The Revenant (Alejandro G. Iñárritu) USA 2015

Der Schnee-Western „The Revenant“ ist Iñárritus Meisterwerk, weil er mit dem Roman „Der Totgeglaubte – Eine wahre Geschichte“ von Michael Punke eine kongeniale dramatische Vorlage hat. Weil er sich hier ganz auf ein klassisches Erzählmotiv und seinen Protagonisten konzentriert. Weil er sich nicht in weitschweifigen Nebengeschichten verliert wie in „Babel“. So konnte Iñárritus filmsprachliches Talent zur vollen Entfaltung kommen und nicht Schiffbruch erleiden wie in seinem Antifilm „Beautiful“. Im Grunde verhält es sich bei Iñárritu ähnlich wie bei den Coen-Brüdern: Immer dann, wenn sie sich an eine einfache dramatische Vorlage halten, sind ihre Filme am stärksten („True Grit“).

Protagonisten

Von Anfang an hängt das Leben des Trappers Hugh Glass am seidenen Faden. Was er durchleidet ist schier übermenschlich und Leonardo DiCaprio verleiht der Rolle eine unglaubliche Intensität. Wenn er dem Tode nahe mit letzter Kraft durch den Schnee robbt, dann zittern wir nicht wegen der Eiseskälte mit ihm. Auch sein Gegenspieler, der gefühlskalte, geldgierige und gewalttätige Fitzgerald (Tom Hardy) agiert brillant. Neben Hugh Glass gibt es einen zweiten Hauptdarsteller. Das ist die atemberaubende winterliche Landschaft Nordamerikas (gedreht wurde der Film in Feuerland, Argentinien). Eigentlich ist der Film eine Demonstration der dramaturgischen Kardinalregel: Aufbau eines originären Helden, der in maximale Schwierigkeiten manövriert wird.

Dramaturgie

Es beginnt mit einem Überfall von Arikaree-Indianern auf eine Expedition, für die Glass als Kundschafter arbeitet. Die Überlebenden schlagen sich erst zu Wasser, dann auf dem Land zum nächsten Fort durch. Als nächstes wird Glass von einem Bären attackiert. Die Intensität dieses tödlichen Kampfes zwischen Mensch und Tier sucht in der Filmgeschichte ihresgleichen. Glass überlebt schwerverletzt. Was Iñárritu dann macht, ist wirklich bemerkenswert. Von einer wundersamen Heilung wie in vielen anderen Hollywoodfilmen sind wir hier weit entfernt. Glass ist nicht transportfähig, eigentlich schon so gut wie tot. Deshalb will Fitzgerald ein wenig nachhelfen und Glass ersticken. Dessen indigener Sohn Hawk kann den Mordversuch vereiteln, wird aber seinerseits von Fitzgerald erstochen. Das ist die Schlüsselszene des Films, der Grund, weshalb Glass seine letzten Lebensreserven mobilisiert. Der Mörder seines Sohnes darf nicht davonkommen. „The Revenant“ ist also eine Rachegeschichte. Zur Synchronisation der Gefühle mit dem Helden trägt auch die exzellente Filmmusik und die herausragende Arbeit des mexikanischen Kameramanns Emmanuel Lubezki bei.

Roman vs. Verfilmung

Die Geschichte vom Überlebenskampf des Trappers Hugh Glass beruht auf tatsächlichen Begebenheiten, wobei Michael Punke sich mehr an den überlieferten Ereignissen orientiert als Iñárritu. Das ist für die Erzählung nicht immer von Vorteil. Fast alle Eingriffe, die Iñárritu vorgenommen hat, tragen zur Dramatisierung und Verdichtung bei. Sie sind also ein erzählerischer Gewinn. Insbesondere die Schlüsselszene, in der Fitzgerald vor den Augen des schwerverletzten Trappers dessen Sohn ermordet, ist an Dramatik kaum zu überbieten und intensiviert das Rachemotiv. Auch die Reduktion des Überlebenskampfes auf das Ziel, ein rettendes Fort zu erreichen (im Roman sind es drei) ist ein Gewinn. Nur in zwei Punkten ist der Roman stärker. Zum einen beleuchtet er ausführlich die spannende Vorgeschichte des Helden. Hier hätte Iñárritu einfach einen Erzähler etablieren oder die Protagonisten sich am Lagerfeuer Geschichten erzählen lassen können. Zum zweiten wird im Film der Racheakt vollzogen, im Roman aber nicht. Der Verzicht bzw. die Einsicht wirkt eigentlich stärker. Fraglich ist eben, ob für Fitzgerald nicht das Weiterleben die größere Strafe darstellt als der Tod (s.a. „Der Tod und das Mädchen“ von Roman Polanski)?

