Catch me if you can (Steven Spielberg)

„Catch me if you can“ von Steven Spielberg ist eine sehr originelle, in den 60er Jahren angesiedelten Gaunerkomödie. Wenn man nicht wüsste, dass die abstrusen Geschehnisse auf tatsächlichen Begebenheiten beruhen, wäre man versucht, sie als Hirngespinste zugekiffter Drehbuchautoren abzutun. Aber so wird die Faszination an den sich auftürmenden Überraschungen bis zum Anschlag ausgereizt. Man glaubt, den eigenen Augen und Ohren nicht zu trauen. Das ist super!

Die Figuren

Der Held von „Catch me if you can“, Frank Abagnale jr. (Leonardo DiCaprio), ist eine kongeniale Filmfigur: frühreif kommt er schon mit 16 Jahren auf die schiefe Bahn. Es fängt damit an, dass er sich in der Schule als Vertretungslehrer ausgibt, dann als PanAm-Co-Pilot, als CIA-Agent, als Arzt und als Rechtsanwalt. Während dieser Laufbahn verfeinert er seine Kenntnisse als Dokumentenfälscher und als Gejagter. Dabei ist er stets darauf bedacht, den Fängen seines Verfolgers, des FBI-Agenten Carl Hanratty (Tom Hanks), zu entkommen. Dabei geht Frank jr. keineswegs kaltblütig vor: Er ist ebenso charmant wie trickreich und hat Mitgefühl für die Schwächen und Schicksale der Menschen, denen er begegnet. Er lügt, dass sich die Balken biegen und wenn er mal die Wahrheit erzählt, glaubt ihm meist keiner. Mit all diesen unorthodoxen Eigenschaften ist er ein echter Sympathieträger. Sehr schön ist auch die Konzentration auf die Hauptfigur.

Die Geschichte

Im Grunde erzählt der Film eine Vater-Sohn-Geschichte, erst die Liebe des Juniors zu seinem leiblichen Vater, der – was nicht weiter verwundert – ebenfalls ein Hochstapler ist. Dann die Beziehung zu Carl Hanratty, der im Laufe der Jagd so etwas wie sein Ersatzvater wird. Zwei verlorene Seelen beim Katz-und-Maus-Spiel. Im Grunde geht es um die Sehnsucht nach einer heilen Familie, um das Gefühl der Sicherheit, das die tanzenden, verliebten Eltern dem Sohnemann einmal zu Weihnachten vermittelt haben.

Finale

Das Ende des Films ist eigentlich ein Drama: Frank jr. wird in dem Moment gefasst, als er seinen Traum von einer heilen Familie in Trümmern sieht. Ein solcher Schluss hätte natürlich nicht zur Grundstimmung dieser durchtriebenen Komödie gepasst. Insofern ist es schön, dass die Pointe auch hier noch eine stimmige Überraschung parat hat.

Schwachpunkte

Trotz dieser originellen Figuren und überragenden Schauspielern, trotz dieses Feuerwerks an Überraschungen fehlt etwas. Es ist die Spannungskurve, die zu keiner Zeit konsequent auf die Spitze getrieben wird. So richtig zittert man nicht mit dem Helden, da man ahnt, dass er seinen Kopf schon irgendwie aus der Schlinge ziehen wird. Eigentlich ist man nur neugierig, wie er das wieder schafft. Was fehlt, ist die emotionale Anteilnahme. Ein Wermutstropfen in dieser ansonsten genialen Tricksterkomödie.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Catch me if you can"

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Reine Nervensache (Harold Ramis)

„Reine Nervensache“ hat eine sehr originelle Grundidee: Ein Mafiaboss mit seelischen Problemen, die sich u.a. in plötzlichen Hemmungen ausdrücken, verfeindete Mafiosi zu foltern, sucht einen Therapeuten auf. Das ist schon gut! Der Aufeinanderprall konträrer Welten verspricht natürlich jede Menge Konfliktpotenzial. Gespickt mit originellen Typen, witzigen Dialogen und Sprüchen gibt es hier erfreulicherweise keine Berührungsängste mit den Klischees der jeweiligen Branche. Leider hält die Komödie dann nicht, was die rasante Exposition verspricht.

