan eine Reise nach Norwegen zur Gründungskolonie der Geschrumpften plant, schließen sie sich ihm an.

Norwegen

Auf einem Schiff, das einen Fjord passiert, kommen Ngoc und Paul sich zum ersten Mal näher. In der Gründungskolonie treffen sie auf den Arzt Jorgen, den Entdecker des Downsizing. Weil seine Erfindung missbraucht wurde, hat er sich aus Solidarität ebenfalls schrumpfen lassen. Doch nun ist die Kolonie durch austretende Methangase, dem die Kleinen schutzlos ausgeliefert sind, dem Untergang geweiht. Ein unterirdisches Gewölbe soll Zuflucht bieten. Während Paul sich den Flüchtenden anschließt, bleibt Ngoc zurück. Im letzten Moment macht Paul kehrt und gesteht ihr seine Liebe.

Schwächen

Die taugliche Grundidee enthält eigentlich jede Menge Gefahrenmomente. Ihre komplette Ignoranz ist schon fahrlässig. Die lebensbedrohlichen Umstände, die bei einer Flucht aus dem Miniatur-Wunderland resultiert wären, hätte man durchspielen müssen. Zu einer derartigen Exkursion hätte Paul, zum Beispiel bei seiner Trennung oder Scheidung, auch allen Grund gehabt. Umgekehrt: Welche Gefahren hätte das Eindringen von Insekten oder Haustieren für die Bewohner der Miniaturanlage bedeutet? All das wird leider ausgeklammert und hat auch zur Folge, dass man mit niemandem mitzittert. Für das dürftige Geschehen ist der Film auch viel zu lang.

Zeitliche Dichte

Ein weiterer Fehler des Films sind auch die großen Zeitsprünge. Payne beginnt seine Geschichte chronologisch und schafft damit Verständnis. Aber eine gute Erzählung benötigt keine Erklärungen. Im Gegenteil. Wie wär’s denn gewesen, wenn „Downsizing“ mit der Trennung oder Scheidung begonnen hätte. Der Zuschauer hätte lauter Fragen gehabt, auf die es zunächst keine Antworten gibt. Aber es hätte Spannung generiert: Produktive Irritation. Man bleibt bei der Stange, um die Antworten zu bekommen. Auch hier bewahrheitet sich das dramaturgische Postulat von Patricia Highsmith: „Eine gute Geschichte beginnt so nah wie möglich vor ihrem Ende“.

Die Figuren

Paul ist ein hilfsbereiter, freundlicher und bescheidener Zeitgenosse, der anfangs seine Mutter pflegt und eigene Interessen zurückstellt. Diese sympathischen Charaktereigenschaften erfahren leider keine Entwicklung. Damit bringt Paul aber nicht die erforderlichen Voraussetzungen für einen veritablen Helden mit (s. „Die Figuren“). Bis zum Ende bleibt er eigentlich ein Langweiler. Seine Ehefrau ist schnell aus dem Spiel. Sie ist nur der Katalysator der folgenreichen Entscheidung. Die Liebesbeziehung zu Ngoc ist eine behauptete. Welchen Grund hat er, sich in die beinamputierte und ziemlich ruppige Dissidentin zu verlieben? Mitleid ist kein Fundament, wie sie an späterer Stelle richtig anmerkt. Nachbar Dusan (Christoph Waltz) hat überhaupt keine Handlungsrelevanz.

Prototypen

In der Science-Fiction-Komödie „Liebling, ich hab die Kinder geschrumpft“ demonstriert Joe Johnston, wie Gefahrenmomente spannungssteigernd ins Spiel gebracht werden. Die Begegnungen mit Ameisen, Bienen oder Skorpionen sind natürlich lebensbedrohliche Situationen. So ist das richtig. In „Die Truman Show“ von Peter Weir wird der ahnungslose Protagonist zur Maximierung von Einschaltquoten in einer künstlichen Kleinstadt gefangen gehalten. Sein wachsendes Misstrauen, die in gefährlichen Fluchtversuchen münden, sind pure Dramatik. Das sind nur zwei Beispiele, an denen Payne sich gewinnbringend hätte orientieren können.

Fazit

„Downsizing Drama“ wäre ein passenderer Filmtitel gewesen, also geschrumpfte Spannung.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für Downsizing.

Alien – Director’s Cut (Ridley Scott)

Ridley Scott ist genauso wie sein Bruder Tony ein Synonym für gut gemachte, spannende Unterhaltung. So auch in „Alien – das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“. Es beginnt mit Impressionen des Frachtraumschiffs Nostromo, mit unheilvollen Vorahnungen, dass dieser Triumph der Technik sich als Trugschluss erweisen könnte. So spannend die Exposition ist, deutet sie doch zugleich auf einen der Schwachpunkte des Films hin: Alles sehr technisch hier.

Die Geschichte

Die Einheit von Zeit, Raum und Handlung ist ein großer Pluspunkt, ändert aber nichts an der dünnen Story: Im Jahr 2122 empfängt die Nostromo mysteriöse Funksignale von einem kleinen Planeten. Ein Erkundungstrupp stößt dort auf auf unbekannte Lebensformen, die bei der Rückkehr mit an Bord des Raumschiffs gelangen. Es ist ein „Alien“, das nach und nach alle Besatzungsmitglieder tötet, bis auf Offizier Ellen Ripley (Sigourney Weaver), die sich im letzten Moment des Monsters entledigen kann.

