Das Biest muss sterben (Claude Chabrol) F 1969

„Das Biest muss sterben“ von Claude Chabrol ist ein spannendes Krimidrama, das auf einer Romanvorlage von Nicholas Blake beruht und ein klassisches Erzählmotiv variiert, nämlich Rache. Hier ist es der verwitwete Vater Carles Thénier, dessen einziger Sohn von einem Autoraser überfahren wird und stirbt. Der Täter begeht Fahrerflucht. Den einzigen Sinn im weiteren Leben sieht Charles darin, den Mörder seines Sohnes aufzuspüren. Am Ende kann er ihn zur Strecke bringen, womit auch seine Mission im Leben beendet ist. Der Krimi kann mit seiner düsteren Atmosphäre, geleitet von der inneren Stimme des Helden, seinen Wendungen und seiner Suspense-Geschichte überzeugen.

Suspense

Das große Vorbild von Claude Chabrol war Alfred Hitchcock, dem Master of Suspense. Auch wenn es sich in „Das Biest muss sterben“ um ein Whodunit handelt, liegt ihm eine Suspense-Struktur zugrunde: Charles und der Zuschauer wissen von seinen Racheplänen, nicht aber die anderen. Das ist sehr schön konstruiert und schafft Spannung. Zusätzlicher Druck entsteht durch die Gefühle, die Charles und Hélène, die Beifahrerin im Unfallwagen, füreinander entwickeln. Einen liebenswerten Menschen zu hintergehen, ist weitaus schwieriger als ein „Biest“. Nur in einem Punkt hat Chabrol sein Vorbild nicht richtig studiert. Damit sind wir bei den drei gravierenden Mängeln dieses Krimidramas.

Defätismus

Francois Truffaut: „Es ist, glaube ich, sehr problematisch, in einem Film ein Kind sterben zu lassen. Das grenzt schon an Missbrauch des Kinos. Was meinen Sie?“ Alfred Hitchcock: „Ich bin ganz Ihrer Meinung. Es ist ein schwerer Fehler.“
„Das Biest muss sterben“ ist nichts anderes als eine Bestätigung dieser Einsicht. Durch den Tod des Jungen und der Suche nach dem Mörder legt sich von Anfang bis zum Ende eine bleierne Schwere über den Film.  Von französischer Leichtigkeit oder zumindest von Tragikomik ist hier nichts zu spüren. Das ist eigentlich schade. Charles’ Frau oder seine Mutter wären die tauglicheren Unfallopfer gewesen. Das hätte an seinem Rachemotiv nichts geändert, wohl aber am defätistischen Grundtenor und seinem Ende: Charles hat Hélène einen Abschiedsbrief hinterlassen und segelt in seiner Jolle aufs offene Meer hinaus, was seinen sicheren Tod bedeutet.

Zufall

Die Suche nach dem Mörder entspricht der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Polizei hat zu wenig Anhaltspunkte, nur die Vermutung, dass der Kotflügel des Unfallwagens verbeult ist. Überprüfungen von Autowerkstätten und Schrottplätzen verlaufen ergebnislos. Im Grunde stehen die Ermittler, einschließlich Charles, mit leeren Händen da. Just in diesem Moment fährt Charles sich mit seinem Sportwagen auf einem schlammigen Feldweg fest. Dasselbe Schicksal hat – welch Zufall! – Wochen zuvor auch der Unfallfahrer Paul und seine Beifahrerin Hélène ereilt. Ein freundlicher Bauer berichtet Charles umfassend vom vorangegangenen Malheur und sein Sohn kennt auch noch Hélènes Identität. Das ist – mit Verlaub – schon ein wenig kurios. Hier wäre es besser gewesen, mehr Indizien ins Spiel zu bringen. Das Aufspüren der Identitäten hätte das Ergebnis von Charles’ kriminalistischen und psychologischen Ermittlungen sein müssen. Der Zufall, zumal noch so ein eklatanter, ist immer ein erzählerisches Manko.

Antagonist

Bösewicht Paul ist zwar ein Schurke wie er im Buche steht, aber zu eindimensional charakterisiert. Er ist ein Tyrann, der Ehefrau und Sohn im Beisein anderer schikaniert und demütigt. Er ist ein wahrer Kotzbrocken, dessen Ableben niemanden berührt. Das ist schade und dramaturgisch verschenkt. Denn viel schlimmer für den Helden wäre es gewesen, wenn man den Täter mit sympathischen Facetten ausgestattet hätte. Oder noch schlimmer: Wenn Charles sich auch mit ihm angefreundet hätte. Es wäre das schlimmstmögliche Dilemma gewesen, das ein gekonnter Erzähler durchexerziert hätte.