Die Figuren

Das liegt zum einen an der mangelnden Konzentration auf einen Helden. Auch hier ist die Multiperspektive ein entscheidender Nachteil. Wir erfahren viel zu wenig über den Mafiaboss Paul Vitti oder den Therapeuten Ben Sobel, als dass wir mit ihnen mitfiebern könnten. Die Protagonisten sind einem egal. Hinzu kommt, dass Robert De Niro in der Rolle des Mafiabosses eine glatte Fehlbesetzung ist. Irgendwann nervt sein Overacting, seine Grimassen und sein Rumgefuchtel.

Dramaturgie

Dabei bringen beide Figuren alle Voraussetzungen für einen veritablen Helden mit. Man hätte das Potenzial nur ausloten und ausschöpfen müssen. Wenn Paul Vitti bei seinen Therapiestunden ständig mit seinen Mafia-Knallchargen auftaucht, ist das hanebüchen aber nicht witzig. Die Dramatik besteht doch gerade darin, dass er als Mafiaboss keine Schwäche zeigen darf. Das ist doch wunderbar. Also müsste er doch seine Konsultationen verheimlichen. Er müsste alleine hingehen und ständig Angst haben, dass etwas ruchbar wird. Das ist doch eine tödliche Gefahr für ihn. Wie kann man das verschenken?! So kann ja keine Spannung entstehen und das hat nichts mit einer Komödie zu tun. Denn das Genre ist ja sozusagen nur die Verpackungseinheit, in der etwas erzählt wird oder eben nicht.

Erzählperspektive

Die zweite Möglichkeit wäre es gewesen, alles aus der Perspektive des Therapeuten zu erzählen. Auch er bringt alle erforderlichen Voraussetzungen mit. Denn in dem Moment, wo er die Therapie abbricht oder Internas erfährt, hängt auch sein Leben am seidenen Faden. Na wunderbar. Da müsste man eigentlich nur noch in die Vollen greifen und ihm das Leben zur Hölle machen, anstatt es oberflächlich dahinplätschern zu lassen.

Lösungen

„Reine Nervensache“ ist auch zu lieb, nicht böse und nicht hinterhältig genug, um wirklich witzig zu sein. Wie wär’s denn gewesen, wenn die Mafia Sobels Vater entführt hätte, um den Therapeuten zu erpressen? Wie wär’s denn gewesen, wenn ihn das kalt gelassen hätte, weil der Alte ihn sein Leben lang ignoriert hat und außerdem reich ist? Ödipus wird ja gelegentlich zitiert, aber leider nicht in Handlung transformiert. Wie wär’s denn gewesen, wenn Sobel im Laufe des Geschehens zum Gangster mutiert wäre? Diese Entwicklung kommt leider nur in seinen etwas rabiateren Behandlungsmethoden am Schluss zum Ausdruck. Ansonsten bleibt alles ziemlich harmlos.

Fazit

Reine Nebensache.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für "Reine Nervensache"

Geraubte Küsse (Francois Truffaut) F 1968

Es gibt Filme, die einem die Lebenszeit rauben und welche, die genau das Gegenteil praktizieren. Zu letzteren gehört „Geraubte Küsse“ von Francois Truffaut. Schon die ersten Musikakkorde definieren die dominante Atmosphäre des Films: Sie ist heiter und beschwingt.

Figuren

Dazu passt auch die Etablierung einer originellen Hauptperson, die der Film nie aus den Augen verliert. Es gibt keinen multiperspektivischen Schnickschnack, der immer auch etwas Kontraproduktives hat. Der Held ist Truffauts alter Ego Antoine Doinel, ein manchmal naiver, manchmal etwas verträumter, manchmal aufsässiger junger Mann. Bezeichnenderweise wird er aus disziplinarischen Gründen vor Ablauf seiner Dienstzeit unehrenhaft aus der Armee entlassen. Mit charmanter Offenheit gibt Antoine seine Misserfolge zu, gerät von einem Schlamassel in den anderen und fällt stets wieder auf seine Beine. Ein Stehaufmännchen. Bei diesen Verrenkungen assistieren ihm eine ganze Riege nicht minder origineller, zum Teil auch abstruser Figuren. Es macht einfach Spaß, diesem Treiben zuzuschauen.

