Fletcher’s Visionen (Richard Donner) USA 1997

Das Opening von „Fletchers Visionen“ ist das beste am ganzen Film. Schon originell wie Taxifahrer Jerry Fletcher (Mel Gibson) seine Fahrgäste zutextet. Eigentlich eine interessante Hauptperson, womit man als Filmemacher schon mal einen erheblichen Teil der Miete eingetrieben hätte. Aber was dann folgt, ist an Absurdität kaum zu überbieten.

Grassierender Unfug

Jerry ist – wie sich am Ende herausstellt – ein von CIA-Bösewicht Dr. Jonas programmierter Killer, der den Auftrag hat, einen Richter im Gerichtssaal zu töten. Dabei sieht er allerdings dessen Tochter, die Staatsanwältin Alice Sutton (Julia Roberts), in die er sich Hals über Kopf verliebt. Jetzt kann er seinen Auftrag nicht mehr ausführen und taucht unter. Leider ist sein neuronales Netzwerk bei der Programmierung ein wenig durcheinander geraten, weshalb er sich nun als nervöser Verschwörungstheoretiker, Stalker und Taxifahrer durchschlägt.

Witzfiguren

Ein großer Vorteil für Jerry und den Zuschauer ist es, dass die CIA-Agenten immer deutlich zu erkennen sind. Sie fahren stets schwarze viertürige SUV’s, tragen schwarze Anzüge sowie Sonnenbrillen und Headsets. Ein Vorteil für den Helden ist aber immer ein Nachteil für den Spannungsaufbau. Außerdem können die Agenten miserabel schießen. Deshalb kann Jerry auch in einer Klinik entkommen, obwohl er an einen Rollstuhl gefesselt ist und gerade gefoltert wurde. Die Schüsse seiner Gegner verschonen Jerry auf wundersame Weise. Bei der Verfolgung hilft der CIA auch nicht eine ganze Armada von Hubschraubern, aus denen sich mitten in New York dutzende von Agenten abseilen, um die sich Passanten nicht weiter scheren. Wieso Alice sich überhaupt in Jerry verliebt, also in einen durchgeknallten Stalker, der sie in die Machenschaften des CIA mit hineinzieht, fragt man sich da auch nicht mehr.

Wirrungen

Am Ende wird Jerry von Dr. Jonas erschossen, woraufhin Alice den Bösewicht abknallt. Geschieht ihm recht. Offensichtlich wird Jerry aber im Krankenhaus gerettet. Das erfahren wir, weil er aus der Ferne aus einem Auto heraus Alice beim Reiten zuschaut. Er darf sich ihr aber nicht zu erkennen geben, wie der ebenfalls anwesende FBI Agent Lowry erklärt, weil es noch zu gefährlich wäre. Wie? Gibt es etwa noch einen zweiten Teil? Gibt es einen Nachfolger von Dr. Jonas? Aber Alice ist ja clever. Sie merkt auch so, dass der Geliebte überlebt hat, denn jemand – wer auch immer? – hat einen Button von Jerry am Zaumzeug ihres Pferdes deponiert. Happy End.

Lösungen

Eigentlich wäre die Lösung ganz einfach gewesen: Eine Variante von „Die drei Tage des Condor“. Also Jerry Fletcher textet seine Fahrgäste mit Verschwörungstheorien zu. Es ist einfach seine Marotte, ohne diesen ganzen Hirn-Manipulationsmüll. Eine seiner Theorien handelt von Machenschaften der US-Regierung im Stile der Iran-Contra-Affäre. Die würde ja auch niemand glauben, mit einer Ausnahme: die CIA. Die hätte nun ein glaubhaftes Interesse daran, ihn und seine fünf Abonnenten zum Schweigen zu bringen. Also einer seiner Fahrgäste hätte ein CIA-Agent sein können, dem Jerry seine scheinbar wirre Story erzählt. Das wäre dann der Startschuss zur nachfolgenden Jagd gewesen.

Fazit

Glaubwürdigkeit, Plausibilität und Emotionen sind für die Filmemacher von „Fletchers Visionen“ keine relevanten Parameter. Bei diesem hanebüchenen Treiben wundert man sich nur, was alles so produziert wird.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "Fletchers Visionen".

