The Guilty (Antoine Fuqua) USA 2021

Immerhin gibt es in „The Guilty“ das Bemühen um einen Spannungsaufbau und keine Überlänge. Das ist das Positive. Ansonsten ist es ein Stelldichein von Psychopathen, die zu keiner Zeit Emotionen erzeugen. Das Geflenne von Officer Joe Baylor (Jake Gyllenhaal) im Finale überträgt sich leider nicht. Umgekehrt wäre es besser gewesen. Also emotionale Reduktion im Schauspiel, berührte Zuschauer. Woran liegt’s?

Remakes

Antoine Fuqua und Drehbuchautor Nic Pizzolatto sind versierte Handwerker. Das haben sie u.a. mit der 1. Staffel von „True Detective“ unter Beweis gestellt (s.a. „Tränen der Sonne“). Warum sich professionelle Filmemacher und gute Schauspieler wie Jake Gyllenhaal (s. „Nightcrawler“) an diesem defätistischen Unfug beteiligen, bleibt ihr Geheimnis. Die Vorlage des Dänen Gustav Möller ist für eine (Wieder-)Verfilmung völlig ungeeignet. Das liegt nicht nur an den quälenden „Ereignissen“ in einer Einsatzleitstelle des LAPD.

Psychopathen

Joe Baylor, der getrennt von Frau und Tochter lebt, kommt um 2 Uhr Nachts auf die Idee, seine Ex-Frau aus dem Bett zu klingeln, um mit seiner kleinen Tochter zu sprechen. Anstatt ihm die Leviten zu lesen, unterhält sie sich auch noch mit ihm. Klar, einem Psychopathen sollte man gut zureden, sonst kommt er womöglich auf noch abstrusere Ideen. Mit seinem Arbeitskollegen will Joe mal ein Bier trinken gehen, aber nur um an Informationen zu gelangen. Auch in „Nightcrawler“ spielt Jake Gyllenhaal einen Psychopathen, aber einen interessanten, einen faszinierenden. Das ist der Unterschied.

Kammerspiel

Ein weiterer gravierender Fehler ist die Ansiedlung der gesamten Handlung in einer Notrufzentrale. Durch die fehlenden Interaktionen erfahren wir von den anderen Personen einfach zu wenig. Hinzu kommt, dass ihre Stimmen am Telefon teilweise schwer verständlich sind. Vor allem wird damit aber die Möglichkeit verschenkt, Suspense aufzubauen. Bis auf seine dunkle Vorgeschichte wissen wir immer so viel oder so wenig wie Joe. Besser wäre aber ein Informationsvorsprung gewesen, um Spannung zu generieren. In „The Call – Leg nicht auf!“ demonstriert Brad Anderson, gerade durch die alternierenden Szenenwechsel, wie die Spannung auf die Spitze getrieben werden kann.

Gefahren

Joe hat eine dunkle Vergangenheit und wir ahnen, dass ihn dieser nächtliche Notruf läutern soll, was ja dann auch eintritt. Vorhersehbarkeit ist aber immer langweilig. Gefahren entstehen für Joe ansonsten keine. Eigentlich liegt das Spannungspotenzial in der Ankündigung der Psychopathin Emily, zu ihrer 6-jährigen Tochter Abby zurückzukehren. Da liegt die tödliche Gefahr, aber doch nicht in ihrer Drohung, von einer Brücke zu springen und schon gar nicht bei Joe. Daran ändert auch sein abgeschmacktes Schuldeingeständnis am Ende nichts. Katastrophenfilmer Louis Bloom aus „Nightcrawler“ zeigt am Ende, nachdem er seinen Partner zum „Wohle“ der Einschaltquoten geopfert hat, keine Reue.

Fazit

„The Guilty“ ist verlorene Lebenszeit. Selber schuld, wenn Ihr Euch diesen Film anschaut.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "The Guilty".

Berüchtigt (Alfred Hitchcock) USA 1946

„Berüchtigt“ (Notorious) von Alfred Hitchcock ist kein Krimi, auch kein Drama, am ehesten noch ein Spionagethriller, eigentlich aber ein Thrillermelodrama. Im Fokus stehen nämlich die Liebesgeschichte zwischen dem Geheimagenten Devlin (Gary Grant) und Alicia Huberman (Ingrid Bergmann) sowie die Gefahren, die aus ihrem Undercover-Einsatz resultieren. „Berüchtigt“ ist eines von Hitchcocks Meisterwerken und beruht auf einer Kurzgeschichte des Journalisten John Taintor Foote. Das Script stammt vom US-amerikanischen Autor Ben Hecht, der das Geheimnis guter Drehbücher wie folgt definiert hat: „Zwei Hunde, ein Knochen.“ „Berüchtigt“ ist eine Visualisierung seines Postulats, sowohl auf der Ebene des Melodramas als auch auf des Thrillers.

Die Geschichte

Der US-amerikanische Geheimdienst sucht Zugang zu einer Gruppe von Neonazis, die in Rio ihr Unwesen treibt. Agent Devlin wird auf die hübsche Alicia Huberman angesetzt, Tochter eines verstorbenen Nazis. Der ideale Köder. Die lässt sich auf das Doppelspiel ein. Zum einen will sie wieder gutmachen, was ihr Vater verbrochen hat, zum anderen verliebt sie sich in Devlin. In Rio lautet ihr Auftrag, sich an Alexander Sebastian, den Kopf der Naziclique, heranzumachen. Der Plan scheint aufzugehen, bis Alexander sie zur Heirat nötigt. Aus unterschiedlichen Gründen stellen Alicia und Devlin ihre Gefühle zurück. Die Heirat wird vollzogen. Doch Alexander kommt hinter das doppelte Spiel seiner Ehefrau und beginnt, in Zusammenarbeit mit seiner Mutter, Alicia zu vergiften. Im letzten Moment kann der misstrauische Devlin die Geliebte retten.

Klassisches Erzählmotiv

Meister Hitchcock wusste um das dramatische Potenzial der Vorlage: Ein Mann und eine Frau verlieben sich ineinander. Aus beruflichen Gründen muss er sich von ihr trennen, indem er sie einem anderen Mann zuführt. Das ist das Drama: Die Unmögliche Liebe (s.a. „Die Brücken am Fluss“, „La Strada“ usw.). Hier ein Konflikt zwischen Liebe und Pflichterfüllung. Für einen frühen Ausstieg aus den beruflichen Zwängen hätte ihre Liebe ein anderes Fundament bedurft, mehr Sicherheit, auch eine andere Zeit. Aber so müssen beide die größtmögliche Prüfung absolvieren. So hat Devlin eine Schuld auf sich geladen. Er war es, der Alicia zum Pakt mit dem Teufel verführt hat. Am Ende von „Berüchtigt“ gönnt Hitchcock dem Liebespaar ein Happy End, eine Wendung also. Aus der unmöglichen Liebe wird die mögliche: „Ich lass dich nie mehr allein.“ Das ist schön und haben sich beide auch verdient.