Fazit

Das „Biest muss sterben“ ist ein abgründiges Krimidrama mit Mängeln in der Dramaturgie und der Charakterisierung des Antagonisten.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Das Biest muss sterben".

Das Spiel der Macht (Steven Zaillian) USA 2006

„Das Spiel der Macht“ ist ein handwerklich herausragend gestaltetes Drama. Das Geschehen ist in Louisiana in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt und handelt vom Aufstieg und Fall des demokratischen Politikers Willie Stark (Sean Penn). Der inszeniert sich als Anwalt der Armen und Schwachen und kann so die Massen mobilisieren. Die ganze Besetzung, von der illustren Schauspielerriege bis hin zu den kleinsten Nebenrollen ist einfach brillant. Die Kameraarbeit von Pawel Edelman ist ein Kunstwerk. Er stammt von der seinerzeit besten Filmhochschule der Welt, aus dem polnischen Lódz, und hat viel mit Roman Polanski gedreht. Die Dialoge haben es in sich. Kein Zweifel, hier waren Könner am Werk.

Romanverfilmung

Sehr schön ist auch die innere Stimme des Ich-Erzählers, des Journalisten Jack Burden (Jude Law), der auf literarische Weise die Innenwelten der Figuren ausleuchtet. An diesen Stellen wird deutlich, dass erst sich hier um eine Romanverfilmung handelt, nämlich um „All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, für den er seinerzeit den Pulitzer-Preis erhalten hat.

Dramaturgie

Die Verfilmung leidet unter einer mangelnden Konzentration. Neben den politischen Machenschaften wird noch ein klassisches Erzählmotiv angerissen, nämlich „Die unmögliche Liebe“. Leider wird die unerfüllte Leidenschaft von Jack zu seiner Jugendliebe Anne Stanton nur am Rande behandelt. Ihr Scheitern liegt auch nicht an den äußeren Umständen, wie bei „Romeo und Julia“ zum Beispiel, sondern an der Glorifizierung seines Bildes einer unbefleckten Liebe.

Dann ist da noch Jacks Freundschaft zu Annes Bruder, dem Arzt Dr. Adam Stanton. Auch zu ihm hatte Jack einst eine innige Beziehung. Nun benutzt er ihn für Willies politische Ränkespiele. Anne beschreibt Jack ihren Bruder folgendermaßen: „Er ist immer noch der selbe Idealist, der du früher warst“. Des Weiteren wird eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt, nämlich die Beziehung von Jack zu seinem Ziehvater Richter Irwing, den er ungewollt in den Selbstmord treibt. Das allein hätte schon genügend Stoff für ein abendfüllendes Drama geboten. All diese aufgeführten dramatischen Ereignisse rufen allerdings keinerlei Gefühle hervor. Woran liegt’s?

Protagonist

Der gravierendste Fehler in „Das Spiel der Macht“ liegt in der Unentschlossenheit der Charakterisierungen. Wer ist eigentlich der Held? Jack Burden oder der Robin-Hood-Verschnitt Willie Stark? Damit fängt’s an. Die innere Stimme des Ich-Erzählers deutet auf Jack hin. Er ist ein kühler, desillusionierter, teilweise zynischer, gutaussehender Journalist. Er wandelt Whiskey trinkend und wie ein zufällig anwesender Beobachter („ich beobachte lieber aus der Ferne“) durchs Geschehen, dem irgendwann seine Ideale abhanden gekommen sind. Das mag sein Interesse an Willie erklären, an seiner Empathie, seiner Authentizität und seinen scheinbar hehren Absichten. Jacks Wahlkampfhilfe wirkt wie eine Art Therapie: Kann Willie mir etwas zurückgeben, was irgendwann auf der Strecke geblieben ist? Nein, kann er nicht.

