Dolores Claiborne (Taylor Hackford)

Puh, nach 25 Jahren noch einmal „Dolores Claiborne“ von Taylor Hackford angeschaut. Was für ein toller Film! Die Romanvorlage stammt von Stephen King, der kein Verfechter des Plottens ist, also der handlungsorientierten Storyentwicklung. Die meisten seiner Geschichten basieren auf einer Was-wäre-wenn-Figurenkonstellation. Hier: Was wäre, wenn eine Haushälterin, die ungestraft ihren Ehemann umgebracht hat, eines zweiten Mordes verdächtigt würde, den sie nicht begangen hat (aus „Das Leben und das Schreiben“ von Stephen King)? Man muss kein Freund aller seiner Geschichten sein. Aber Stephen King versteht sein Handwerk, genauso wie alle Beteiligten dieses schnörkellosen Psychothrillers.

Figuren

Wer Sehnsucht nach wirklich starken Frauenfiguren verspürt, ist hier an der richtigen Stelle. Die Haushälterin Dolores Claiborne, gespielt von der grandiosen Kathy Bates, opfert sich jahrelang mit schlecht bezahlten Jobs auf. Sie will ihrer Tochter Selena, der ebenso brillanten Jennifer Jason Leigh, eine Ausbildung und vor allem die Befreiung vom übergriffigen Vater ermöglichen. In den Dialogen geht es zur Sache. Keine Zeit für Plänkeleien oder Redundanz. „Ich brauche keinen Anwalt“, sagt Dolores zu ihrer Tochter, die sie seit 15 Jahren nicht gesehen hat und im ersten Moment nicht wieder erkennt.

Handwerk

Die Kameraarbeit von Gabriel Beristain ist ein Meisterstück. Jede Einstellung ist auf den Handlungskern fokussiert. Selten einen Film gesehen, in dem einfach jedes Bild stimmt. Die Gegenwart ist in ein kühles, gräuliches Blau getaucht, die Vergangenheit ist bunt. Immer wieder werden die Flashbacks kunstvoll ins Geschehen montiert. Manchmal geht eine Person durchs Bild, die den Zeitenwechsel im Stile einer eleganten Wischblende einleitet. Im herunter gekommen Haus, in dem Dolores und ihre Tochter früher gewohnt haben, stimmt einfach jedes Detail der Ausstattung. Die exzellente Filmmusik von Danny Elfman verstärkt den suggestiven Sog der dramatischen Ereignisse.

Schwachpunkte

Die männlichen Figuren kommen ein bisschen schlecht weg. Sie wirken manchmal arrogant, verbohrt, einfältig oder gewalttätig. Sei’s drum. Bei einer fundierten Bewertung von Spielfilmen geht es nicht um Genderfragen. Das war’s aber auch schon. Mehr gibt es nicht zu monieren.

Fazit

Wie bereits in „Misery“ war auch in „Dolores Claiborne“ Rob Reiners „Castle Rock Entertainment“ ausführende Produktionsfirma. Exzellenten Handwerkern vertraut man eben. Bezeichnenderweise gibt es von diesem Meisterwerk noch nicht einmal eine deutsch synchronisierte Blu-ray-Fassung. „Dolores Claiborne“ gehört in die TOP 20 der Filmgeschichte.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 7 blaue Smileys für "Dolores Claiborne"

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