Suspense

Selbstredend gestaltet Hitchcock den Informationsfluss so, dass wir (die Zuschauer) die meiste Zeit mehr wissen, als Teile der handelnden Personen. Wir kontrollieren sozusagen das Geschehen. Wenn Alicia mit Alexander anbändelt, wissen wir um die Hintergründe. Vor allem wissen wir um die tödlichen Gefahren, die eine Enttarnung ihres Doppelspiels implizieren. Diese Gefahren werden von Hitchcock zum Teil genüsslich retardiert. Wenn sich beim Empfang in Alexanders Villa der Vorrat von auf Eis gelagerten Champagnerflaschen dem Ende zuneigt, wissen wir um die Konsequenzen. Denn der Schlüssel zum Weinkeller befindet sich gerade in Devlins Händen. Die Zwischenschnitte auf den schrumpfenden Vorrat sind das Damoklesschwert, das dicht über den Köpfen der Liebenden schwebt. So ist das richtig: Keine Rätselspiele, sondern Suspense! 

Die Figuren

Schon toll, wie Alicia als Femme fatale inszeniert wird: trinkfreudig, spitzzüngig und leicht bekleidet. Im Grunde eine sehr moderne Frauenfigur. Sehr schön sind auch ihre Ängste, dass Devlin sie in erster Linie als geeigneten Köder und als Schnapsdrossel sehen könnte. In gewisser Weise steht Devlin seiner interessanten Partnerin in nichts nach. Obwohl auch er sich sofort verliebt hat, verschanzt er seine Gefühle hinter dem Spionageauftrag: „Wisch die Tränen ab. Sie passen nicht zu dir.“ Die Offenbarung seiner Gefühle lässt er nicht zu, noch nicht. Die Wahrung der Fassade, die sich in Bitterkeit und Verachtung ausdrückt, lässt ihn schließlich verzweifeln. Er beantragt seine Versetzung nach Spanien. Erst im letzten Moment siegt sein Misstrauen: Sollte es andere Gründe für Alicias merkwürdiges Verhalten geben, als übermäßigen Alkoholkonsum?

Demgegenüber ist die Figur ihres Ehemanns schwach. Alexander Sebastian ist zu alt, um ernsthaft Alicias Partner zu sein. Er ist eher der väterliche Freund. Hier wäre ein gleichaltriger, d.h. gleichwertiger Rivale viel besser und dramatischer gewesen.

Weitere Schwachpunkte

Wenn Devlins Boss, Capt. Paul Prescott, beim ersten Dinner von Alicia mit Alexander ebenfalls im Restaurant erscheint, ist das viel zu gefährlich, zumal beide Männer sich ja – warum auch immer – aus der Vergangenheit kennen. Was will Prescott da überhaupt? Jedenfalls müsste Alexander sofort Verdacht schöpfen und diesem nachgehen. Damit wäre aber auch das ganze Unterfangen gescheitert.

Die Hochzeit von Alicia und Alexander wird einfach ausgeklammert. Gezeigt werden nur die Resultate: Einzug Alicias in die herrschaftliche Ville ihres Gatten, Empfang usw. Eine körperliche Annäherung zwischen den Eheleuten fällt unter den Tisch. Alexanders sexuelle Wünsche und Alicias Ablehnung wäre aber dramatisches Konfliktpotenzial gewesen, auch bei den geheimen Treffen mit Devlin. Seine süffisante Frage, wie es denn so in der Hochzeitsnacht war, darf man sich eigentlich nicht entgehen lassen, auch wenn das Geschehen vor 80 Jahren angesiedelt ist.

Die deutsche Synchronisation von 1951 machte aus der Naziclique ein Drogenkartell, aus dem Uranerz wurde Heroin. Das ist schon ein bisschen unbedarft, auch unfreiwillig komisch. Es weiß doch jedes Kind, dass südamerikanische Drogendealer anders aussehen als deutsche Nazis. Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee? Angeblich wollte der Verleiher aus pekuniären Gründen so kurz nach dem 2. Weltkrieg den Deutschen keine Geschichte mit bösen, bösen Nazis zumuten. Wäre denkbar. Ein anderer möglicher Grund könnte aber auch politische Einflussnahme gewesen sein, denn im Original wird die IG Farben namentlich erwähnt. Der seinerzeit weltgrößte Chemiekonzern hatte sich zahlreicher Kriegsverbrechen schuldig gemacht und wurde nach Kriegsende zerschlagen.

Fazit

Trotz seiner Defizite hat „Berüchtigt“ auch 80 Jahre nach seiner Herstellung nichts von seiner erzählerischen Kraft eingebüßt. „ ‚Berüchtigt‘ ist Hitchcocks Quintessenz.“ (Francois Truffaut)

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für Berüchtigt.

Barry Seal – Only in America (Doug Liman) USA 2017

„Barry Seal“ ist eine originelle Trickster-, Abenteurer- und Thrillerkomödie, die tragisch endet, also eine Tragikomödie mit einem Thrillerhintergrund. Sie spielt in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts und beruht auf wahren Begebenheiten. Aber anders als in „Spotlight“ von Tim McCarthy gibt es hier eine Geschichte, die in Rückblenden erzählt wird. Und diese Geschichte hat es in sich, genauso wie ihr Protagonist. Wenn mir früher bei meiner Tätigkeit als Drehbuch-Lektor ein derartiges Script untergekommen wäre, hätte ich es als völlig unglaubwürdig eingestuft und den Autoren des übermäßigen Drogenkonsums verdächtigt. Aber die Handlung ist so skurril, dass man sie sich eigentlich kaum ausdenken kann. Ein Indiz für ihre Realitätsnähe und für den Irrsinn US-amerikanischer Außenpolitik. Regisseur Doug Liman tat gut daran, sich eng an die wahren Begebenheiten zu halten.

Die Geschichte

USA 1986. Barry Seal (Tom Cruise) zeichnet seine Erlebnisse auf Video auf. Acht Jahre zuvor ist er mit kleinen Schmuggeleien bei seiner Arbeit als Flugkapitän ins Visier des CIA geraten. Die nötigen ihn zu Aufklärungs- und Transportflügen in mittelamerikanischen Staaten, „bei den Feinden der Demokratie“. Vorbehalte von Ehefrau Lucy weiß Barry zu zerstreuen. Aber was relativ harmlos anfängt, entwickelt sich zu einem Lieferservice für Schwarzgeld und Rauschgift. Während einer Razzia bei kolumbianischen Drogenbossen wird Barry von der Armee verhaftet. Die CIA erwirkt seine Freilassung. Dieses Mal nötigen sie ihn, in Nicaragua für die Contras zu spionieren. Die sind allerdings eher am Rauschgifthandel interessiert als an politischen Kämpfen.