Die Figuren

Zur Dominanz der Technik gehört auch das Fehlen von Beziehungen unter den Besatzungsmitgliedern. Es gibt ein bisschen Geplänkel von Parker und Brett über zu niedrige Prämien und eine Kontroverse über die Entscheidung von Captain Dallas, bei der Rückkehr des Suchtrupps geltende Quarantänevorschriften zu ignorieren. Aber, das war’s dann auch. Keine Liebes-, keine Familiengeschichten. Keine Geheimnisse, keine Backstories. Die Kälte des Weltalls scheint auch von der Crew Besitz ergriffen zu haben. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich der Wissenschaftler Ash als Roboter entpuppt. Eine wirklich interessante Person ist nicht an Bord. Ellen Ripley hätte es werden können, aber wir erfahren zu wenig von ihr.

Schwachpunkte

Ein weiterer Schwachpunkt ist das „Alien“, das hier als glibberiges, formänderndes Wesen in Erscheinung tritt. Letztlich ist es zu künstlich und zu amorph. Es ist zwar furchterregender als der Sandwurm in „Dune“, wozu aber nicht viel gehört. Aber es kann nicht ansatzweise dem „weißen Hai“, den Raptoren in „Jurassic Park“ oder den Krokodilen in „Crawl“ das Wasser reichen. Es fehlt das Figürliche. Ein weißer Hai ist ein weißer Hai. Er verändert seine Form genauso wenig wie seinen immensen Appetit.

Suspense

Des weiteren operieren die letzten drei Horrorfilme mit Suspense, d.h. der Zuschauer wird teilweise über die bedrohliche Anwesenheit des Raubtieres informiert, nicht aber der Protagonist. So wird Spannung natürlich vorbildlich eskaliert. „Alien“ operiert mit Überraschungen, etwa wenn das kleine Monster aus Kanes Bauch heraus ins Freie schlüpft. Diese Szene ist sehr schön retardiert. Ein Film mit Überraschungen ist natürlich nicht schlecht, aber was sind sie schon im Vergleich zu Suspense. Irgendwann erahnt man in „Alien“ auch das Unheil, etwa wenn Brett im Rumpf des Schiffes mit einem Flammenwerfer auf Jagd geht. Eine Überraschung, die man ahnt, ist aber auch keine Überraschung mehr.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für Alien.

Dune (Denis Villeneuve) USA 2021

Jetzt weiß ich endlich, was die Voraussetzungen für eine Oscar-Nominierung 2022 sind: zwei Stunden Langeweile. „Dune“ von Denis Villeneuve erreicht sogar zweieinhalb Stunden. Trotz der dichten literarischen Vorlage von Frank Herbert schafft der Film es, keine Geschichte zu erzählen! Schon bemerkenswert. Die Zusammenhänge, die Vorgeschichte und die Motivationen der Figuren bleiben weitgehend im Unklaren. Nichts vom vorangegangenen Kampf der Menschen gegen Künstliche Intelligenz. Nichts von der tieferen Bedeutung des Spice-Abbaus auf dem Wüstenplaneten Arrakis. Es gibt kein erkennbares Bemühen um Verständnis.

Handwerk

Der Science-Fiction-Film kommt völlig spannungs- und humorfrei über die Runden. Der 400 Meter lange Sandwurm ist eine Lachnummer, aber doch keine Bedrohung (sehnsuchtsvolle Erinnerungen an den „Weißen Hai“ oder die Reptoren in „Jurassic Park“)! In „Dune“ dominieren die Special Effects, die Ausstattung und die Landschaftsaufnahmen, die ebenso bildgewaltig wie elegisch in Zeitlupe daherkommen. Zeitraffer wäre besser gewesen.

Da ist der Wurm drin

Der Held, der junge Herzog Paul Atreides, schaut beständig bedeutungsschwanger oder albtraumgebeutelt aus der Wäsche. Seine Mama hat etwas Schimärenhaftes, ohne leider jemals wirklich böse zu sein. Papa Leto bleibt schablonenhaft und blass. Mit wem oder was soll man denn hier mitzittern? Lediglich das Feuilleton sorgt für Erheiterung, indem es in seinen Kritiken Allegorien zu Kolonialismus, Kapitalismus, Umweltzerstörung, Abzug der Alliierten aus Afghanistan usw. erkennt. Immerhin kommt ZEIT ONLINE zum erkenntnisreichen Fazit: „Irgendwie ist der Wurm drin“. Aber was haben diese originellen Interpretationen mit dieser erbärmlichen Erzählung zu tun? „Dune“ ist nichts als eine pompöse Nullnummer. Da fehlt eigentlich nur noch einer. Genau. Unser Hänschen (Zimmer) ist auch noch mit von der Partie und drischt dann noch mal ordentlich auf die Pauke. Das passt schon perfekt zusammen: Schnickschnack par excellance. Beunruhigend ist nur die Ankündigung der Produktion, in naher Zukunft einen zweiten Teil zu drehen. Anfang dieses Jahres konnten Unerschütterliche sich von der Umsetzung dieser Drohung überzeugen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für Dune.