96 Hours (Pierre Morel) F 2008

Eher brachial geht es im Actionthriller „96 Hours“ von Pierre Morel zu. Drehbuch: Luc Besson und Robert Mark Kamen. Wer sich nach komplexen Figuren und einer subtilen Erzählweise sehnt, wird hier nicht auf seine Kosten kommen. Er ist eher etwas für Freunde schrottreicher Verfolgungsjagden und blutiger Schießereien. Aber nicht nur. Dass wäre zu einfach. Dem Film gelingt es, über weite Strecken Spannung zu erzeugen. Das liegt zum einen an seiner exzellenten Machart, zum anderen am einfachen Plot mit seinen Überraschungen und Wendungen. Am Ende hat aber das Plakative die Oberhand gewonnen.

Stärken

„96 Hours“ hat einen ganz einfachen dramatischen Aufbau: Ex-CIA-Agent Brian Mills (Liam Neeson) versucht innerhalb von vier Tagen, seine entführte 17-jährige Tochter zu befreien. Das versteht jeder und ist spannend inszeniert. Hervorragend ist die Kameraarbeit, die Inszenierung der Actionszenen und die Montage. Man merkt, dass Pierre Morel früher selbst als Kameramann gearbeitet hat. Nach der Exposition spielt sich das Geschehen innerhalb von vier Tagen in der Pariser Unterwelt ab: Die Einheit von Zeit, Raum und Handlung. Diese Einfachheit und Konzentration sind die Stärken dieses Actionthrillers.

Tricks

Immer wieder gibt es schöne Drehbuchideen. Angewandte Tricks, Köder und Fallen, mit denen Gangster und Verfolger agieren, sind teilweise raffiniert. Wie Peter, der Handlanger der albanischen Mafia, anfangs die genaue Adresse von Kim und ihrer Freundin Amanda heraus bekommt, ist schon super. Nicht minder geschickt identifiziert Brian den Kopf der Gangsterbande, den er um eine scheinbar harmlose Übersetzung von zwei albanischen Wörtern bittet. Einige Szenen – aber nicht viele – sind auch witzig oder lakonisch, zum Beispiel wenn Brian seinen Dolmetscher auffordert, die Dialoge der von ihm abgehörten albanischen Zuhälter präzise zu übersetzen. So erfährt er dann den ganzen Hohn und Spott, der über ihn ausgeschüttet wird.

Schwächen

Nicht nur mit der Skizzierung der albanischen Gangster, sondern auch mit der des Helden erinnert „96 Hours“ an „The Equalizer“ von Antoine Fuqua. Ähnlich wie Robert McCall (Denzel Washington) agiert Brian in „96 Hours“ im Stil eines Superhelden, dem auch der bleihaltigste gegnerische Kugelhagel nichts anhaben kann. Er ist praktisch immun gegen alle Attacken. Am Schluss hat Brian zwar ein paar Kratzer abbekommen, aber davon können seine „Gegner“ nur träumen: „Leichen pflastern seinen Weg“. Leider macht man sich irgendwann auch keine Sorgen mehr um diesen Supermann. Das ist natürlich dramaturgisch nicht so geschickt.

Klischees

Die albanischen Mafiosi sind im Berufsleben brutal, im Alltag zocken oder saufen sie – was solche Gangster eben so machen. Man sehnt sich nach einer differenzierteren und glaubwürdigeren Figurengestaltung. Warum nicht mal Gangster, die Mitgefühl zeigen? Die haben doch auch Kinder. Warum nicht mal Gangster mit Kenntnissen in Literatur, Musik oder Kochkunst. Das würde Überraschungen generieren, was für eine Geschichte ja nie von Nachteil ist. So propagiert der Film letztlich nichts anderes als Selbstjustiz. Aber angesichts korrupter Behörden und auswegloser Situation schleicht sich Verständnis ein. Was bleibt Brian Mills denn anderes übrig?

Figuren

Eher schwach sind die Charaktere von Ex-Frau Lenore (Famke Jansen) und Tochter Kim (Maggie Grace). Sie agieren entweder meist zickig (Originalton Lenore: „Du tust mir echt leid.“) oder infantil (Originalton Kim: „Ich hab dich lieb.“) Welcher Vater will das nicht hören? Immerhin wird sie jetzt auch nicht von einem schwabbeligen Scheich entjungfert. Da hat sich doch der ganze Aufwand am Ende gelohnt. Einzig Brian Mills nimmt man seine übertriebene Fürsorge um seine einzige Tochter ab. Sehr schön ist zum Beispiel die Szene, wie er mitten in der Nacht seine Ex-Frau anruft, um sich zu erkundigen, ob Kim sich nach ihrer Ankunft in Paris schon bei ihr gemeldet hat. In diesen Momenten ist er ein Vater, mit dem man mitfühlen kann.