Emotionen

Zweimal zeigt Jack emotionale Reaktionen. Einmal als er gegenüber Richter Irwing belastendes Material zurückhält. Ein zweites Mal als seine Jugendliebe Anne ihn nach ihrer Affäre mit Willie aufsucht. Da fällt die Maske: „Wie konntest du mir das antun?!“ Da bricht alles aus ihm heraus. Es ist ein Eingeständnis seiner gefühlsmäßigen Unfähigkeit, das Bedauern verpasster Chancen, für die es keine Korrekturen gibt. Man kann nicht wirklich eine Nähe zu ihm aufbauen. Letztlich lässt einen das ganze Geschehen irgendwie unbeteiligt zurück. Jack durchläuft auch keine Entwicklung und zeigt keinerlei Schuldgefühle nach dem Suizid seines Ziehvaters, was die Distanz manifestiert. Der durchtriebene, bauernschlaue Willie wäre der tauglichere Held gewesen.

Konstruktionen

Die jahrzehntelang zurückliegende Korruptionsaffäre, in die Richter Irwing verwickelt war, wirkt schon arg konstruiert. Sie bestätigt letztlich Willies simples Weltbild, demnach jeder Dreck am Stecken hat: „Der Mensch stinkt sich durchs Leben, von der Windel bis zum Grab“. Viel glaubhafter und passender zu den politischen Machenschaften wäre es gewesen, wenn der Richter tatsächlich eine saubere Weste gehabt hätte. Er ist auch gar nicht der Typ für derart krumme Touren. Nein, ein Gerücht wäre die Lösung gewesen. Also eine Konstruktion, der man nur allzu gerne Glauben schenkt. Anstelle der Wahrheit hätte ihm die Unwahrheit das Genick brechen sollen. 

Showdown

Noch gravierender ist das konstruierte Finale. Das Motiv für den Attentäter Adam Stanton ist ein Gerücht, nämlich dass seine Schwester eine Affäre mit Willie eingegangen ist, um ihm die Leitung eines neuen Krankenhauses zuzuschanzen. Hmm? Das ist ziemlich schwach und nicht wirklich glaubhaft. Da hätte man schon eine krankhafte Geschwisterliebe – also Eifersucht – als Motiv herausarbeiten müssen. So wirkt das Ganze sehr inszeniert und plakativ, was ja auch die ästhetischen Schlussbilder mit zwei Leichen inmitten der kreisrunden Insignien des Staates Louisiana zeigen.

Fazit

In „Das Spiel der Macht“ kann die herausragende handwerkliche Gestaltung nicht über gravierende Mängel in der Dramaturgie und der Figurenentwicklung hinwegtäuschen.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Das Spiel der Macht".

„All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, neu bei bücher.de für 19,99 Euro

Farbiges Cover des Romans "All the King's Men" von Robert Penn Warren.

„All the King’s Men“ von Robert Penn Warren, gebraucht bei medimops

Vergiftete Wahrheit (Todd Haynes) USA 2019

Auch „Vergiftete Wahrheit“ von Todd Haynes orientiert sich an einer wahren Begebenheit und wird, ähnlich wie „Philomena“ von Stephen Frears oder der unsäglich langweilige „One Life“, zum Opfer seiner guten Absichten. Der Film beruht auf einem Bericht von Nathaniel Rich im New York Times Magazine und erzählt den Kampf des Anwalts Robert Bilott gegen den Pharmakonzern DuPont in West Virginia. Dieser hatte in den 80er Jahren Perfluoroctansäure (PFOA) in den Ohio River geleitet, damit wissentlich das Trinkwasser kontaminiert und zigtausende von Menschen vergiftet. Auch Todd Haynes unterliegt dem Fehler, sich eng an die Begebenheiten zu halten, die sich zudem über Jahrzehnte hinziehen und sich nicht wirklich für eine Verfilmung eignen. Alles ist interessant oder auch erhellend, aber nie packend. 

Stärken

Mit seiner ruhigen, etwas behäbigen Art erinnert Rob Bilott an Columbo. Man macht den Fehler, ihn zu unterschätzen. Aber er ist kompetent, hartnäckig, gründlich und nicht korrumpierbar. Wir können mit ihm sympathisieren, zumal es ein Kampf David gegen Goliath ist. Überhaupt sind alle Schauspieler, von den Farmern bis hin zu den Top-Anwälten, hervorragend besetzt. In seinen besten Momenten funktioniert „Vergiftete Wahrheit“ wie ein Krimi und Rob agiert wie ein Kommissar, der beharrlich die Puzzleteile eines Verbrechens zusammenträgt und am Schluss Anklage erhebt.