Schwachpunkte

Trotz der konzentrierten Vorlage erliegt Iñárritu auch in „The Revenant“ seinem Hang zur selbstverliebten Weitschweifigkeit. Regelmäßig verlässt er seinen Helden, um parallele Ereignisse zu erzählen. Wenn der Zuschauer von den herannahenden Arikarees informiert wird, ist das dramaturgisch richtig. Aber welche Handlungsrelevanz hat der Marsch des Captains und seiner Männer zum rettenden Stützpunkt? Immer wieder bremsen Traumsequenzen in Zeitlupe die Erzählung. Was sagt uns das, wenn Glass minutenlang in einer niedergebrannten Kirche zu sehen ist, in der er dann seinen ermordeten Sohn in die Arme schließt? Gar nichts, außer dass er seinen Sohn geliebt hat, was wir aber eh schon wissen. Also, insgesamt hätte dem Film eine Kürzung von 10 bis 15 Minuten gut getan. Weniger ist meistens mehr.

Finale

Nach einem Kampf auf Leben und Tod fragt Fitzgerald den „Revenant“: „ Und dafür der ganze Aufwand? Lohnt sich das alles? Deinen Jungen kriegst du davon auch nicht zurück.“ Das sind aber die Fragen, die Glass dem Mörder seines Sohnes hätte stellen müssen: Lohnt es sich, für ein paar Dollar mehrere Menschen zu ermorden? Irgendwie stimmt hier die Perspektive nicht. Den eigentlichen Racheakt überlässt Glass den Arikaree-Indianern, die dem verwundeten Fitzgerald die Kehle aufschlitzen. Was mit dem ebenfalls schwer verletzten Helden passiert, lässt der Film offen. Aber dem hat ja, nach eigenem Bekunden, eh nur die Rachsucht am Leben gehalten.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "The Revenant"

Auf der Kugel stand kein Name (J. Arnold)

„Auf der Kugel stand kein Name“ beginnt damit, dass der Revolverheld John Gant (Audie Murphy)nach Lordsburg reitet. Ihm eilt der Ruf voraus, ein Auftragskiller zu sein, der seine Opfer erst provoziert bevor er sie erschießt. Damit ist die tödliche Gefahr sofort etabliert und schwebt wie ein Damoklesschwert über den Bewohnern der kleinen Stadt: „Gant ist wie eine Seuche, gegen die wir noch kein Mittel haben.“ Fast jeder könnte im Fadenkreuz des Revolverhelden stehen. Das ist super, zumal diese Ausgangssituation auch jede Menge psychologisches Potenzial hat. Alle, die Dreck am Stecken haben, wittern einen Racheakt.

Hauptperson ist der Arzt Luke Canfield (Charles Drake), Sohn des örtlichen Schmieds. Er ist liiert mit Anne Benson, der Tochter des schwerkranken Richters. Luke und John sind sich nicht unsympathisch. Sie spielen sogar eine Partie Schach miteinander. Erst als die bloße Anwesenheit des Fremden zu Übergriffen, Selbstmord und Schießereien unter den Bewohnern führt, ergreift Luke Partei. Er stellt sich sogar an die Spitze einer Bürgerwehr, auch wenn er damit nur Schlimmeres verhindern will. Am Schluss ist es der verletzte Luke, der den Auftragskiller ausschalten kann.

So spannend die Grundidee ist, so altbacken kommt die Inszenierung daher, leider ganz im Stile eines 50er-Jahre-Western. Wenn John Gant anfangs aus der Wildnis kommt, ist er frisch rasiert und adrett gekleidet. Schon seltsam. Selbiges gilt auch für sämtliche Einwohner von Lordsburg. Das verleiht dem Western eine künstliche und infantile Note. Die Bildkomposition erfolgt vornehmlich in längeren Halbtotalen. Auch das würde man heute anders machen. Man hätte es auch seinerzeit schon anders machen können. In Akira Kurosawas „Die sieben Samurai“ von 1953 geht es, was Ausstattung und Inszenierung angeht, anders zur Sache und zwar richtig.