Drogengeld

Das Geschäft boomt und Barry weiß gar nicht, wohin mit dem ganzen Geld. Schwierigkeiten treten erst auf, als Lucys jüngerer Bruder verhaftet und – kaum wieder auf freiem Fuße – vom Drogenkartell liquidiert wird. Spätestens jetzt merkt Barry, dass er hier in ein tödliches Spiel geraten ist, aus dem es keinen Ausstieg gibt. Kurz darauf wird er bei einer Razzia auf seinem Firmengelände in den USA festgenommen. Seinen Kopf kann er gerade noch aus der Schlinge ziehen, indem er sich für eine Antidrogenkampagne des Weißen Hauses einspannen lässt. Dummerweise werden, entgegen den Absprachen, heimlich aufgenommene Fotos vom Rauschgiftgeschäft im amerikanischen Fernsehen veröffentlicht. Damit ist die Jagd der Drogenbosse auf Barry eröffnet, die ihn schließlich 1986 in Arkansas liquidieren.

Die Figuren

Schon das Opening charakterisiert Barry vortrefflich: Als zweiter Flugkapitän eines Passagierjets schaltet er den Autopiloten aus und hat seine diebische Freude daran, die Fluggäste ein bisschen durchzuschütteln. Sein Hang zu Unkorrektheiten und Wagemut wird mit einer gehörigen Portion Naivität kombiniert. Barry ist nicht der Hellste unter der Sonne, aber er ist stets freundlich, liebt das Fliegen, seine Frau Lucy und seine Kinder. Er ist ein Schlawiner, eine interessante und prägnante Figur, die unsere Sympathien weckt. Und Tom Cruise spielt diesen Trickster ähnlich brillant wie den Dating-Coach Frank Mackey in „Magnolia“.

Ehefrau Lucy ist ebenfalls einfach gestrickt. An der Teilnahme einer feucht-fröhlichen Sause beim kolumbianischen Drogenkartell kann sie nichts Anrüchiges finden. Im Gegenteil. Ein kleiner Quickie mit Barry während des Rückflugs zeigt ihre Begeisterung für seine beruflichen Ausschweifungen. Am Ende bringt Barry Frau und Kinder aus dem Schussfeld, indem er sie überredet, zurück nach Baton Rouge zu ziehen.  Er weiß nur zu gut, was ihn erwartet. Auch das ist schön und trägt zur Identifikation mit dem Helden bei. Überhaupt ist die ganze Besetzung der Schauspieler bis in die kleinsten Nebenrollen einfach hervorragend. „JB“, Lucys etwas unterbelichteter Bruder, spielt einfach genial.

Schwachpunkte

Man hat nie wirklich Angst um Barry. Sein Überlebenskampf ist originell, auch schwarzhumorig, aber – bis aufs Ende – nie dramatisch. Bei Schwierigkeiten demonstriert er seine Qualitäten als Stehaufmännchen. Das Komödiantische überwiegt, wobei das ja auch dramatisch sein könnte (siehe z.B. „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch). Vielleicht hätten wir auch etwas mehr erfahren können über Barry oder seine Ehe (wie z.B. in „Donnie Brasco“). Da gibt es eine sehr schöne Szene, als Donnie beim Paartherapeuten seiner Frau gesteht – was er eigentlich nicht darf -, dass er als Undercover-Agent fürs FBI arbeitet. Natürlich glaubt ihm niemand. Ähnliches hätte man sich auch in „Barry Seal“ gewünscht. Da geht die Beichte nahezu unter. Im Vordergrund stehen die Abenteuer.

Tiefgang

Die limitierte Dramatik drückt sich auch in Barrys Umgang mit dem Drogenhandel aus. Alles sehr verniedlichend. Dabei schafft er Unmengen von Rauschgift ins Land mit verheerenden Auswirkungen für die Konsumenten. Für Barry ist das kein großes Ding. Hier hätte man sich einen Gewissenskonflikt vorstellen können mit seiner Entscheidung zum Ausstieg. Die Drogenbosse und das CIA hätten ihm die Unmöglichkeit seiner Wahl schnell klargemacht. Barry in der Zwickmühle. Es hätte die emotionale Nähe zur Hauptfigur intensiviert. Das wär’s gewesen.


Iran-Contra-Affäre

Mehr als nur eine Fußnote. Das muss man sich mal reinziehen: Die CIA tätigte 1985 geheime Waffenverkäufe mit dem Iran, also das Land, in dem 6 Jahre zuvor 52 Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Geiselhaft genommen wurden. Hinzu kam, dass der Iran gerade Krieg mit dem Nachbarstaat Irak führte. Dessen Machthaber Saddam Hussein wurde wiederum von den USA unterstützt, bis sie ihn später bekriegten. Für die Zwischenlandungen bei den Waffenlieferungen nutzten die Amerikaner israelische Flughäfen, also Gebiete des Erzfeindes des Irans. Mit dem Geld aus den Waffenverkäufen unterstützten die USA nun die Contras in Nicaragua bei ihrem Kampf gegen die Sandinisten. Die wiederum benutzten das Geld für Drogengeschäfte und schmuggelten das Rauschgift mit Wissen der amerikanischer Behörden wieder in die USA. De facto betätigten sich die Amerikaner also als Waffen- und Drogenhändler im großen Stil. 

Fazit

„Barry Seal“ ist eine sehr unterhaltsame, schwarzhumorige Tricksterkomödie mit ausbaufähigem Tiefgang.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für "Barry Seal".

Charley Varrick – Der große Coup (Don Siegel) USA 1973

„Charley Varrick“ hat auch 50 Jahre nach seiner Herstellung nichts von seiner dramatischen und atmosphärischen Dichte eingebüßt. Der Gangsterthriller punktet mit einer raffinierten Geschichte und originellen Regieeinfällen. Wieder mal erweist Don Siegel sich als Meister harter Actionfilme, der um jeden Preis unterhalten will. Das ist gut und das gelingt ihm, auch wenn die psychologische Auslotung seiner Figuren nicht zu seinen Kernkompetenzen zählt.

