Lonely Hearts Killers (Todd Robinson)

Der Film ist zu einem Teil ein Krimi, zum anderen Teil ein Psychothriller. Aber anders als in „Hell or High Water“ (David Mackenzie) hat die Krimiebene hier eine erzählerische Funktion. Es fängt damit an, dass die Ehefrau von Detective Elmer Robinson (John Travolta) Selbstmord begeht und die Off-Stimme des Erzählers, seines Partners Charles Hildebrandt (James Gandolfini), für unglaubliches Tempo sorgt. Dieser Suizid ist der Schlüssel für die Ergreifung der Lonely-Hearts-Killers, die in den 40er Jahren in den USA tatsächlich mehrere Frauen betrogen und ermordet haben.

Ermittlungen

Elmer will der scheinbare Selbstmord einer jungen Frau, den er bei einem Kriminalfall untersucht, nicht so recht einleuchten. Stellvertretend für den unerklärlichen Freitod seiner Frau untersucht er akribisch den Tatort und kommt nach und nach dem Täterpaar auf die Spur. Das besteht aus dem Hochstapler und Heiratsschwindler Ray Fernandez (Jared Leto) sowie seiner Geliebten Martha Beck (Salma Hayek). Beide verbindet ein krankhaftes Liebesverhältnis, in dem Martha die treibende und mörderische Kraft ist. Nach ihrer Festnahme fragt sie Elmer beim Verhör, ob er – so wie sie – jemals einen Menschen getroffen hat, der bereit war, für ihn zu töten? Elmer schweigt und denkt an seine verstorbene Frau.

Handwerk

Die Ausstattung, die Kamera – alles perfekt. Die Schauspieler sind allesamt herausragend. Wenn die drei Detectives der Mordkommission sich anfrotzeln, dann geht es richtig zur Sache. Überhaupt ist „Lonely Hearts Killers“ hart. Das liegt nicht nur an den Dialogen, sondern vor allem am abgründigen Treiben der Mörder. Manchmal ist es zu hart. Wenn Martha und Ray am Ende nicht nur seine Brieffreundin Delphine umbringen, sondern auch noch deren kleine Tochter, wird eine Grenze überschritten.

Zurecht hat Alfred Hitchcock selbstkritisch festgestellt, dass ein Kind im Film sterben zu lassen, nichts anderes als Verrat am Kino ist (s. Die Defätismusskala). Der wird damit gerechtfertigt, dass es sich im tatsächlichen Fall auch so zugetragen hat. Das ist aber – mit Verlaub – Unfug. Denn ein Filmemacher nimmt immer Eingriffe vor. Die tatsächliche Martha war eine eher unattraktive, schwergewichtige Frau. Die wurde in der Verfilmung dargestellt durch die bildhübsche Salma Hayek. Also, warum dieser Verrat, der einen letztlich deprimiert zurücklässt?

Finale

Ein weiterer Schwachpunkt ist die finale Annäherung zwischen Elmer und seinem Sohn. Das wirkt im gezeigten Ausmaß ein bisschen aufgesetzt, so als wollte man einen gefühlsmäßigen Ausgleich fürs depressive Geschehen sorgen. Das erreicht dann noch mal seinen Höhepunkt durch den Vollzug der Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl. Die Grausamkeit der Darstellung mag zwar ein Plädoyer gegen die Todesstrafe sein, aber sie lässt Elmer ebenso unbefriedigt zurück wie den Zuschauer. Grausamkeit kann man eben nicht durch Grausamkeit vergelten.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für "Lonely Hearts Killers"

Chinatown (Roman Polanski) USA 1974

Es ist nicht die Aufgabe von Filmemachern, Erklärungen abzugeben, sondern – im Gegenteil – für Mysterien, Geheimnisse und Irritationen zu sorgen, natürlich für begründete. Das demonstriert dieses Krimidrama par excellance. Es ist ein Prototyp Ibsenscher Erzähldramaturgie, also der häppchenweisen Enthüllung von dramatischen Ereignissen. In „Chinatown“ passieren lauter merkwürdige Dinge, wobei man ahnt, dass es dafür eine plausible Erklärung gibt.