Fazit

„96 Hours“, eine rein französische Produktion, hat weltweit über 200 Millionen Dollar Gewinn eingespielt. Das ist doch mal eine Hausmarke, womit sich die berechtigte Kritik auch etwas relativiert. Welcher deutsche Spielfilm hat derartige Einspielergebnisse oder bemüht sich in gezeigtem Ausmaß um den Spannungsaufbau? 

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "96 Hours".

Mile 22 (Peter Berg) USA 2018

„Mile 22“ ist ein handwerklich exzellent gemachter Actionthriller mit einigen erzählerischen Defiziten. James Silva (Mark Wahlberg) ist Einsatzleiter der US-amerikanischen Spezialeinheit „Overwatch“, die er für eine „höhere Form des Patriotismus“ hält: „1. Die Politik 2. Das Militär 3. Wir.“ Im Grunde handelt es sich um eine Rachegeschichte, die aus der Anfangssequenz resultiert. Denn da liquidieren Silva und sein Team mehrere russische FSB-Agenten, unter ihnen der 18-jährige Sohn der FSB-Chefin.  

Die Geschichte

16 Monate später befinden sich die Overwatch-Agenten gerade in der amerikanischen Botschaft eines südostasiatischen Landes, als dort der abtrünnige Agent Noor um Asyl bittet. Aber er ist nur ein scheinbarer Überläufer, tatsächlich ein Agent des FSB. Er ist nichts anderes als ein „Trojanisches Pferd“, wie Overwatch-Kommandant James Bishop (John Malkovich) viel zu spät erkennt. Freies Geleit und Ausreise in die USA gegen brisante Informationen – das ist der Deal, den Noor mit Silva aushandelt. Die Strecke von der Botschaft zum Militärflughafen beträgt 22 Meilen. Die Eskortierung gerät zum bleihaltigen Himmelfahrtskommando, denn der südostasiatische Geheimdienst will die Ausreise des Verräters mit allen Mitteln verhindern. Leichen pflastern ihren Weg. Am Ende kann Silva seinen Auftrag scheinbar erfüllen. Noor wird mit einer amerikanischen Transportmaschine außer Landes geflogen. Aber er ist, was nur angedeutet wird, im Besitz einer Waffe. Zeitgleich wird die Overwatch-Zentrale von FSB-Agenten gestürmt und bis auf Bishop komplett liquidiert. 

Die Form

„Mile 22“ ist atemberaubend schnell erzählt, was nicht an den Actionszenen liegt, sondern am Bewusstsein der Filmemacher, jegliche Redundanz zu vermeiden. Die Off-Stimme des Protagonisten ist der Pacemaker der Handlung (s. „Casino“ von Martin Scorsese). Die Kameraarbeit und die Montage sind brillant. Ständig wird alternierend erzählt. Man muss sich schon konzentrieren und das ist gut so. Die Dialoge sind manchmal etwas martialisch geraten, aber fragmentiert, hart und politisch unkorrekt. Die Gegenwartsebene besteht aus einer Anhörung, in der James von Vorgesetzten zur Operation befragt wird. Sie wird immer wieder verzahnt mit dem Gefangenentransport, also der Vergangenheitsebene.

Die Figuren

James ist eine unsympathische, aber interessante Figur. Ein echter Kotzbrocken. Wenn sein Adrenalinpegel steigt, was ziemlich häufig vorkommt, dann zupft er beständig an seinem elastischen Armband herum. Ebenso häufig wiederholt er Wörter oder auch ganze Sätze, um dem Gesagten eine zusätzliche Bedeutung zu verleihen. Ein Besserwisser und Kontrollfreak. Sehr schön ist die Szene, als mehrere Kollegen ihn hinter seinem Rücken mit diversen Synonymen als Psychopathen bezeichnen. 

Empathie? Fehlanzeige. Schwer verletzten Kollegen wünscht er alles Gute oder drückt ihnen Granaten in die Hände, damit sie vor ihrem Ende noch möglichst viele Gegner ausschalten. Das ist schon wieder originell, jedenfalls ein erfrischendes Gegenstück zum üblichen verlogenen Hohelied auf US-amerikanische Kameraderie: Wir holen dich hier raus, koste es, was es wolle! Wohin solche Parolen führen, demonstrieren sowohl „Lone Survivor“, ebenfalls von Peter Berg, oder „Black Hawk Down“ von Ridley Scott. Ein einziges Mal zeigt Silva Mitgefühl, und zwar als seine dezimierte Crew vor der Entscheidung steht, Kollegin Alice Kerr zurückzulassen oder nicht. Da setzt er sich über Bishops Anordnung hinweg und rettet ihr das Leben. Nach der scheinbar erfolgreichen Erledigung ihres Auftrags gewährt er Kerr sogar eine Woche Sonderurlaub, was er wahrscheinlich noch nie gemacht hat.