Die Geschichte

Charley Varrick (Walter Matthau), Ehefrau Nadine und zwei Komplizen sind Bankräuber, die sich auf Überfälle kleinerer Geldhäuser spezialisiert haben. Diese Ausgangssituation hat u.a. David Mackenzie in „Hell or High Water“ kopiert. Charleys Bande hat sich eine kleine Privatbank in Tres Cruces (New Mexico) ausgesucht. Allerdings läuft der Coup mit einer Schießerei und vier Toten völlig aus dem Ruder. Nadine erleidet einen Bauchschuss und stirbt auf der Flucht. Charley und sein verbliebener Komplize können erst mal untertauchen. Während in den Nachrichten die gestohlene Summe mit 2.000 Dollar angegeben wird, haben sie tatsächlich eine drei Viertel Million erbeutet. Dabei handelt es sich um geparktes Geld der Mafia, die nun Killer Molly auf die Bankräuber ansetzt.

Stärken

Der spannende, dichte Plot beruht auf dem Roman „The Looters“ von John Reese. Immer wieder gibt es überraschende, aber plausible Wendungen, die die Spannung eskalieren. Immer wieder gibt es produktive Irritationen, die allesamt erzählerisch aufgelöst werden. So versteht man zum Beispiel zunächst nicht, warum Charley Varrick beim nächtlichen Einbruch in der Praxis seines Zahnarztes nicht nur die Röntgenaufnahmen seiner verstorbenen Frau entwendet, sondern auch seine mit denen seines Komplizen vertauscht. Der Sinn wird erst beim Showdown deutlich, als Charley Varrick seinen Verfolger mit einer Sprengladung ins Jenseits befördert. Die war nämlich im abgestellten Wagen mit der Leiche seines getöteten Partners deponiert. Damit wird die gerichtsmedizinische Untersuchung auch Charley Varrick als Toten identifizieren. Jetzt hat er nicht nur die Beute, sondern auch die Mafia ein für allemal abgeschüttelt.

Sehr schön ist auch die Atmosphäre, die der Thriller aufbaut. Immer wieder gibt es witzige und skurrile Momente – ein wohltuender Kontrast zu den teilweise harten Actionszenen. Auch die jazzartige Filmmusik von Lalo Schifrin trägt zum 70er-Jahre-Flow bei.

Schwächen

So gekonnt der Plot konstruiert ist, so schablonenhaft agieren die Personen. Das beginnt mit dem Tod von Charleys Ehefrau Nadine. Nachdem sie mitsamt Fluchtwagen verbrannt wird, geht Charley Varrick schnell wieder zur Tagesordnung über. Das ist aber weder glaubhaft noch dramatisch. Dass man nach dem Verlust eines geliebten Menschen eigentlich schwer wieder zur Tagesordnung übergehen kann, demonstriert zum Beispiel Taylor Sheridans Thriller „Wind River“.

Klischees

Überhaupt agieren alle Figuren zu klischeehaft. Charley Varrick ist zu cool, sein Partner zu einfältig. Mafioso Molly ist eigentlich nur eitel und sadistisch. Er schlägt zum Beispiel Frauen, um sie sich gefügig zu machen. Das FBI darf nicht ermitteln, weil hier eine Privatbank überfallen wurde. Der zuständige Sheriff und seine Leute agieren eher im Stile einer deutschen Mordkommission, also umständlich und korrekt. Von ihnen geht eigentlich keine Gefahr aus, was dramaturgisch natürlich nicht so toll ist.

Fazit

 Ein vielschichtiger Plot kollidiert mit eindimensionalen Figuren – Der kleine Crash.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Charley Varrick".

Hunter Hunter (Shawn Linden) USA 2020

„Hunter Hunter“ ist zu zwei Dritteln ein spannender Survival-Thriller bis er dann im Schlussteil zum stupiden Splatterfilm mutiert. Damit erinnert er an den furchtbaren „Parasite“, der zu einer schwarzhumorigen Ausgangsidee, dann eine paranormale Ebene, dann noch eine Splatterebene usw. hinzufügt, so als würde man seinen Grundkomponenten nicht vertrauen. Aber ein guter Pizzateig besteht aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe. Das war’s. Eine Chilischote hat da nichts verloren. 

Stärken

Gerade mit seinen einfachen Zutaten gelingt es dem Film, eine sogartige Spannung zu erzeugen. Trapper Joseph Mersault lebt mit seiner Frau Anne und der 13-jährigen Tochter Renée in den Wäldern der ostkanadischen Provinz Manitoba. Sie sind Selbstversorger und leben weitgehend vom Pelzhandel. Die anfangs etablierte Gefahr resultiert aus der Anwesenheit eines marodierenden, gefräßigen Wolfs. Sehr schön ist zum Beispiel die Szene, als Anne Wasser vom nahen Fluss holen will. Auf dem Rückweg durch den Wald hört sie Geräusche. Sie beschleunigt ihre Schritte, bis sie schließlich anfängt zu laufen. Als sie das rettende Blockhaus erreicht, ist sie völlig außer Atem und das Wasser in den Eimern komplett verschüttet. Nicht minder spannend ist die Szene, als Joseph mit seiner Tochter auf der Jagd ist und Renée vorsichtshalber allein nach Hause schickt. Dieser Rückweg wird dramatisch vorbildlich zelebriert. 

Auch in „Hunter Hunter“ erweist sich das erzählerische Prinzip der Einheit von Zeit, Raum und Handlung als großer Vorteil. Sehr schön ist auch der angelegte Konflikt zwischen den Eheleuten. Während Anne für einen Umzug in die nahegelegene Stadt plädiert, wo Renée endlich auch zur Schule gehen könnte, fühlt Joseph sich in der Wildnis verwurzelt. Herausragend ist auch die Kameraarbeit von Greg Nicod und die Filmmusik von Kevin Cronin.

Schwächen

Verschiedene erzählerische Fäden führt der Regisseur nicht zu Ende. Einige aufgeworfene und nicht beantwortete Fragen erzeugen unproduktive Irritationen. Was sind dass für Opfer, die Serienkiller Lou auf der Lichtung im Wald getötet hat? Sind sie einzeln dorthin verschleppt worden? Wie lange liegen sie schon dort? Gibt es keine Suchaktionen nach den Vermissten? Wieso verschwindet der Wolf nach der Hälfte des Films sang- und klanglos von der Bildfläche? Am Ende wird auch Renée vom Killer getötet. Das ist aber, nach Hinweis von Meister Alfred Hitchcock, nichts anderes als „Verrat am Kino“. Also, wieso verrät Regisseur Linden seine Protagonisten? Die finale Mutation zum Splatterfilm ist ein erzählerischer Offenbarungseid.

Ungereimtheiten

Wieso gibt es eigentlich in Nordamerika so viele Serienmörder? Das ist genauso glaubwürdig, wie die Vielzahl von Psychokillern in skandinavischen Krimis, also zum Beispiel im Bullerbü-Land Schweden. Nachdem der schwerverletzte Lou von Anne versorgt wird, fragt man sich, wie er kurz darauf derart schnell wieder auf die Beine kommen kann? Schon eine wundersame Schnellheilung bis zu seiner Enthäutung.