Liebe

Das Detektivbüro, in dem Antoine eine Anstellung findet, ist wahrscheinlich das originellste der Filmgeschichte. Herrlich die Szene mit dem Schuhhändler, der sich von allen ungeliebt fühlt. Anstatt zum Therapeuten zu gehen, beauftragt er die Detektei mit Nachforschungen. Diesen Job vermasselt Antoine natürlich auch, weil er sich auf eine Affäre mit der Ehefrau des Schuhhändlers einlässt. Damit sind wir – wie bei Truffauts meisten Filmen – beim eigentlichen Thema: nämlich der Liebe bzw. ihren Turbulenzen, die in Antoines Beziehung zu seiner 19-jährigen Freundin Christine beschrieben werden. Die erklärt ihn am Ende für „verrückt“, was er keineswegs bestreitet, woraufhin beide ihren Weg fortsetzen.

Fazit

Die Dialoge des Films sind witzig, originell, manchmal auch verblüffend, aber nie langweilig. Letztlich ist „Geraubte Küsse“ ein Plädoyer dafür, sich im Leben auch mal treiben zu lassen, gegen Autoritäten zu rebellieren, sich selbst treu zu bleiben und vor allem die Liebe nicht aus den Augen zu verlieren. Wer etwas Lebenszeit gewinnen möchte, dem sei dieser Film wärmstens empfohlen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Geraubte Küsse"

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Taschengeld (François Truffaut) F 1976

Was für ein wundervoller Film! Im Stile einer Collage erzählt François Truffaut in 18 Kapiteln die Abenteuer von Kindern und erweist sich einmal mehr als deren engagiertester Anwalt. Wie kein anderer konnte er ihre Perspektive einnehmen, ihre Sorgen, Ängste, Nöte und Eskapaden beschreiben. „Taschengeld“ gehört zu den sogenannten unanimistischen Filmen, die das Leben des Einzelnen in der Verflechtung mit der Gemeinschaft zeigen. Der Film spielt mitten in Frankreich, in Thiers, in den letzten Monaten eines Schuljahres und endet in einem Ferienlager.

Die Geschichte

Aus Zeitungsmeldungen, Erzählungen von Freunden und Bekannten sowie eigenen Erinnerungen hat Truffaut eine Hommage an die Welt der Kinder geschaffen: Die kleine Sylvie darf nicht mit den Eltern ins Restaurant, weil sie ungezogen war; Richard leiht zwei Freunden Geld, das er eigentlich für den Friseur bekommen hat; Oscar weigert sich zu sprechen und drückt sich lieber pfeifend aus; Bruno will in der Klasse nicht „mit Betonung“ rezitieren, Grégory fällt mehrere Stockwerke in die Tiefe, ohne sich zu verletzen; Patrick verliebt sich in die Mutter seines Klassenkameraden; Julien wird zu Hause misshandelt; Martine erlebt ihren ersten Kuss im Ferienlager. Aus solch kleinen – manchmal heiteren, manchmal ernsten – Ereignissen besteht das Gerüst des Films. (Auszüge aus dem Roman „Taschengeld“ von François Truffaut)

Francois Truffaut

Wenn ein Erwachsener mit den Augen von Kindern erzählen konnte, dann war das François Truffaut. Das hängt mit seiner Biografie zusammen. Als uneheliches Kind wuchs er bei seiner Großmutter auf. Nach deren Tod landete er in verschiedenen Erziehungsheimen. Sein preisgekröntes Erstlingswerk „Sie küssten und sie schlugen ihn“ ist eine Verarbeitung dieser Erlebnisse. Die Welt der Erwachsenen hat Truffaut als verlogen, brüchig und gewalttätig erfahren. Zusammenhalt gab es unter Gleichaltrigen, unter Kindern. Auch das Rebellische ist in Truffauts Biografie und in seinem Naturell verankert. Während seiner Militärzeit versuchte er mehrmals zu desertieren, bis er schließlich unehrenhaft entlassen wurde. In der Filmregie war Truffaut Autodidakt. Seine Schule war das Kino.