Ungereimtheiten

Leider wartet „Mile 22“ mit einer ganzen Reihe von Ungereimtheiten auf. Nachdem Noor sich Zugang zur amerikanischen Botschaft verschafft hat, wird er von drei Agenten des nationalen Geheimdienstes attackiert. Da fragt man sich schon, wie die ungehindert in die wie eine Festung gesicherte Botschaft gekommen sind? Weiter fragt man sich, warum die einheimischen Geheimdienstler auf öffentlichen Straßen Jagd auf die US-amerikanische Eskorte macht? Das würde man doch eigentlich subtiler angehen, schon um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden (s. „Red Sparrow“). Das eigentliche Ziel der russischen Agenten ist Silva, wie wir in der Anhörung erfahren. Da der, genauso wie Bishop, am Ende überlebt, ist der Racheplan der russischen Agenten aber kläglich gescheitert. Also, was soll das alles?

Finale

Weiter ist völlig unklar, was am Schluss in der amerikanischen Transportmaschine passiert. Es gibt Hinweise darauf, dass Noor die Waffe eines Soldaten an sich gebracht hat. Aber was dann geschehen ist, wird nicht erzählt. Wir erfahren nur, dass Silva im Verhör nicht über seine an Bord befindliche Kollegin Alice Kerr reden möchte. Wahrscheinlich ist sie im Flugzeug von Noor überwältigt und getötet worden? Den Zuschauer darüber im Unklaren zu lassen, ist aber – mit Verlaub – äußerst schwach. Die alternierend montierten Verhörszenen, in denen Silva zur Operation befragt wird, finden zeitlich nach dem Actionszenario statt. Nachdem man das begriffen hat, weiß man leider auch, dass dem Helden im ganzen bleihaltigen Schlamassel nichts passieren wird, was dramaturgisch natürlich nicht so toll ist. 

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Mile 22"

Baby Driver (Edgar Wright) USA, GB 2017

„Baby Driver“ ist ein rasanter Actionthriller, der vor allem in seinen leisen Momenten und mit einer sehr schönen Liebesgeschichte überzeugen kann. Regisseur Edgar Wright ist zuvor schon mit der schwarzhumorigen Horrorkomödie „Shaun of the Dead“ positiv aufgefallen. Protagonist ist der junge Miles, den alle Baby nennen (Ansel Elgort) und der wie in „Drive“ als Fluchtfahrer arbeitet. Aber er hat keine wechselnden Auftraggeber, sondern fährt für Gangsterboss „Doc“ (Kevin Spacey), dessen Mercedes er einmal geklaut hat. Den entstandenen Schaden muss er nun abarbeiten. „Noch ein Job und wir sind quitt“, ködert ihn der Boss. Da ahnt man schon, dass dem nicht so sein wird.

Die Geschichte

Baby hat seine Eltern bei einem Autounfall verloren. Das ist sein Trauma, vor allem der Verlust der geliebten Mutter, die sich auch als Sängerin versucht hat. Er lebt bei seinem gelähmten Pflegevater, um den er sich rührend kümmert. Seit dem Unfall leidet Baby unter einem Tinnitus, weshalb er ständig Ohrhörer trägt und Musik hört. Dann lernt er die Kellnerin Debora (Lily James) in einem Diner kennen. Beide bewegen sich auf einer Wellenlänge, Schnittpunkt ist der gemeinsame Musikgeschmack. Ansel Elgort spielt den Held mit einer Mischung aus wortkarger Verletzlichkeit und jugendlichem Draufgängertum. Gerade in den Momenten, in denen er verloren wirkt, kann er die Zuschauer für sich gewinnen. Die Liebesgeschichte wird vorbildlich mit den brutalen Überfällen der Gangster kontrastiert. Die sind allesamt hervorragend und originell gecastet.