Exposition

Eine Mrs. Mulray beauftragt den Privatdetektiv Gittes (Jack Nicholson) mit der Observation ihres Mannes, um dem Verdacht des Ehebruchs auf den Grund zu gehen. Dabei ist dieser Mulray überhaupt nicht der Typ eines Frauenhelden. Trotzdem erwischt Gittes ihn beim Tête-à-tête mit einer jungen, hübschen Frau. Dieser Seitensprung landet in den Klatschspalten, was zur Folge hat, dass Gittes Besuch von der echten Mrs. Mulray (Faye Dunaway) bekommt. Alles sehr merkwürdig, aber es kommt noch mysteriöser. Denn kurz darauf wird Mulray ermordet aufgefunden und Gittes ahnt, dass er nur benutzt wurde für irgendwelche kriminellen Machenschaften. Aber jetzt hängt Gittes an der Angel. Dann so etwas macht man natürlich nicht mit ihm. Jetzt hat er Gelegenheit zu zeigen, dass er nicht nur Ehebrechern nachstellen kann, dass er ein hervorragender Schnüffler ist. Und der Zuschauer ist immer auf der Höhe seiner Ermittlungen, fungiert sozusagen als sein Partner.

Prägnante Figuren

Die Riege der Schauspieler ist herausragend, allen voran Faye Dunaway in der Rolle der mal entschlossenen, mal nervösen oder verhuschten, wohlhabenden Evelyn Mulray. Nicht minder brillant ist Jack Nicholson, der frech, trickreich und hartnäckig agiert. Sehr prägnant ist seine von Gangstern aufgeschlitzte Nase, die den halben Film von einem Verband verziert wird. Der Schnüffler, der seine Nase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt hat – ein Bild, das in Erinnerung bleibt. Sehr schön ist auch die konsequente Konzentration auf den Helden, der in jeder Einstellung präsent ist.

Inszenierung

Einer der großen Stärken von Roman Polanski ist die kunstgerechte Inszenierung von Mysterien, von Stimmungen, die eine hypnotische Wirkung erzielen. So auch hier. Irgendwann kann man sich diesen Aufnahmen, diesem Licht, diesen Eindrücken nicht mehr entziehen. Unterstützt wird diese ebenso geheimnisvolle wie bedrohliche Atmosphäre durch die Filmmusik von Jerry Goldsmith mit teilweise disharmonischen Klangteppichen. Die Dialoge sind nie informativ. Sie sind doppeldeutig, mysteriös oder witzig und animieren den Zuschauer zum Detektivspiel. Die Darstellung des Todes von Evelyn Mulray ist genial. Man sieht sie im Auto mit ihrer Tochter davonfahren und Polizisten, die auf sie schießen. Als ihr Wagen schon eine gewisse Entfernung hat, ertönt plötzlich die Hupe – ununterbrochen. Das Fahrzeug scheint an Geschwindigkeit zu verlieren. Keine Nahaufnahme. Kein spritzendes Blut. Nur die penetrante Hupe und die entsetzten Reaktionen ihrer Tochter, ihres Vaters, der Polizisten, von Gittes.

Schwachpunkte

„Chinatown“ hat zwei Schwachpunkte: Die im Mordfall von Hollis Mulray ermittelnden Kriminalbeamten sind nicht sehr helle. Das ist schade. Denn irgendwann haben sie ja Gittes im Visier und dann wären intelligente Gegner natürlich dramatischer. Der zweite Schwachpunkt ist schon gravierender und betrifft das offene Ende der Kriminalgeschichte. Während das Familiendrama mit dem Tod von Evelyn Mulray seinen düsteren Schlusspunkt gefunden hat, bleibt der Krimi eigentlich ungeklärt. Es ist nicht damit getan, dass Lieutenant Escobar sagt: „Vergiss es, Jake. Wir sind in Chinatown“. Denn Gittes könnte die Verbrechen von Noah Cross – immerhin drei Morde und betrügerische Bodenspekulation in Millionenhöhe – beweisen. Und Gittes ist nicht der Typ, der aufgibt und Noah Cross nicht der Typ, der Mitwisser unbehelligt lässt. Insofern bleibt am Ende ein unbefriedigendes Gefühl.

Lösungen

Die Lösung wäre folgende gewesen: Entweder hätte Gittes dafür sorgen müssen, dass Noah Cross hinter Schloss und Riegel kommt, womit er auch keinen Zugriff mehr auf Evelyns Tochter hat (das Happy End) oder aber er wird ebenfalls von Cross getötet (das komplette Drama). Nur dann ist auch die Krimigeschichte zu Ende. Ansonsten alles genial.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für Chinatown.