Ein Schwachpunkt ist auch die Vielzahl an Personen und Handlungssträngen, die der Film ins Spiel bringt. Es gibt außerhalb der Stadt eine Silbermine, an der Geschäftsmann Earl Stricker, Hotelbesitzer Henry Reeger und Farmer Ben Chaffee Anteile besitzen. Im Grunde befürchtet jeder von ihnen die Gier der Mitgesellschafter. Gerüchte und Spekulationen schaffen Argwohn und Misstrauen. Bankbesitzer Ted Pierce hängt irgendwie im Schlamassel mit drin und begeht Selbstmord. Lou Fraden hat einem Freund die Frau ausgespannt und befürchtet nun dessen Rache. Durch diese Anhäufung an Episoden bleibt eben Vieles an der Oberfläche. Ihre Vorgeschichten bleiben allesamt im Dunkeln.

Am Ende wartet „Auf der Kugel stand kein Name“ mit einer Überraschung auf. John Gant hat keinen der üblichen Verdächtigen im Visier. Auf seiner Todesliste steht kein Geringerer als Richter Benson. Vor Jahren war er mal an der illegalen Benennung des Gouverneurs und seines Stellvertreters beteiligt. Das belegt ein geheimes Dokument, das Anne in einer Schatulle findet. Leider erfahren wir weder etwas über den Inhalt dieses Dokuments noch über die Identität des Auftraggebers. Das ist schade. Man fragt sich auch, warum ein korrupter Richter derart belastendes Material aufbewahren sollte? Fazit: Das Potenzial dieser spannenden Grundidee wird leider nicht ausgeschöpft.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für "Auf der Kugel stand kein Name"

Bravados (Henry King) USA 1958

Mit seiner teilweise angedeuteten, teilweise ungeschminkten Kompromisslosigkeit und Härte wirkt „Bravados“ wie ein Vorbote der späteren Italo-Western. Erzählt wird ein klassisches Rachedrama, deren Vorgeschichte man häppchenweise erfährt (Ibsensche Enthüllungsdramaturgie). Der schwarz gekleideten Farmer Jim Douglas (Gregory Peck) reitet allein nach Rio Arriba, um der Hinrichtung von vier zum Tode verurteilten Gangstern beizuwohnen. Dort trifft er auch auf die hübsche Josefa Velarde (Joan Collins), mit der er früher wohl mal eine Beziehung hatte. Fragen beantwortet er bruchstückhaft oder ausweichend. Eine geheimnisvolle Aura umgibt den wortkargen, verbitterten Farmer. Man fragt sich die ganze Zeit, was ihm widerfahren ist? Das ist gut gemacht und steigert die Spannung.

Dann erscheint der angereiste Henker auf, der aber mit den Gangstern unter einer Decke steckt. Bei ihrer Flucht nehmen sie Amy, die Tochter des Drugstorebesitzers, als Geisel mit. Einem sofort zusammen gestellten Suchtrupp schließt Jim Douglas sich nicht an. Er hat seine eigenen Pläne, was ihm den Vorwurf der Feigheit einbringt. Das stört den Lonesome Rider aber nicht an. Er ruht sich erst mal aus und macht sich am nächsten Tag an die Verfolgung. Schon bald stößt er auf den Suchtrupp, der von einem der Gangster in Schach gehalten wird. Aber jetzt erweist Jim Douglas sich als ein zu allem entschlossener und fähiger Anführer.

Den ersten im Hinterhalt lauernden Gangster kann er überwältigen. In der rechten Hand hält Jim Douglas seinen Revolver, mit der Linken zeigt er ihm das Foto einer jungen Frau. Erst jetzt kann man die Zusammenhänge erahnen. Es ist ein Bild seiner Ehefrau, die vergewaltigt und ermordet wurde. Obwohl der Gangster im Angesicht des Todes seine Unschuld beschwört, kennt Douglas keine Gnade. Hasserfüllt erschießt er den am Boden liegenden Verbrecher. Derweil klärt der Pater von Rio Arriba Josefa über den Meuchelmord an Jims Ehefrau auf. Sein Nachbar Butler hatte die vier Gangster zur Tatzeit in der Nähe von Jims Farm beobachtet.

Den zweiten Gangster hängt Douglas einfach auf. Seine Kumpanen erreichen Butlers Farm, wo sie sich erst mal ihren Hunger stillen. Den flüchtigen Farmer erschießt der dritte Gangster von hinten. Der vierte, ein Indio, findet einen Geldbeutel beim Toten und nimmt ihn an sich. Zeitgleich wird Amy vom dritten Gangster im Farmhaus vergewaltigt. Dann flüchten die Verbrecher zu zweit weiter nach Mexiko. Als Jim Douglas mit dem Suchtrupp auf Butlers Farm eintrifft, sieht er sich angesichts seines ermordeten Nachbarn und der vergewaltigten Amy in seiner erbarmungslosen Jagd bestätigt. Am Rio Grande, der Grenze zu Mexiko, setzt er die Verfolgung allein fort.