Der Ausstieg

Nach dem letzten Job für Doc muss „Baby Driver“ „nur“ noch eine Leiche entsorgen. Anschließend wirft er das Handy weg, mit dem er seine Aufträge erhält: „Mein Huhn hat gerade ein großes Ei gelegt“. Baby fängt einen Job als Pizzafahrer an, bei dem er zwar nur einen Bruchteil verdient, aber immerhin von einer unbeschwerten Zukunft mit Debby träumen darf. Die Hoffnung währt bis zu einem Dinner, zu dem er seine Freundin eingeladen hat. Die Kosten im Edelrestaurant übernimmt der ebenfalls anwesende Doc. Der macht ihm anschließend klar, dass es keinen Ausstieg gibt, wenn Debby nichts passieren soll. Da ist auch Baby klar, dass es für ihn eigentlich nur eine Chance gibt, nämlich mit Debby durchzubrennen.

Die Verabredung

„2 Uhr nachts“ lautet ihre Verabredung. Aber die Gangster, allen voran Buddy und Bats, sind misstrauisch. Sie konfrontieren Baby mit seinen Tonbandaufzeichnungen von den Planungen des Überfalls auf ein Postamt. Für sie ist der Fall klar: Baby ist ein Cop. Seine Erklärung, die Tonaufnahmen für die Komposition von Rapstücken zu verwenden, halten sie für eine dämliche Ausrede. Erst als Bats seinem Pflegevater einen Besuch abgestattet hat und mit einem Koffer voller Tonbänder zurückkehrt, sind sie halbwegs beruhigt. Aber sie lassen Baby nicht mehr aus den Augen, weshalb er die Verabredung mit Debby nicht einhalten kann.

Der Überfall

Der Raubüberfall auf das Postamt am nächsten Morgen endet im Desaster. Baby will eine Kassiererin vor dem Betreten des Postamts warnen. Die verständigt einen Sicherheitsbeamten, den die Gangster einfach erschießen. Baby ist geschockt. Er tötet Bats mit einem Auffahrunfall. Bei der anschließenden Schießerei mit Polizisten wird auch Buddys Freundin getötet. Der gibt Baby die Schuld am Tod seiner Geliebten und macht nun Jagd auf ihn.

Finale

Am Ende kann Baby den Verfolger unschädlich machen, auch dank Docs Hilfe. Im entscheidenden Moment zeigt der Gangsterboss väterliche Gefühle für Baby. Der versucht jetzt seinen Traum doch noch wahr zu machen und flieht mit Debby im Wagen vor der Polizei. Der Schluss ist einfach grandios. Da hätte „Drive“ sich mal ein Beispiel dran nehmen können. Die Flucht endet auf einer Hochbrücke vor einer Polizeisperre. Die Weiterfahrt wäre sein sicherer Tod und wohl auch Debbys auf dem Beifahrersitz. Aber Baby zieht den Wagenschlüssel heraus und steigt aus. Dann wirft er den Schlüssel übers Geländer und stellt sich der Polizei. Damit hat er sehr wahrscheinlich auch Debbys Leben gerettet. „Baby Driver“ ist erwachsen geworden. Zum Glück kein „Thelma und Louise“-Ende, also das Liebespaar, das in den Tod fährt.

Schwachpunkte

Im Prozess bekommt Baby zwei Jahre wegen Mithilfe zum bewaffneten Raubüberfall. Als er entlassen wird, wartet Debby auf ihn. Jetzt ist er wirklich frei. Das ist sehr schön und stimmig komponiert. Der Thriller ist auch hervorragend montiert. Die Choreografie der rasanten Autofahrten mit der Filmmusik ist brillant. Einziges Manko: Edgar Wright übertreibt es mit den Ballereien. Sein Hang zum Schrillen geht wieder mit ihm durch. Die blutige Schießerei mit den vermeintlichen Waffenhändlern, die sich als Cops entpuppen, ist völlig überflüssig. Sie hat überhaupt keine Handlungsrelevanz. Solche Szenen schmälern leider den positiven Gesamteindruck.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Baby Driver"

Project X (Nima Nourizadeh) USA 2012

„Project X“ von Nima Nourizadeh hat zwei entscheidende Vorteile: Sie behandelt die irdischen Probleme von drei heranwachsenden Jungs und geht dabei völlig hemmungs- und rücksichtslos zu Werke. Die Geschichte beruht auf einem tatsächlichen Fall und erinnert an „Ferris macht blau“. Sie wird konsequent aus der Perspektive des 17-jährigen Thomas und seiner Kumpels Costa und JB erzählt. Den vierten im Bunde (Dax) von der „Schwuchtel-Video-AG“ (Originalton Costa) sieht man so gut wie gar nicht, denn der dokumentiert alles mit seiner Kamera.