Lösungen

Eine Variante von John Sturges’ „Jeopardy“ wäre die Lösung gewesen. Also, der komplette Verzicht auf überflüssige Serienkiller und seine Opfer. Alles Bullshit. Stattdessen: Zwei Gefahrenherde. Joseph tritt auf der Jagd in eine seiner Fallen und wird schwer verletzt. Bei ihm seine Tochter, die versucht, mit einem Gewehr im Anschlag den Wolf auf Abstand zu halten. Ehefrau Anne, über Funk vom Unfall verständigt, will Hilfe holen und gerät dabei in die Fänge eines Schwerverbrechers, der natürlich ganz andere Pläne hat, als Joseph und Renée zu retten. Mehr hätte man nicht gebraucht.

Fazit

Die abgeschmackten Zutaten machen dieses Gericht ungenießbar. Schade.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "Hunter Hunter".

Adieu, Bulle (Pierre Granier-Deferre) F 1975

Die Franzosen haben es schon drauf mit ihren Krimis. „Adieu, Bulle“ ist eine unkonventionelle, spannende Genremixtur aus Krimi und Thriller von Pierre Granier-Deferre. Ein Polit- und Copthriller, der vor allem durch seine originellen und schrägen Figuren lebt, die die Handlung mit schnodderigen Dialogen kompromisslos vorantreiben. „Adieu, Bulle“ ist ein harter und brisanter Film. In den Schießereien bleiben sowohl einige Gangster als auch Polizisten auf der Strecke. Inhaltlich behandelt er die illegale Verquickung von Politik, Justiz und Ermittlungsbehörden, also Korruption. Heutzutage hätten noch die Lobbyisten ihre Finger mit im Spiel. Aktuell ist die Thematik allemal.

Die Geschichte

Während eines Wahlkampfes wird eine Gruppe von Plakatierern von Gangstern überfallen. Dabei wird einer der Angegriffenen getötet ebenso wie ein herbeigeeilter Kripobeamter. Der kann allerdings vor seinem Ableben noch den Mörder identifizieren: Portor. Kommissar Verjeat (Lino Ventura) und sein Team um Inspector Lefèvre (Patrick Dewaere) blasen zur Jagd, wobei sie wenig zimperlich vorgehen. Schnell wird klar, dass der aalglatte Politiker Lardatte seine Finger im Spiel hat. Der versucht, sich seines Verfolgers zu entledigen, indem er dessen Versetzung erwirkt. Aber durch einen fingierten Korruptionsskandal erreicht Verjeat einen Aufschub. Den nutzt er, um Portor und Lardatte trickreich in die Falle zu locken.

Die Figuren

Kommissar Verjeat ist mürrisch, grimmig, stoisch und schlagkräftig – in doppelter Hinsicht. Vor dem Präsidium herumlungernde Harekrishna-Anhänger befördert er schon mal einen nach dem anderen auf die Straße. Verjeat ist nicht korrumpierbar und nimmt kein Blatt vor den Mund. „Mit Kriminellen umzugehen, ist etwas anderes als mit Politikern“, belehrt ihn Polizeichef Ledoux. „Sie werden mir eines Tages sicher den Unterschied erklären“, kontert Verjeat.

Ihm zur Seite agiert der nicht mInder originelle Lefèvre, der sich anfangs bitter darüber beklagt, dass eine Bordellchefin sie bei Ermittlungen „nicht schmieren“ wollte. Er ist ein Draufgänger, immer gut für eine ausgefallene Idee. Die beiden passen gut zusammen, auch wenn Verjeat ihn einmal ohrfeigt oder für verrückt erklärt. Lefèvre versteht, dass es väterlich gemeint ist. Dafür spart er seinerseits nicht mit guten Ratschlägen für seinen Chef: „Sie setzen gerade ihre Pension aufs Spiel.“ Den beiden schaut man einfach gerne zu, wie sie sich durch dieses Dickicht von Filz und Korruption schlagen.

Finale

Das Ende ist lakonisch und passt zum Grundtenor des Politthrillers. Portor hat Lardatte als Geisel genommen. Wieder soll Verjeat – wie zu Beginn schon einmal – die Geiselnahme gewaltfrei lösen. Aber er hat keine Lust mehr, für seine alten Kollegen und vor allem für Lardatte die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Verjeat beruft sich auf seine Versetzung und verlässt einfach den Tatort: „Adieu, Bulle“. Wir werden ihn vermissen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für "Adieu, Bulle".

Der Hund, der Herr Bozzi hieß (Ladislao Vajda) I/E 1957

„Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ ist eine wundervolle, kleine Mystery-Thrillerkomödie. In ihrer Anlage ähnelt sie Frank Capras „Ist das Leben nicht schön?“: Eingeführt von einem Off-Erzähler werden neorealistische Elemente mit märchenhaften gekreuzt. Sehr schön ist auch die Kontrastierung des einzelgängerischen, profitorientierten Daseins von Rechtsanwalt Dr. Bozzi (Peter Ustinov) mit dem quirligen, teils sorgenvollen Miteinander der italienischen Bewohner.

Die Geschichte

Rechtsanwalt Dr. Bozzi (Peter Ustinov) besitzt einige Immobilien in einem Viertel Brooklyns mit vielen italienischen Zuwanderern. Mitgefühl mit seinen manchmal unzuverlässigen Mietern kennt er nicht. Gnadenlos treibt er Pacht und Schulden ein, bis er von einer alten Frau mit magischen Fähigkeiten verzaubert wird. Fortan muss er als hässlicher Hund sein Dasein fristen und lernt so das Leben von einer anderen Seite kennen. Erst die Liebe des kleinen Toni befreit ihn vom Bann. Geläutert erlangt Dr. Bozzi seine menschliche Gestalt zurück und hat alle Mühe, seine Wandlung zu verbergen.

Regie

Immer wieder überrascht Ladislao Vajda mit originellen Regieeinfällen. Da ist zum Beispiel das Fleischer-Ehepaar, das die musikalische Darbietungen des kleinen Toni zum Erwerb eines Knochens anfangs freudestrahlend unterstützt. Bei nachfolgenden Auftritten verfinstern sich ihre Mienen zusehends. Herrlich ist auch die Szene, als Bozzi in Gestalt des hässlichen Hundes, Giulias Erbschaft in Höhe von 6.000 Dollar auffrisst, um sie zu beschützen.