Den dritten Gangster stöbert Douglas in einer Cantina auf und erschießt ihn im Duell. Der Indio kann fliehen, aber Douglas ist ihm auf den Fersen. In einer kleinen Hütte, in der der vierte Gangster mit Frau und Kind lebt, kommt es zum Showdown. Douglas hat nur Augen für den Indio, wird aber von dessen Frau außer Gefecht gesetzt. Nun wird der Spieß umgedreht. Douglas wird mit dem Revolver bedroht und berichtet von seinem Schicksal. Aber der Indio kann seine Unschuld beweisen, denn der Geldbeutel, den er Butler abgenommen hat, gehört eigentlich Douglas. Den kann sein Nachbar aber nur gewaltsam an sich genommen haben. Jetzt wird Jim Douglas klar, wer tatsächlich seine Frau ermordet hat und welchem Irrtum er unterlegen ist. Kein Geringerer als sein Nachbar war der Mörder seiner Frau. Nachdem der Indio spürt, dass von Douglas keine Gefahr mehr ausgeht, lässt er ihn laufen.

Der ganze Schluss von „Bravados“ ist eine erzählerische Katastrophe. Zum einen müsste Jim Douglas die Erkenntnis, eigentlich nicht viel besser zu sein als seine Opfer, regelrecht erschüttern. Schließlich entlarvt die Wahrheit über den Mord an seiner Frau die ganze Fragwürdigkeit seines Rachefeldzugs. Zum zweiten fällt die Reaktion seiner Mitmenschen auf seinen tödlichen Irrtum schon unfreiwillig komisch aus. „Sie haben nur drei Verbrecher ihrer gerechten Strafe zugeführt“, versucht ihn der Pater zu beruhigen. Als Jim Douglas in der Schlusseinstellung die Kirche verlässt, jubeln ihm die Einwohner des Ortes zu. Worüber jubeln die? Darüber, dass ein Selbstjustiz praktizierender Farmer unter ihnen weilt? Zum dritten schreitet er Arm in Arm mit Josefa daher, was einem vorhersehbaren und arg konstruierten Pseudo-Happy-End gleichkommt. Eigentlich hat diese Beziehung keine Handlungsrelevanz. Zum vierten fehlt natürlich die direkte Konfrontation zwischen dem Rächer und dem Täter. Die Bankräuber haben Jim Douglas sozusagen die Arbeit abgenommen. Das ist schade. Dabei hätte er jetzt mal zeigen können, dass mehr in ihm steckt als nur dieser blinde Hass. In „Der Graf von Monte Christo“ demonstriert Alexandre Dumas wie’s richtig gemacht wird, desgleichen Ariel Dorfman in „Der Tod und das Mädchen“.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Bravados"

Pale Rider (Clint Eastwood) USA 1985

Mit seiner Kritik am Raubtierkapitalismus und am Raubbau an der Natur war „Pale Rider“ seiner Zeit weit voraus. Der Western ist eine Variation von Akira Kurosawas Abenteuerepos „Die sieben Samurai“. Anstelle eines Bauerndorfes wird hier eine Goldgräbersiedlung in einem kalifornischen Canyon regelmäßig von Männern des Minenbesitzers LaHood überfallen. Anstatt sieben Samurais kämpft hier nur einer zusammen mit den Siedlern für Frieden und Gerechtigkeit. Das ist kein Geringerer als der „Pale Rider“, den alle Prediger nennen (Clint Eastwood). Anfangs tritt er noch in der Verkleidung eines Reverends auf, um im Verlauf der Geschichte sein wahres Gesicht zu zeigen, nämlich das eines Revolverhelden. Das Szenario ist ganz einfach und verständlich angelegt: Gut gegen Böse in winterlicher Gebirgslandschaft. Das ist ein großer Pluspunkt, wobei die Guten – anders als in den US-amerikanischen Western der 50er und 60er Jahre – auch mal mit unlauteren Mitteln kämpfen. So sprengt zum Beispiel der Prediger zusammen mit dem Goldgräber Hull Barret (Michael Moriarty) das gegnerische Lager mit Dynamit in die Luft.