Schwächen

Ein großes Manko sind die fehlenden Gefahren. Einmal scheut Rob sich davor, die Zündschlüssel seines Wagens herumzudrehen. Eine Sprengladung? Aber dafür ist der Antagonist zu clever. Er ist nie wirklich greifbar, ein Phantom. Seine Schandtaten hat er bereits vollbracht. Nun ist er mit Vertuschung und Schadensbegrenzung beschäftigt und hat dafür gigantische finanzielle Mittel. DuPont ist eben nicht „Der weiße Hai“. Leider. Einmal wird Rob wegen gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus eingeliefert. Aber er erholt sich schnell wieder und Frau und Chef stehen an seiner Seite. Das ist schön, aber nicht spannend.

Protagonist

Im Grunde macht Rob alles richtig. Das ist lobenswert, aber auch nicht dramatisch. Er ist der Anwalt der Unterdrückten, der Geschädigten – ein guter Mensch, aber auch ein bisschen langweilig. Der Ehekonflikt ist vergleichsweise harmlos. Die Klagen seiner Frau über sein berufliches Überengagement sind im Grunde eine Liebeserklärung. Da geht es dem Whistleblower Jeffrey Wigand in „Insider“ von Michael Mann schon wesentlich schlechter. Seine Ehefrau reicht nämlich die Scheidung ein. Auch in „American Sniper“ von Clint Eastwood, ebenfalls nach einer wahren Begebenheit, wird das Eheleben hervorragend dramatisiert.

Fazit

Der eigentliche Skandal ist die Strafe, die DuPont für jahrzehntelange vorsätzliche schwere Körperverletzung mit Todesfolgen erhalten hat: Insgesamt mussten 1,1 Milliarden Dollar an Entschädigungen gezahlt werden. Das entspricht in etwa dem Gewinn nur der Teflon-Sparte, die der Konzern seinerzeit in einem Jahr erzielt hat! Anschließend hat der Konzern seine Spuren verwischt, sich in Dow Chemical umbenannt, die Agrarabteilung in Corteva. Heute firmiert der Konzern unter dem Namen „DuPont de Nemours“.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Vergiftete Wahrheit".

Die Saat des heiligen Feigenbaums (Mohammad Rasulof) F, D 2024

„Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ist ein über weite Strecken packendes Familiendrama. Es spielt in Teheran zur Zeit der landesweiten Proteste im Zuge der von der Sittenpolizei festgenommenen und in der Haft verstorbenen Kurdin Mahsa Amini. Der Film zeigt eindrucksvoll, was staatliche Repression mit den Menschen macht. Sie sind Gefangene eines brutalen Machtapparats, der jegliche Opposition im Keim erstickt und dabei vor Gewalt nicht zurückschreckt. Zusätzlich wird ein klassisches Erzählmotiv etabliert: der Verdacht. Dieser resultiert aus dem Verschwinden der Dienstwaffe von Ermittlungsrichter Iman, der mit seiner Frau Najmeh sowie den Töchtern Rezvan und Sana in einer kleinen Wohnung lebt. Die Atmosphäre wird zunehmend beklemmender, klaustrophobischer. Auch in den eigenen vier Wänden traut bald niemand mehr dem anderen, außerhalb sowieso nicht mehr. Im Schlussdrittel mutiert das Drama zum Psychothriller.

Stärken

Der Film liefert hautnahe Einblicke in eine fremde, hier repressive Kultur. Sehr schön ist die Konzentration auf die vier Protagonisten, allesamt hervorragende Schauspieler. In den Nahaufnahmen haben wir Gelegenheit, unsere Gefühle zu synchronisieren. Die Konflikte werden vorbildlich eskaliert und dramatisiert. Die Eingeschlossenheit der Familie  schafft eine beklemmende Atmosphäre. Ständig werden Geheimnisse ausgetauscht, wird jemand gebeten, nichts zu verraten. Dabei ist der Verrat schon längst Bestandteil des privaten und beruflichen Lebens. Sehr überzeugend wird auch Najmehs Lavieren zwischen Ehemann und Töchtern beschrieben. Bis zum Schluss versucht sie zwischen beiden Lagern zu vermitteln und die Familie zusammen zu halten. Dabei schenken ihre Töchter der Propaganda des Regimes schon längst keinen Glauben mehr. „Alles gelogen“, klärt Rezvan ihren Vater beim gemeinsamen abendlichen Fernsehgucken auf. Überhaupt sind die rebellierenden Töchter ein Highlight des Films. Fassungslos nimmt Iman zur Kenntnis, dass seine Jüngste sich die Haare blau färben und die Fingernägel lackieren will.