Übertreibungen

Von allem gibt es in „Der Hund, der Herr Bozzi hieß“ eine bisschen zu viel: Bozzi ist zu habgierig, sein Adlatus Bruno zu untertänig, Giulia zu einfältig, ihr Freund Alfonso zu schmierig usw. Auch Bozzis Entwicklung vom Saulus zum Paulus, nachdem er das Leben in der Gosse kennengelernt hat, ist zu uneingeschränkt. Andererseits tragen diese unbekümmerten Übertreibungen maßgeblich zum Charme dieses Films bei. Irgendwie ist es auch lustig, wenn Bozzi zum Beispiel – noch in Menschengestalt – hinter seiner Wohnungstür Hundegebell imitiert, um das Gesindel zu vertreiben.

Fazit

Vor allem ist dieser Film eine Hymne an die Freundschaft oder die Liebe zu anderen Menschen bzw. Lebewesen und hat damit auch etwas Zeitloses. Herzerfrischend!

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für "Der Hund, der Herr Bozzi hieß".

Haus der Spiele (David Mamet) 1987

„Haus der Spiele“ ist die erste Regiearbeit von Drehbuch- und Theaterautor David Mamet. Das Ergebnis ist ein leidlich spannender Psychothriller mit einigen Überraschungen und Wendungen sowie einem katastrophalen Ende. Der Thriller punktet mit faszinierenden Einblicken in die Welt von professionellen Trickdieben, die menschliche Schwächen schamlos ausnutzen. Allerdings wirkt das Erzähltempo, selbst für damalige Verhältnisse, etwas beschaulich.

Die Geschichte

Heldin ist die erfolgreiche Psychiaterin Dr. Margaret „Maggie“ Ford (Lindsay Crouse), die einsam und unglücklich wirkt und zunehmend Zweifel am Sinn ihrer therapeutischen Arbeit hat. Ablenkung bietet ihr ein Besuch im „Haus der Spiele“, mit dem sie Billy, einen ihrer Patienten, aus der Patsche helfen will. Bei einem Pokerspiel um hohe Einsätze erkennt sie im letzten Moment, dass sie das Opfer einer Intrige werden soll. Aber jetzt ist Maggie zunehmend fasziniert von dieser Parallelwelt, vor allem von Trickster Mike (Joe Mantegna). Bei einem missglückten Betrug wird scheinbar ein Polizeibeamter erschossen. Außerdem droht Ärger mit der Mafia, weshalb Maggie mit 80.000 Dollar aushilft. Zu spät erkennt sie, dass alles wieder nur eine Inszenierung ist, um an ihr Geld zu kommen. Zutiefst verletzt erschießt sie Mike, was für sie eine befreiende Wirkung hat.

Figuren

Sehr schön ist die Konzentration auf die Protagonistin, die in jeder Szene präsent ist. Allerdings taugt Maggie nicht wirklich zur Heldin. Ihr fehlen einfach die erforderlichen Voraussetzungen. Mit ihrem schrecklichen Business-Kostüm und den streng zurückgekämmten Haaren ist sie Karikatur einer gelangweilten Upperclass-Akademikerin, die sich im Grunde „einen Scheiß“ (Originalton Billy) für ihre Patienten interessiert. Leider bleibt ihr Ausflug in die Unterwelt und ihre Faszination für die zwielichtigen Gestalten das einzig Interessante. Eine Entwicklung wird ihr nicht vergönnt. Sie macht am Ende da weiter, wo sie angefangen hat. Der infantile Diebstahl eines Feuerzeugs in der Schlußszene ändert nichts am Sachverhalt.

Eigentlich wäre Mike der tauglichere Held gewesen: „Sie möchten einen Kriminellen kennenlernen, der sein Handwerk versteht?“ Ja, das hätten wir viel lieber gesehen, zumal diese Perspektive ständig Suspense generiert hätte. Er ist es auch, der unsere langweilige Heldin durchschaut: „Du bist krank und pervers!“

Ungereimtheiten

Die ganze Nummer mit dem vergessenen Koffer samt 80.000 Dollar ist äußerst merkwürdig. Bei der Überprüfung, ob es sich um sauberes Geld handelt, hätte doch ein Geldschein genügt. Was soll der Vorschlag, die gesamte Summe bei einer Bank zu überprüfen und eine Sicherheit für die anderen zu hinterlegen? Wie hätte dieser Vorgang überhaupt ablaufen sollen? Das vermeintliche Opfer holt 20.000 echte Dollar von seiner Bank (wer hat so viel Geld auf seinem Konto?), hinterlegt sie bei den anderen Findern und wandert dann wieder mit dem Geldkoffer zur Bank? So doof kann man doch nicht sein? Äußerst merkwürdig ist auch die menschenleere Lagerhalle beim Showdown am Flughafen, die die Kontrahenten zudem mühelos betreten können.

Finale

Das Ende ist ein einziges Desaster. Schlimmer geht’s eigentlich nicht. Ein erzählerischer Offenbarungseid. Es ist auch der endgültige Verrat an der falschen Protagonistin. Maggie ist nicht der Typ, der vorsätzlich, aus niederen Motiven jemand umbringt. Außerdem reduziert Mamet sie damit auf verletzte Eitelkeiten und billige Rachegelüste: „Ich will, dass du um dein Leben bettelst!“ Was für ein Blödsinn! Dem ganzen wird auch noch die Krone aufgesetzt, indem Maggie nach dem Mord regelrecht befreit, ja fast fröhlich wirkt. Mord als Therapie. Nur, wer soll das glauben?!

Polizeiarbeit

Die Zuschauer werden noch in anderer Hinsicht für dumm verkauft, und zwar wegen der nicht existenten Polizeiarbeit. Spielen wir doch mal durch, was nach Mikes Ermordung passiert wäre: Die Todesursache wäre sofort ersichtlich gewesen. Immerhin stecken sechs Kugeln in seinem Körper, wie die Obduktion ergeben hätte. Seine Tricksterkumpel hätten sich bei der Polizei gemeldet. Der Verdacht wäre innerhalb von 24 Stunden auf Maggie gefallen – die einzige mit einem Tatmotiv. Dann hätte ihr Patient Billy erzählt, dass Maggie ihm bei der letzten Therapiestunde seine Pistole abgenommen hat. Ein kriminaltechnischer Vergleich hätte innerhalb weniger Tage eine Übereinstimmung mit den Kugeln in Mikes Leichnam ergeben. Außerdem hat sie kein Alibi und wäre möglicherweise von Zeugen am Flughafen identifiziert worden. Das wär’s dann für Maggie gewesen. Aus, die Maus. Sie hätte dann nur den Vorteil gehabt, dass sie zu ihren im Gefängnis einsitzenden Patienten nicht mehr so weit laufen müsste.