Der Film beginnt mit einer Gruppe von Reitern, die sich im rasenden Galopp einer Siedlung von Goldgräbern nähern. Das Getrappel der Pferde schwillt bedrohlich an. Im Lager reißen die Männer Hütten und Zelte nieder und schießen wild um sich. Aber es sind Warnschüsse. „Nur“ der Hund der 15-jährigen Megan wird tödlich getroffen. Die lebt im Camp mit ihrer alleinerziehenden Mutter Sarah Wheeler (Carrie Snodgress). Ihr Mann, das wird später deutlich, hat sich schon Jahre zuvor aus dem Staub gemacht. Umworben wird sie von Hull Barret. Nach dem Überfall kutschiert dieser, trotz Warnungen, in die nahe gelegene Stadt, um Vorräte zu besorgen. Dort wird er von Lahoods Leuten verprügelt, bis der auftauchende Prediger ihm aus der Patsche hilft. Zusammen kehren sie ins Lager zurück. Trotz seiner Kleidung erscheint der Prediger Megan wie die leibhaftige Erfüllung ihres erbeteten Beistands. Sowohl das junge Mädchen als auch ihre Mutter verlieben sich in den Fremden.

Der Canyon, in dem LaHood mit modernster Technik das Erdreich abträgt, ist wenig ergiebig. Nach einem Goldfund im Lager der Siedler will er deshalb mit allen Mitteln an ihre Claims. Vergeblich versucht LaHood, den Prediger zu bestechen und auf seine Seite zu ziehen. Aber der ist natürlich nicht käuflich und schlägt stattdessen vor, den Siedlern ein Kaufangebot in Höhe von 1.000 Dollar pro Claim zu machen. LaHood willigt schließlich ein, droht aber bei Scheitern der Kaufverhandlungen mit Marshal Stockburn und seinen Deputys. Das sind keineswegs Gesetzeshüter, sondern bezahlte Killer, die der Prediger zu kennen scheint.

Einige der Goldgräber wollen verkaufen, bis Hull eine flammende Rede hält und an ihren Teamgeist und ihre Würde appelliert. Schließlich entscheiden die Siedler sich zum Verbleib. Am nächsten Morgen scheint der Prediger verschwunden. Aber er holt nur seine Waffen aus einem Depot in der Stadt. Seine Verwandlung zum Revolverhelden ist nun vollkommen. Mittlerweile haben Stockburn und seine Leute den Ort erreicht. Ihre erste „Amtshandlung“ besteht darin, den betrunkenen Goldgräber Spider zu erschießen. Nachdem der Prediger LaHoods Lager in die Luft gesprengt hat, macht er sich allein auf den Weg zum letzten Duell in die Stadt. Dort wird er bereits von Stockburn, den Deputys und LaHoods Männern erwartet. Der Prediger kann seine Gegner separieren und einen nach dem anderen ausschalten, bis auf LaHood. Der versucht ihn aus dem Hinterhalt zu erschießen. Doch der herbeigeeilte Hull rettet dem Prediger das Leben. Dann reitet der „Pale Rider“ allein von dannen.

Trotz des Einzelgängertums seines Helden ist „Pale Rider“ ein Plädoyer für den Teamgeist. Der Zusammenschluss verleiht den Siedlern Rückhalt und Kraft. Er führt die Wende im bleihaltigen Kampf herbei. Selbst der einzelkampferprobte Prediger wäre ohne Hulls mutigen Beistand am Ende erschossen worden. Die Dialoge sind manchmal etwas banal, dann wieder erfrischend lakonisch und fragmentiert. Anstatt sich am Ende umständlich bei seinem Lebensretter zu bedanken, bemerkt der Prediger nur folgendes: „Sie sind gut zu Fuß.“ Hulll: „Ja, das bin ich.“ Mehr muss man ja auch nicht sagen.

Sehr schön ist auch die angedeutete „Unmögliche Liebe“ zwischen dem Prediger und Sarah bzw. zwischen dem Prediger und Megan. Beide Beziehungen haben keine echte Chance. Die schwärmerischen Avancen der Tochter weist der Prediger zurück und beschützt sie damit. Die Mutter wählt am Ende Hull, den sie zwar weniger liebt. Aber er ist der Partner, der sie nicht verlassen wird, wie einst ihr Ex-Mann oder der „Pale Rider“.