Stärken

Das Casting der Protagonisten und sämtlicher Nebendarsteller ist hervorragend. Die Story ist ganz einfach: Thomas, Costa und JB fühlen sich als Loser und wollen ihr Image mit einer coolen Party aufbessern. Leider läuft „Project X“ völlig aus dem Ruder und endet mit einer Verwüstung der väterlichen Villa, mit Polizei und Feuerwehreinsätzen. Sehr schön ist auch das emotionale Auf und Ab des Helden zwischen Euphorie (im Bett mit der eigentlich unerreichbaren Traumfrau) und totaler Resignation angesichts zunehmender Verwüstung der heimischen Partylocation. Da hat selbst Großmaul Costa alle Hände voll zu tun, nicht nur seine Kumpels mit Durchhalteparolen bei Laune zu halten: „Was auch passiert, es war eine richtig geile Nacht.“

Schwachpunkte

Es gibt drei Schwachpunkte: Wenn der Vater am Ende mit Thomas vor den Überresten seiner Villa steht und sein Mercedes gerade aus dem Pool gehievt wird, sollte seine Standpauke schon drastischer ausfallen. Mit seiner Mischung aus Ärger und Stolz, weil er eine derartige Aktion seinem Sohn gar nicht zugetraut hat, unterstützt er letztlich die fragwürdige Message dieses Films: Wenn du eine geile Party machst, dann bist du wer! In diese Kategorie fällt auch der kritiklose und exzessive Alkohol- und Drogenkonsum vor und während der Party. Das böse Erwachen, der ja Teil eines Reifeprozesses sein kann, findet nicht statt. Das ist schade und verleiht dem Film etwas Infantiles.

Lösungen

Wie wäre es denn gewesen, wenn betrunkene Partybesucher auf der Rückfahrt im Auto einen Unfall verursacht hätten und jemand zu Schaden gekommen wäre? Dann hätten die drei Freunde damit leben müssen. Das wäre ebenso interessant wie dramatisch gewesen und hätte dem vorangegangenen Spaß keinen Abbruch getan. Im Gegenteil. Kontrastierungen intensivieren die Wirkung. Geradezu schmalzig gerät Thomas’ Versöhnung am Ende mit seiner Sandkastenfreundin Kirby. Das passt überhaupt nicht zum rotzigen Grundtenor des Films und ignoriert die fällige Entwicklung des Protagonisten. Eine Loslösung von Kirby als Ausdruck seiner „Reifeprüfung“ wäre es gewesen. So reicht es für „Project X“ am Ende doch nur zu einem „Hangover“ für Teenager.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Project X"

Lone Survivor (Peter Berg) USA 2013

Lassen wir diese oscarnominierten Langweiler mal für einen Moment ruhen und wenden uns einem richtigen Spielfilm zu. Fälschlicherweise als Kriegsfilm bezeichnet, handelt es sich bei „Lone Survivor“ von Peter Berg um ein exzellent gestaltetes Antikriegsdrama, das auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. Die Pretitle-Sequenz ist ein kleines Meisterstück. Die Kamera, die Montage, die Dialoge, das Casting, vor allem die Filmmusik und das Sounddesign sind herausragend. Das Geräusch von Kampfhubschraubern wechselt abrupt zur Ruhe in den afghanischen Bergen, in denen sich die vier Navy Seals Marcus Luttrell, Mike Murphy, Danny Dietz und Matt Axelson verschanzt haben. Die Ruhe vor dem Sturm. Später, als die Protagonisten schon schwer verletzt sind, werden die Gefechtsgeräusche leiser, verschwommener, tranceartig. So nehmen wir aus ihrer Perspektive den Überlebenskampf wahr.

Die Geschichte

Der erste dramatische Höhepunkt hat es in sich. Die vier Navy Seals haben den Auftrag, einen Talibanführer im nahe gelegenen Dorf auszuschalten. Auf ihrem Beobachtungsposten werden sie von drei Ziegenhirten entdeckt. Die Soldaten nehmen sie gefangen und verhandeln über deren Schicksal, das auch zugleich ihres ist. Sollen sie die drei eliminieren, fesseln, was ebenfalls deren Tod bedeuten würde oder laufen lassen, was sehr gefährlich wäre? Dieser Wendepunkt wird fachgerecht retardiert und zelebriert, bis ihr Anführer Mike Murphy den Befehl gibt, den Einsatz abzubrechen und die Ziegenhirten freizulassen. Eine tödliche Entscheidung, denn die Talibankämpfer sind ihnen schnell auf den Fersen. Was folgt, ist eine gnadenlose Treibjagd, die nur Marcus Luttrell schwer verletzt überlebt. Wer sich jemals darüber gewundert hat, warum in bleihaltigen Filmen so wenig Protagonisten getroffen werden, kann hier das Gegenstück erleben.