Fazit

„Vergessen wir nicht, dass nichts, was mit der Kindheit zu tun hat, klein und unbedeutend ist“ (Truffaut). Wer mal eineinhalb Stunden von einem Film beseelt werden möchte, dem sei „Taschengeld“ ans Herz gelegt.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für Taschengeld (Francois Truffaut).

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Farbiges Cover einer DVD von Francois Truffauts "Taschengeld".

Roman von Francois Truffaut, gebraucht ab 3,50 Euro

Schwarzweiß-Cover des Romans "Taschengeld" von Francois Truffaut.

Sein oder Nichtsein (Ernst Lubitsch)

Als Ernst Lubitsch 1941 diese rabenschwarze Nazi-Komödie herstellte, war er seiner Zeit um mindestens 100 Jahre voraus. Gegen das Erzähltempo und den Dialogwitz wirken etliche aktuelle Filme wie angestaubte Ladenhüter. Zu behaupten, Lubitsch hätte sich hier wie ein Elefant im Porzellanladen benommen, ist schlichtweg verniedlichend. Die New York Times warf ihm vor, sich wie Nero aufzuspielen, „der zum Brand von Rom Geige spielt.“ Ein großes Kompliment, denn wie kaum ein anderer hat Lubitsch die DNA des Films verinnerlicht und transportiert: Die Gestaltung von Spielfilmen erfordert, im Gegensatz zu unserem Verhalten in der Realität, Unbekümmertheit, Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit. All das zelebriert Lubitsch in „Sein oder Nichtsein“ bis zum Exzess. Wenn Georges Méliès der Vater des narrativen Films war, dann ist Ernst Lubitsch sein rotzfrecher Sohn.

Die Geschichte

Im Zentrum des Geschehens steht eine polnische Schauspieltruppe, die 1939 eine antifaschistische Komödie zur Aufführung bringen will! Um das Hitlerregime nicht unnötig zu provozieren, wird das Stück kurzerhand durch Shakespeares „Hamlet“ ersetzt. Ausgerechnet während des Monologs „Sein oder Nichtsein“ des Hauptdarstellers Joseph Tura (Jack Benny) steht eine junger polnischer Offizier auf und verlässt den Theatersaal. Er hat ein Rendezvous in der Garderobe von Maria Tura (Carole Lombard), der Ehefrau des Hauptdarstellers. Aber es bleibt nicht viel Zeit für Eifersüchteleien,  denn noch während der Aufführung bricht der 2. Weltkrieg aus. Mit der Okkupation Warschaus haben die Theaterschauspieler dann doch noch Gelegenheit, ihre bissige Farce zur Aufführung zu bringen.

Dramaturgie

Damit wird auch das Spannungspotenzial maximal ausgereizt. Denn hier steht nicht weniger als das Leben des gesamten Ensembles auf dem Spiel. Gerade dieses ständig präsente Damoklesschwert verleiht den kompromisslos aneinandergereihten komödiantischen Szenen eine besondere Intensität. Herausragend ist zum Beispiel die Szene, als Joseph Tura in der Rolle des falschen Professor Siletsky bei SS-Gruppenführer Ehrhardt gerade noch seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann. Hier geht es wirklich um „Sein oder Nichtsein“.

Dialoge

Für die Dialoge war Edwin Justus Mayer verantwortlich. Sie sind ein handwerkliches Lehrstück, doppeldeutig, anzüglich, unmoralisch und böse: „Wenn ich irgendeinen Witz anfange, dann stiehlst du die Pointe. Wenn ich diät esse, dann nimmst du ab. Wenn ich mich erkälte, du hustest und wenn wir jemals ein Kind bekommen sollten, dann bist du wahrscheinlich die Mutter?“ (Maria Tura) „Wenn ich der Vater bin, bin ich zufrieden.“ (Joseph Tura) Ach, ist das schön!

Fazit

„Sein oder Nichtsein“ ist eines der ganz großen Meisterwerke der Filmgeschichte.

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