Ungereimheiten

Völlig unglaubwürdig ist das Verhalten der ca. 15-jährigen Sana, die den Diebstahl von Imans Dienstwaffe verschweigt. Die würde aber beim ersten moralischen Druck – immerhin steht hier nicht mehr und nicht weniger als die Existenz der Familie auf dem Spiel – wohl in Tränen ausbrechen und gestehen. Ausgespart bleibt auch ihr Tatmotiv. Wieso haben die Töchter bis zur Ernennung ihres Vaters zum Ermittlungsrichter keine blasse Ahnung von dessen beruflicher Tätigkeit? Wieso befinden sich eigentlich Imans Adresse und persönliche Kontaktdaten plötzlich im Internet? Wer steckt hinter dieser Veröffentlichung? Wieso hat Sana am Ende plötzlich elektrotechnische Fähigkeiten und kann in der Dunkelheit mehrere Außenlautsprecher an einen Verstärker anschließen?

Redundanz

Mit fast drei Stunden Länge ist „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ viel zu lang geraten. Immer wieder gibt es Szenen ohne erzählerische Mehrwert. Da wird Iman minutenlang von seiner Frau frisiert. Wiederholt dürfen wir ihm beim An- und Auskleiden oder beim Autofahren zusehen. Da kramt Sana beim Showdown im Nachbarhaus ausgiebig in einer Sammlung von Musikkassetten herum. Das anschließende Katz- und Mausspiel in den Ruinen verlassener Lehmbauten ist artifiziell und überflüssig.

Entwicklungen

Während Najmehs bröckelnde Loyalität gegenüber ihrem Ehemann sehr schön skizziert wird, gerät Imans Entwicklung zum Psychopathen ziemlich unglaubwürdig. Das ist schon eine Mutation, die zuvor durch nichts angedeutet wird. Da hätte seine Wandlung von „Liebes“ zu „Zwing mich nicht, dich zu schlagen“ schon brüchiger gestaltet werden müssen.

Lösungen

Weg mit der Dienstwaffe. Sie dient nur einem Rätselspiel, das die innere Zerrissenheit der Familie transparent machen soll. Mit gutem Grund hatte Alfred Hitchcock Vorbehalte gegenüber derartigen Rätselspielen (Whodunits). Die Zerrissenheit hätte man aber viel intensiver mit Imans innerem Konflikt verdeutlichen können. Sein erster Fall hätte nämlich eine Verurteilung von Rezvans inhaftierter Freundin Sadaf sein können. Dieser innere Konflikt wäre vergleichbar gewesen mit Justin Kemps Zwiespalt in Clint Eastwoods „Juror #2“: Unterzeichnet Iman das Todesurteil für Sadaf, verrät er seine Prinzipien und macht sich schuldig am Tod eines unschuldigen Menschen. Andererseits gefährdet er die Existenz seiner geliebten Familie. Das wäre das größtmögliche Drama gewesen. Das hätte Rasulof durchspielen müssen: Der Vater, der die Freundin seiner Tochter auf dem Gewissen hat. 

Drama

Diesem Drama hätte auch eine Hoffnung innegewohnt. Iman hätte nämlich beim nächsten von der Staatsanwaltschaft eingefordertem Todesurteil seine Unterschrift verweigern können. Das hätte mindestens seine Entlassung zur Folge gehabt. Er hätte dann seine Familie mit einem Brotjob durchbringen müssen. Seine für hiesige Verhältnisse verwöhnten Frauen hätten dann ein bisschen kürzer treten müssen. Das wäre aber okay gewesen, denn schließlich haben sie seine zweifelhaften beruflichen Tätigkeiten jahrzehntelang stillschweigend mitgetragen. Dieser Neuanfang wäre auch eine Chance gewesen. Es hätte gezeigt, dass die Handlanger eines brutalen Regimes auch Menschen sind. Insofern ist das Ende von „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ auch ein stückweit verlogen: Er simplifiziert und glorifiziert den Kampf der Frauen gegen ihren Unterdrücker, ohne Lösungen aufzuzeigen.

Fazit

Insgesamt hat Mohammad Rasulof ein spannendes Familiendrama erzählt, aber dabei viel Potenzial verschenkt. Ein Ärgernis sind die Überlänge und die handwerklichen Defizite.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 4 blaue Smileys und 3 schwarze traurige Gesichter für "Die Saat des heiligen Feigenbaums".