Der Film ist auch ein gnadenloser Abgesang auf Kameradschaft, Heldentum und Sinn derartiger Militäreinsätze. Nichts bleibt übrig vom Korpsgeist der verschworenen Truppe. Wie in Ridley Scotts „Black Hawk Down“ endet der Versuch, die Kameraden aus dem Feuergefecht zu retten, im Desaster. Der Transporthubschrauber, mit dem Commander Kristensen, seine Leute rausholen will, wird abgeschossen. 16 US-Soldaten kommen dabei ums Leben. Die Hoffnung zerschellt im Schiefergestein der afghanischen Berge.

Finale

Das Ende ist grandios und die Umkehrung des ersten dramatischen Höhepunkts. Afghanische Dorfbewohner finden den schwer verletzten Luttrell und verstecken ihn in ihren Hütten. Sollen sie seine Anwesenheit geheim halten, womit sie ihr Leben aufs Spiel setzen oder ihn an die Taliban verraten? Aber letztlich handeln sie nach ihrem Ehrenkodex, dem Paschtunwali, demnach ein Gast unter ihrem Dach uneingeschränkten Schutz genießt. Dafür nehmen sie sogar den offenen Schlagabtausch mit den Taliban in Kauf. Luttrell wird schließlich im letzten Moment von US-Einheiten gerettet. Er ist der „Lone Survivor“ dieses Himmelfahrtskommandos. Endlich mal eine Vorlage, die zur Verfilmung taugt, die alle dramatischen Voraussetzungen mitbringt. Ein bleihaltiger und blutiger Akt der Völkerverständigung.

Schwachpunkte

Es gibt einen gravierenden Schwachpunkt und einen kleineren: Die Geschichte hätte an Tiefe und Emotionalität gewinnen können, wenn sie konsequent aus der Perspektive von Marcus Luttrell erzählt worden wäre. Die vier Navy Seals agieren zu gleichberechtigt. Luttrells Erzählerstimme führt uns leider nur am Anfang und am Ende in die Geschichte ein. Insgesamt erfahren wir zu wenig von ihm. Der kleine Junge von Luttrells afghanischer Gastfamilie hat so hautnah am Kampfgeschehen eigentlich nichts verloren. Da kommt dann doch noch das Hollywood-Pathos zum Vorschein, als der „Lone Survivor“ sich am Ende vom Jungen verabschiedet. Ansonsten: Perfektes Kino.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Lone Survivor"

Kick-Ass (Matthew Vaughn) GB, USA 2010

Diese durchgeknallte Actionkomödie von Matthew Vaughn macht richtig Spaß. Der Plot hat einen ganz irdischen Ursprung. Nicht nur das ist ein großer Vorteil. Der 17-jährige Held, Dave Lizewski (Aaron Johnson), fühlt sich in seinem Leben als Loser. Sein Traum ist es, ein Superheld zu sein und das Herz der hübschen Katie zu erobern. Also, bestellt er im Internet ein Supermann-Kostüm und zieht als Kick-Ass los, um die Welt vor dem Bösen zu bewahren, was natürlich in die Hosen geht.

Die Geschichte

Angeführt vom Ich-Erzähler stimmt der Film einen rotzfrechen Grundton an und legt ein furioses Erzähltempo vor. Daves Bemühungen rufen nämlich andere verkleidete Superhelden – Big Daddy (Nicholas Cage) und Hit-Girl (Cloe Grace Moretz) – auf den Plan, die sich einem Rachefeldzug gegen Gangsterboss Frank d’Amico verschrieben haben. Damit sind alle Figuren im Spiel und es kann ordentlich zur Sache gehen. Erfreulicherweise haben die Filmemacher mit Moral oder Political correctness nicht allzu viel am Hut. Hier dominiert eher die Ruchlosigkeit, die sich in slapstickhafter Situationskomik, auch mal in feuchten Tagträumen oder wilden Ballereien ausdrückt.