Demgegenüber leidet der Spannungsaufbau an der Kunstfigur des einsamen Revolverhelden. Der agiert sowohl mit seinen Fäusten als auch mit seinen Waffen im Stile eines Supermannes, weshalb man sich auch nicht groß ängstigt. Sein einziger Fauxpas, LaHoods Hinterhalt, kommt zu spät. Schade. Das hat Clint Eastwood in seinem späteren Meisterwerk „Erbarmungslos“ wesentlich besser gelöst. Da kommen die Helden verletzlicher und gebrochener daher. Insofern ist „Pale Rider“ eigentlich nur eine Fingerübung für den großen Wurf. Dieser Schwachpunkt betrifft auch die Antagonisten. Marshal Stockburn hat der Strategie des Predigers beim Showdown nichts entgegenzusetzen. Auch beim finalen Duell lässt er sich einfach erschießen. Da ist Sheriff Little Bill (Gene Hackman) in „Erbarmungslos“ schon ein anderes Kaliber. Man hätte auch gern mehr über die Vorgeschichte von Stockburn und dem Prediger erfahren. Offensichtlich sind sie in der Vergangenheit schon einmal aneinander geraten, worauf auch die Schussnarben auf dem Rücken des Predigers hindeuten. Stockburn hat ihn wohl für tot gehalten. Aber was genau passiert ist, bleibt leider im Dunkeln.

Die Szene mit dem betrunkenen Goldgräber Spider, der Stockburn und seine Leute auf der Straße provoziert, ist kompletter Unfug. Selbst im alkoholisierten Zustand kann man eigentlich nicht so blind ins Verderben laufen. Außerdem hätten seine anwesenden Söhne ihn vor dieser Dummheit bewahren müssen. Insgesamt ein leidlich spannender, aber origineller und unterhaltsamer Western vor beeindruckender Gebirgskulisse.

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Neues aus der Welt (Paul Greengrass)

Wohlwollend betrachtet, könnte man diesen Western als elegisch bezeichnen, langweilig oder behäbig wäre allerdings zutreffender. Genau wie in „The Power of the Dog“ auch hier der Fehler, die Geschichte viel zu früh zu beginnen. Die sollte natürlich beim ersten dramatischen Höhepunkt einsetzen und das ist Captain Jefferson Kyle Kidds (Tom Hanks) Entdeckung eines von marodierenden Südstaatlern überfallenen Fuhrwerks. Der schwarze Fahrer wurde aufgeknüpft und das weiße, bei den Kiowas aufgewachsene Mädchen, Johanna Leonberger, hat sich in die Büsche geschlagen. Der Überfall selbst und die Identität der Mörder wird uns vorenthalten. Nun gut. Aber wieso begibt sich das traumatisierte Mädchen so schnell in Captain Kidds Obhut, in die eines Fremden? Hier müsste – auch in der Folgezeit – mehr Widerstand erfolgen.

Es wäre die Chance für eine konfliktreiche Odd-Couple-Konfiguration gewesen. Wieso lassen die Mörder das Mädchen überhaupt ungeschoren davonkommen? Sie ist doch die einzige Zeugin eines brutalen Verbrechens. Auch dieses Erzählmotiv („Der bedrohte Zeuge“) lässt Paul Greengrass sich entgehen. Wie wär’s denn gewesen, wenn Captain Kidd die Mörderbande überrascht hätte? Weil er Südstaatler ist, hätten sie ihn erst mal verschont. Dann wäre – wie gehabt – die Kavallerie gekommen. Die Bande hätte fliehen müssen, von den Soldaten nur halbherzig verfolgt. Dann hätte Captain Kidd das verstörte Mädchen eingefangen, um sie beim Indianerbeauftragten abzuliefern. Die Mörder wären zur Fahndung ausgeschrieben worden. Von diesem Moment an hätten Captain Kidd und Johanna – als Zeugen eines Mordes – eine Killerbande auf den Fersen gehabt. Auf die drei Kasper, die Johanna in Dallas für 50 Dollar kaufen wollen, hätte man gut und gerne verzichten können.

Des Weiteren ist dieses Gutmensch-Verhalten von Captain Kidd, nämlich die sofortige uneigennützige Fürsorge für das Mädchen, ziemlich nervig und dramaturgisch kontraproduktiv. Viel besser wäre es gewesen, wenn er des öfteren versucht hätte, diese lästige Göre loszuwerden und sie jedes Mal wieder zurückgekehrt wäre. Diese Anhäufung erzählerischer Fehler trägt maßgeblich zur dürren Geschichte bei: Der verwitwete Captain Kidd bringt die verwaiste Johanna im Texas des 19. Jahrhunderts zu Onkel und Tante, aus deren Obhut er sie am Ende wieder befreit.