Lösung

In der ganzen Geschichte geht es doch um Trickdiebe oder, wie Mike es formuliert, um das „Vertrauensspiel“. Das wäre auch die Lösung gewesen. Maggie hätte den Spieß umdrehen und die Gangster nach Strich und Faden übers Ohr hauen müssen. Damit hätte sie auch zeigen können, dass sie eine gelehrige Schülerin ist. Dann hätte sie am Ende einen Grund gehabt, sich befreit zu fühlen, aber doch nicht als Mörderin.

Fazit

Leider verspielt „Haus der Spiele“ am Ende die meisten seiner angehäuften Chips. 

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für "Haus der Spiele".

Der Killer (David Fincher) USA 2023

Fangen wir mal mit dem Positiven an: „Der Killer“ baut mit der inneren Stimme des Protagonisten, eines namenlosen Profikillers (Michael Fassbender), und seiner Visualität eine suggestive Stimmung auf. Die zieht einen, gerade zu Beginn, durchaus in den Bann. Mit der Perspektive des Helden, mit seinen Beobachtungen von Opfern und Unbeteiligten – teilweise durchs Fernrohr – macht der Thriller den Zuschauer zum Komplizen und zum Voyeur. Damit erinnert „Der Killer“ in seinen besten Momenten an „Das Fenster zum Hof“ von Alfred Hitchcock. Auch die Kameraarbeit und die Filmmusik sind exzellent. So weit, so gut.

Die Geschichte

Der Film ist in fünf Akte eingeteilt und erzählt die Geschichte eines missglückten Auftragsmordes. So gerät der Killer nun selber ins Visier seines Auftraggebers, der keine Spuren hinterlassen will. Dieser Auslöser für die Geschichte wirkt schon arg konstruiert, denn die Gefahr für den Auftraggeber und seinen wohlhabenden Kunden ist nur eine behauptete. Welche Gefahr sollte der Killer denn für die Hintermänner darstellen? Warum bekommt er keine zweite Chance, seinen Auftrag zu Ende zu führen? Der Film liefert darauf keine Antwort.

Rachefeldzug

Nun gut. Jedenfalls wird ein Anschlag auf die Datscha des Killers in der Dominikanischen Republik verübt, bei dem er dummerweise nicht anwesend ist. Dafür trifft es seine Freundin oder Haushälterin Magdalena (ihre Rolle ist unklar), die schwer verletzt wird. Jedenfalls zeigt der Killer an dieser Stelle ein einziges Mal Mitgefühl. Natürlich müssen die Urheber dieses Anschlags zur Rechenschaft gezogen werden, was sie in den nächsten Kapiteln denn auch zu spüren bekommen. Die einzige sympathische Figur dieses Films, der dominikanische Taxifahrer, wird natürlich vom Killer liquidiert.

Ungereimtheiten

Warum wird der Taxifahrer eigentlich ermordet? Wem und was sollte der denn jemandem erzählen? Warum werden die beiden „Profikiller“, die unserem Helden in der Dominikanischen Republik auflauern, nicht ihrerseits vom Auftraggeber liquidiert. Ihr Versagen ist doch viel gravierender als das unseres Killers, tödlich sozusagen. Warum benutzen diese beiden „Profikiller“ bei ihrem Anschlag ein öffentliches Taxi und kein Mietfahrzeug? Der Taxifahrer ist doch ein Zeuge, der ja dann auch plaudert. Warum machen die beiden Killer nach ihrem missglückten Anschlag nicht weiter Jagd auf unseren Helden? Warum erwarten sie ihn nicht irgendwann bei seinem Rachefeldzug? Das hätte doch die Spannung steigern können. 

Dramaturgie

Exakt zweimal gerät der Killer in Gefahr. Einmal als sein Beobachtungsposten in Paris durch einen Hausverwalter aufzufliegen droht. Aber der wirft nur einen Haufen Briefe in die leerstehenden Büroräume. Beim zweiten Mal ist es immerhin ein Kampf auf Leben und Tod mit einem seiner Berufsgenossen, der auf ihn angesetzt wurde. Dieser Kampf hat es an Intensität schon in sich und ist hervorragend inszeniert. Letztlich kann der Killer ihn für sich entscheiden. Wirklich Angst hat man auch bei diesem Kampf nicht um ihn, weil der Ausgang vorhersehbar ist. Damit hat es sich dann mit den Gefahrenmomenten. Für einen Thriller ist das ein bisschen wenig. Außerdem gibt es bei seiner Jagd keine Hindernisse, die größere Probleme darstellen. Unser Killer kann sich zu jeder noch so gesicherten Behausung Zugang verschaffen. Er kennt alle Tricks, hat überall Waffenlager und gefälschte Pässe. Überraschungen? Fehlanzeige.

Die Figuren

Was Fincher gut macht, ist die bedingungslose Konzentration auf den Helden. Es gibt kaum eine Einstellung, in der er nicht präsent ist. Das ist super. Aber dann wieder Finchers Probleme beim Aufbau tauglicher Figuren (s. „Gone Girl“). Der Killer ist nun wahrlich kein Sympathieträger, muss er auch nicht. Aber er sollte unser Interesse oder – im besten Fall – Emotionen wecken. Er sollte nicht eindimensional sein, nicht wie hier im Stile einer Maschine agieren und reagieren. Er könnte eine Entwicklung durchlaufen und sich im Improvisieren üben wie z.B. Turner in „Die drei Tage des Condor“. Von derartigen produktiven Eigenschaften ist hier weit und breit nichts zu sehen.

Phantasiefigur

Der Killer agiert viel zu märchenhaft. Er löst alle Probleme, die sich vor ihm auftun, zwar nicht adhoc, aber unaufhaltsam und mechanisch wie ein Schweizer Uhrwerk. Emotionen können so leider nicht entstehen. Die Namenlosigkeit des Helden ist Ausdruck der Distanz, die Fincher zu seinem Protagonisten aufbaut, der Empathie für Schwäche hält. Selbst beim Epilog, als der Killer neben der genesenden Magdalena auf einer Liege ruht, gibt es keine Berührungen. Alles so kalt hier. „Schätz dich glücklich, wenn sich unsere Wege niemals kreuzen“, sagt der Killer irgendwann im Voiceover. Leider kreuzen sich unsere Wege.

Lebensweisheiten

Endlich bekommen wir mal Einblicke in die Gedankenwelt von Profikillern. „Ich bin, was ich bin“, erfahren wir gleich zu Anfang. Klingt wie eine bemühte Rechtfertigung. „Es kommt auf die Vorbereitung an“, ist eines seiner Maxime oder „Vertraue niemandem“. Abgesehen davon, dass dieses Regelwerk bei seiner Profession nicht gerade originell ist, wird es ständig ad absurdum geführt. Wenn so eine Panne passiert, dann war er eben nicht perfekt vorbereitet. Da andere Profikiller seine Datscha heimsuchen, hat er offensichtlich den Falschen seine Adresse anvertraut. Wenn er mehrmals behauptet, dass ihm alles „scheißegal“ ist, dann könnte man ja auch einen anderen Job ausüben oder wie Auftraggeber Hodges vorschlägt, mit dem verdienten Geld einfach untertauchen. Nein, es ist ihm eben nicht alles „scheißegal“, schon gar nicht das viele Geld. Nur beim Zuschauer stellt sich irgendwann dieses Gefühl ein.