Schwarzer Humor

Fragwürdige Grenzüberschreitungen zur Geschmacklosigkeit werden einfach in Kauf genommen. Der Humor ist schwärzester Couleur, manchmal auch blutrot. Die Hemmungslosigkeit, mit der hier zu Werke gegangen wurde, ist vorbildlich. Die Gangster – allen voran Boss d’Amico und Sprössling Chris, aber auch alle anderen – sind hervorragend gecastet. Man schaut ihnen gern dabei zu, wie ihre Bemühungen ein ums andere Mal scheitern und sich ihre Reihen lichten.

Finale

Ein Schwachpunkt ist Katies Reaktion auf Daves Eingeständnis, doch nicht schwul zu sein. Im Film bleibt das folgenlos. In der Comicvorlage wendet Katie sich von Dave ab. Das ist origineller, dramatischer und besser. Mit Heteros will sie eben lieber nichts zu tun haben. Insgesamt ist die Story von „Kick-Ass“ schon ein bisschen gaga und nicht besonders tiefschürfend, aber ansonsten: Kintopp at its best.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 5 blaue Smileys und 2 schwarze traurige Gesichter für Kick-Ass.

Die sieben Samurai (Akira Kurosawa)

„Die sieben Samurai“ ist einfach der Hammer! Das Actiondrama entführt den Zuschauer wie in einem Science-Fiction-Film in eine völlig fremde Welt mit anderen Regeln, Geboten und Widrigkeiten. Die Geschichte spielt im Japan des 16. Jahrhunderts und hat einen ganz einfachen Plot: Die Bauern eines kleinen Dorfes werden regelmäßig von grausamen Banditen überfallen. Zur Verstärkung engagieren sie sieben Samurai, mit deren Hilfe sie nach einem gnadenlosen Kampf die Angreifer bezwingen können.

Dramaturgie

Wie Akira Kurosawa hier über drei Stunden (!) die Spannung aufbaut, eskaliert und bis zum Anschlag treibt, ist schon grandios. Kunstgerecht wird die tödliche Gefahr in Gestalt der marodierenden Räuberbande sofort etabliert. Über drei Stunden ist sie ständig präsent, in den Beratungen der Dorfbewohner, in der Suche nach Hilfe, im Bau von Befestigungsanlagen, im Waffen-Training, in den Konflikten zwischen Bauern und Samurai bis zum finalen Kampf.

Wendungen

Kurosawa baut etliche Wendungen und Überraschungen ein, die die gesellschaftliche Spaltung zwischen den armen Bauern und der Kriegerklasse der Samurai deutlich machen. Zum einen fühlen diese sich verraten, als sie eine Rüstung von einem offensichtlich erschlagenen Samurai entdecken. Zum anderen fühlen die Dorfbewohner sich bedroht und haben Angst um ihre Frauen. Bei den Kampfszenen setzte Kurosawa zeitgleich mehrere Kameras ein und schuf so eine unglaubliche Dynamik.

Held

Der eigentliche Star des Films ist Kikuchiyo (Toshiro Mifune), der eigentlich gar kein Samurai ist, sondern bäuerlicher Herkunft. Gerade deshalb kann er die Ängste und Nöte der Dorfbewohner verstehen. Er zeigt genauso viel Verständnis wie er ihnen ihre Versäumnisse vorhält. Die Härte und Schonungslosigkeit der Dialoge wirkt im Kontrast mit der kulturell bedingten Unterwürfigkeit der niederen Kasten noch intensiver. Von diesem Meisterwerk gibt es etliche Remakes. Wobei sich eigentlich gar nicht die Frage stellt, ob es nicht klüger wäre, davon lieber die Finger zu lassen. Eigentlich kann man dabei nur verlieren, pekuniäre Kriterien mal außen vor gelassen. Das veranschaulicht zum Beispiel die lachhafte Neuauflage „Die glorreichen Sieben“ von John Sturges.

Finale

Am Schluss von „Die sieben Samurai“ ziehen die überlebenden Krieger weiter. Sie werden nicht mehr benötigt. Ihre Kaste ist dem Untergang geweiht, visualisiert durch einen Schwenk über die Gräber der gefallenen Samurai. Anstelle von Kreuzen stecken ihre Schwerter aufrecht in den Gräbern. Das ist das Drama: Die Samurai haben für eine handvoll Reis ihr Leben aufs Spiel gesetzt, es entweder verloren oder stehen nun mit leeren Händen da. Ganz großes Kino!

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 7 blaue Smileys für Die sieben Samurai.