Dieses Happy End ist, neben den phantastischen Landschaftsaufnahmen, eines der wenigen Highlights dieses überraschungsarmen Films. Denn der Captain baut Johanna mit in seine Vortragsreihen ein. Seinen Unterhalt verdient er nämlich als herumreisender Nachrichtensprecher und Geschichtenerzähler. Seinen zahlenden Zuhörern (zum großen Teil Analphabeten) liest er Meldungen aus aktuellen Zeitungen vor, die er gekonnt aufbereitet. Die Anteilnahme und Reaktionen des Publikums erinnert an die Blütezeit des französischen Vaudeville Theaters. Das ist grandios. Ironischerweise ist jede Anekdote, die Captain Kidd bei seinen Vorträgen zum Besten gibt spannender und unterhaltsamer als der gesamte Film. Ansonsten: Nichts neues aus der neuen Welt.

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Johnny Guitar (Nicholas Ray) USA 1954

In der Eröffnungsszene zeigt sich das ganze erzählerische Desaster dieses Westerns. Eine Postkutsche wird von vier Gangstern überfallen, wobei einer der Kutscher erschossen wird. Johnny Guitar (Sterling Hayden) beobachtet diesen Überfall aus der Ferne. Anstatt am Tatort möglichen Verletzten zu helfen, reitet er weiter. Die unterlassene Hilfeleistung nimmt den Betrachter nicht unbedingt für den Protagonisten ein und verschenkt dramatisches Potenzial. Im weiteren Verlauf werden vier Männer der Saloonbesitzerin Vienna (Joan Crawford) des Überfalls verdächtigt. Ob sie etwas damit zu tun hatten oder wer es war, erfahren wir bis zum Schluss nicht, womit diese Szene aber auch überflüssig ist. Leider nicht die einzige Szene.

Dabei ist die Figur einer Saloonbesitzerin, die zudem Ländereien aufkauft und die Hosen anhat durchaus interessant. Emotionen entstehen allerdings zu keiner Zeit. Das liegt zum einen an ihrem inkohärenten Verhalten: Wieso zahlt sie z.B. ihren Geliebten Johnny aus, damit dieser die Stadt verlassen kann? Zum anderen an ihrer durch und durch eindimensionalen Gegenspielerin Emma Small, die schimärenhaft gegen Vienna giftet und die Rancher aufstachelt. Mit ihrer geifernden Vehemenz wirkt diese schwarz gekleidete Hexe eher wie eine Lachnummer. Wer soll denn das alles glauben? Welchen Grund gibt es überhaupt für die Feindschaft? Vieles bleibt im Interpretationsbereich. Warum verlassen Vienna und Johnny nach dem willkürlichen Ultimatum der Rancher nicht einfach für ein paar Wochen die Gegend? Nach ihrer Rückkehr wäre wahrscheinlich schon die Eisenbahn da und auch die Rancher hätten die wirtschaftlichen Vorteile einer Bahnanbindung begriffen. Davon abgesehen sollte eine Deadline immer mit maximalen dramatischen Konsequenzen verbunden sein – in diesem Fall: die Trennung der Liebenden. Das tut sie aber nicht. Vienna und Johnny könnten zusammen wegfahren oder gemeinsam das Ultimatum verstreichen lassen. Sie sind nicht gezwungen, sich zu trennen. Das ist ein zentraler Schwachpunkt.

Die Kritiker, vor allem die der „Nouvelle Vague“, haben „Johnny Guitar“ über den grünen Klee gelobt. Begründet wird dies vor allem mit angeblichen Parallelen zu den politischen Säuberungen der McCarthy-Ära. Das ist aber ziemlich weit hergeholt. Vienna wird zwar zur Persona non grata erklärt, aber nicht auf Grund ihrer Gesinnung, sondern aus Eifersucht. Sie hat ein Verhältnis mit Ted, einen von Viennas Leuten, den auch Emma liebt und ist zudem als erfolgreiche weibliche Unternehmerin potenziell verdächtig. Also, der Vergleich hinkt. Sie hat ja kein Berufsverbot und könnte mit ihrem Vermögen überall wieder unternehmerisch tätig sein.