Fazit

Die Protagonisten müssen keinen irdischen Beschäftigungen nachgehen, um Interesse oder Gefühle zu erzeugen. Das können auch Profikiller leisten. „Léon – der Profi“ wäre ein Beispiel. „Der Killer“ ist verlorene Lebenszeit.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für Der Killer (David Fincher) USA 2023.

Der Fremde im Zug (Alfred Hitchcock) USA 1951

Alfred Hitchcock hat mit „Der Fremde im Zug“ einen Roman von Patricia Highsmith nach einem Drehbuch von Raymond Chandler verfilmt. Schon eine illustre Riege, die sich seinerzeit eingefunden hat. Namen und Qualität des Psychothrillers lassen nichts vom Streit zwischen Regisseur und Drehbuchautor ahnen. Tatsächlich war Hitchcock derart unzufrieden, dass er Chandler im Laufe der Vorbereitungen von seinen Aufgaben entbunden hat. Die Arbeit eines Drehbuchautors unterscheidet sich eben fundamental von der eines Krimiautors. Zwei verschiedene Paar Schuhe. „Schuster bleib’ bei deinem Leisten“, war Hitchcocks Resümee dieser Zusammenarbeit. Patricia Highsmith hat sich Zeit ihres Lebens wohlweislich nie an Drehbüchern versucht.

Die Figuren

Aber werfen wir doch mal einen Blick auf Chandlers Charakterisierung des Antagonisten Bruno Antony (Robert Walker): „He wears his expensive clothes with the tweedy nonchalance of a young man who has always had the best.“ Das ist schon super. Mit wenigen Worten erweckt Chandler eine Figur zum Leben. Wir können sie uns vorstellen. Eine gute Charakterisierung handelt eben nicht von Äußerlichkeiten, sondern von Eigenschaften. Überhaupt ist Bruno, der intelligente Soziopath, die mit Abstand stärkste Figur. Sein ständiges Changieren zwischen Rafinesse und Wahnsinn ist schon faszinierend. Das Böse zieht uns eben mehr in den Bann als das Gute, das Langweilige. Zusammen mit seiner Mutter geben sie das Duo Infernale. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.

Ein weiteres Highlight ist Barbara Morton, die jüngere Tochter des Senators (gespielt von Hitchcocks leibhaftiger Tochter), die stets sagt, was sie denkt. Zum Beispiel vertraut sie ihrer älteren Schwester Anne (Ruth Roman) schon bei den ersten routinemäßigen Ermittlungen gegen Guy Haines (Farley Granger) an, dass sie immer von einem Mann geträumt hat, der ihretwegen einen Mord begeht. Damit schürt sie natürlich den leise keimenden Verdacht ihrer Schwester. Mit diesen drei Figuren demonstriert Alfred Hitchcock, dass er das Spiel (Spielfilm) verstanden hat wie kaum ein anderer: Ein hemmungsloses Lustwandeln zwischen zwischen Gemeinheiten, Abgründen und schwarzem Humor.

Die Geschichte

Die Story um einen „perfekten Mord“ wurde unzählige Male variiert und kopiert und dürfte bekannt sein: Bruno Antony trifft scheinbar zufällig im Zug auf den Tennisspieler Guy Haines. Aus den Klatschspalten weiß er, dass Guy mit der attraktiven Tochter des Senators liiert ist. Leider will dessen Ehefrau sich nicht scheiden lassen. Ein perfektes Opfer für Brunos perfiden Plan: Zwei Morde über Kreuz. Jeder bringt den unliebsamen Verwandten des anderen um. Bei Bruno ist es der verhasste Vater. Guy nimmt den wahnsinnigen Plan erst ernst als Bruno sozusagen in Vorleistung geht, womit er sich mitten im Schlamassel befindet. Soweit die Exposition der Geschichte, die außerdem jede Menge Wendungen und Überraschungen in petto hat.

Visualität

„Der Fremde im Zug“ ist toll fotografiert (Kamera: Robert Burks) und hat für seine Zeit erstaunlich viele Nahaufnahmen. Der Thriller ist mit brillanten Regieeinfälle gespickt, zum Beispiel wenn Bruno beim Tennismatch zuschaut: Hunderte von Augenpaaren wandern von links nach rechts und wieder zurück. Nur Bruno starrt in eine Richtung, nämlich auf sein Opfer. Das ist sein Interesse, nicht das Spiel. Wenn Guy beim finalen Tennismatch in drei Sätzen gewinnen muss, um rechtzeitig am Tatort zu sein, dann wird die Spannung bis zum Exzess retardiert. Immer wieder schneidet Hitchcock zwischen dem Spiel und Brunos Fahrt zum Rummelplatz hin und her. Dort will er nämlich Guys Feuerzeug als belastendes Beweismittel deponieren. Zusätzlich wird dieser Wettlauf mit dem Verlust des Feuerzeugs, das Bruno in einen Gully fallen lässt, gnadenlos auf die Spitze getrieben. Ein Lehrstück in Sachen Suspense.

Schwachpunkte

Es gibt drei Schwachpunkte in „Der Fremde im Zug“. Wenn beim Showdown die beiden Polizisten auf Guy schießen und damit das Karussell beschädigen, sollten sie einen Grund haben. Ein Verdächtiger auf der Flucht ist ein bisschen wenig. Hier wäre eine vermeintliche Notwehrsituation die Lösung gewesen. Dann ergreift Anne viel zu schnell Partei für ihren immerhin in Mordverdacht geratenen Geliebten. Hier hätte man das Drama eskalieren müssen, so wie Hitchcock selber es in „Der Verdacht“ demonstriert hat. Die Freundin, die sich zu allem Übel auch noch gegen ihn wendet, hätte Guys Schwierigkeiten maximiert. Damit sind wir beim dritten Manko. Das ist die Figur des Guy Haines, der gerade im Kontrast zu seinem Gegenspieler doch arg blass wirkt. Ihm mangelt es an Originalität und Schlitzohrigkeit.

Fazit

Insgesamt tun die Schwächen dem Vergnügen keinen Abbruch. Null Punkte auf der Defätismusskala sind ein zusätzlicher Beleg: Pures Kinovergnügen!

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Der Fremde im Zug"