Ein weiterer Grund, den die Kritiker bemühen, ist ein angeblich lesbisches Verhältnis zwischen Vienna und Emma. Für eine derartige Vermutung benötigt man allerdings viel Phantasie. Der Film liefert zu keiner Zeit auch nur ansatzweise ein entsprechendes Indiz. Unklar bleibt auch, was diese „Gründe“ mit der Qualität eines Films zu tun haben sollen? Ist ein Film automatisch besser, wenn er metaphorisch eine bestimmte politische Epoche behandelt oder ein verkapptes Melodrama zwischen Frauen? Wohl kaum. Die Kritiker haben keine Kriterien – nicht wirklich. Keiner redet über die narrativen Defizite oder darüber, dass der Banküberfall von Viennas Männern an Dummheit kaum zu überbieten ist und man nicht andauernd Figuren bei ihren unterbelichteten Aktionen zuschauen möchte. Keiner redet über die ständig glatt rasierten und mit frischen Hemden gekleideten Gangster. Deren Hütte in ihrer Silbermine ist ein bestens ausgestattetes, luxuriöses Blockhaus, in dem es an nichts mangelt. Keiner redet über die unfreiwillige Komik, die aus diesen Zutaten resultiert. Dass dieses Machwerk zu den besten Western zählen soll, ist eine Beleidigung für „The Searchers“, „Rio Grande“, „Man nannte ihn Hombre“, „El Dorado“, „Erbarmungslos“ usw.

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Seraphim Falls (David von Ancken)

Dieser Independent-Western überzeugt in der ersten Stunde durch spannende Verfolgungsjagden in den verschneiten Berglandschaften Nevadas. Es handelt sich hier um eine klassische Rachegeschichte. Ex-Südstaaten-Colonel Carver (Liam Neeson) macht den Ex-Yankee-Captain Gideon (Pierce Brosnan) für den Tod seine Familie verantwortlich. Mit einem Haufen zwielichtiger Söldner will er ihn zur Strecke bringen. Dabei wird Gideon verwundet, verliert sein Pferd und – bis auf ein Buschmesser – seine Waffen. Endlich mal ein Film, in dem ein Schwerverletzter nicht kurze Zeit später wieder putzmunter durch die Gegend läuft. Seine Wundbehandlung mit reduzierten Mitteln in feindlicher Umgebung ist hochspannend. Das sind die Stärken von „Seraphim Falls“: seine authentischen, detailgetreuen und dramatischen Flucht-Verfolgungs-Szenen. Man zittert mit Gideon mit, dessen Situation kaum aussichtsloser sein kann.

Leider driftet der Held auf seiner Flucht nach und nach in wüstenähnliche Prärielandschaften. Der Film versandet in surrealen Begegnungen und gutgemeinten Versuchen, amerikanische Traumen wie Bürgerkrieg und Ausrottung der Ureinwohner anzureißen: Erst begegnen die Protagonisten einem Indianer, der ein Wasserloch bewacht und bei seinen Tauschgeschäften pseudophilosophische Weisheiten von sich gibt. Noch absurder ist das fatamorganamäßige Erscheinen einer Marketenderin (Anjelica Huston), die Jäger und Gejagtem wahlweise Heilmittel oder Waffen anbietet.

Eine wirkliche Auseinandersetzung mit privater und gesellschaftlicher Schuld findet nicht statt. Die Fragwürdigkeit von Carvers erbittertem Rachefeldzug wird zu keiner Zeit thematisiert. In „Bravados“ (Henry King) konfrontiert eines der Opfer den Rächer mit den Abgründen seiner Vergeltungssucht. In Clint Eastwoods Meisterwerk „Erbarmungslos“ debattieren die abgehalfterten Söldner bis zum bitteren Ende regelmäßig über den Sinn oder Unsinn ihrer Rachemission. Nichts davon in „Seraphim Falls“. Hier ist der Rächer ein eiskalter Killer, der ohne mit der Wimper zu zucken zwei seiner Leute tötet, als sie keine Funktion mehr für ihn haben. So kann natürlich keine Empathie entstehen. Die finale Vergebung kauft man Carver dann auch nicht mehr richtig ab. Dafür ist sein Charakter zu eindimensional angelegt.

Die Lösung wäre folgendes gewesen: Alles im Schnee spielen zu lassen und auf den surrealen Schnickschnack zu verzichten. Ganz auf die authentische Dramatik einer Verfolgungsjagd zu setzen und dabei die Rachsucht, diesen verzweifelten Wunsch nach Gerechtigkeit, in Frage zu stellen.

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