Juror #2 (Clint Eastwood) USA 2024

Ist doch nicht so schwer mit der Spannung. Das Thrillerdrama „Juror #2“ ist ein dramaturgisches Lehrstück, routiniert im besten Sinne: Wir haben einen Helden, der Schuld auf sich geladen hat (Hegel) und in maximale Schwierigkeiten gerät (Hitchcock). Dann haben wir noch ein klassisches Erzählmotiv, nämlich „Der Verdacht“, und vor allem Suspense (Highsmith). Vom ersten Verhandlungstag eines Mordprozesses an wird der Zuschauer durch die Flashbacks des Helden Justin Kemp (Nicholas Hoult) mit Informationen gefüttert, die erstmal nur wir mit ihm teilen. So können wir als Mitwisser Gefühle entwickeln und mit dem Helden mitzittern, zumal der Auslöser für das Drama im Grunde jedem passieren könnte: Die Verursachung eines Verkehrsunfalls bei Nacht und strömendem Regen.

Die Geschichte

Konzentriert und schnörkellos erzählt. Grandios. Am Anfang gibt es eine Überblendung von Justitia, die mit verbundenen Augen in jeder Hand eine Waage hält, auf Justins hochschwangere Frau Allison. Die hat ebenfalls ihre Augen verbunden, aber noch spielt sie nicht Justitia. Das kommt erst später. Jetzt bewundert sie erstmal das Kinderzimmer, das Justin liebevoll eingerichtet hat. Im Garten warten Freunde, um mit ihnen dieses Ereignis zu feiern. Das – man ahnt es schon – wird bald ein Ende haben. Denn Justin muss als Geschworener an einem Mordprozess teilnehmen, in dem er selber für das Ableben des Opfers verantwortlich ist. Damit steht er vor einem existenziellen Dilemma: Gesteht er seine Verwicklung in den Unfall, verliert er alles, was er hat. Schweigt er, macht er sich schuldig an der Verurteilung eines Unschuldigen. Besser geht’s nicht.

Das Finale

Allison will keine alleinerziehende Mutter sein. Am Ende hat sie die Rolle der Justitia inne, indem sie bereit ist, die Mitschuld ihres Mannes zu vertuschen. Das hätte ein möglicher Schluss sein können, denn nicht nur sie, auch die anderen Mitwisser von Justins Schuld haben Gründe, ihr Wissen zu verschweigen. Der Anwalt seines Vertrauens, Larry Lasker (Kiefer Sutherland), ist an seine Schweigepflicht gebunden und für die Staatsanwältin Faith Killebrew (hervorragend: Toni Collette) ist die Verurteilung ein Erfolg, wären da nicht ihre aufkeimenden Zweifel. In der Schlusseinstellung erfahren wir, dass sie dafür sorgt, dass die Waage doch noch in die andere Richtung ausschlägt. Justitia hat gesiegt! Aber wäre der Mantel des Schweigens nicht das dramatischere Ende gewesen?

Das Erzählmotiv

„Juror #2“ erzählt eine Variante von „Der Verdacht“, ein Lieblingsmotiv von Altmeister Alfred Hitchcock. Dessen Thriller behandelten oftmals den „Falschen Verdacht“. Hier“ ist es ein zutreffender, der sich in existenziellem Ausmaß gegen den Helden richtet. Also Ermittlungen, die unaufhaltsam ins Verderben führen. Damit behandelt dieser Stoff noch ein weiteres Erzählmotiv, nämlich „Identität“. Also alle Filme von Protagonisten mit Amnesie, die dann auf der Suche nach ihrer verlorenen Identität in ihrer Vergangenheit ermitteln, haben eine vergleichbare dramatische Struktur: Der Erkenntnisdrang, der geradewegs in den Abgrund führt (s.a. „Angel Heart“ von Alan Parker oder „König Ödipus“ von Sophokles).

Druck

Das anfangs skizzierte idyllische Familienleben dient der Fallhöhe, also der dramatischen Eskalation. Je kontrastreicher um so effektiver. Wie der Druck auf den Helden dann sofort eingeläutet und permanent erhöht wird, ist schon vorbildlich. Das anfangs ungute Gefühl des Helden, am Prozess teilzunehmen, entwickelt sich zur puren Verzweiflung. Justins innere Zerrissenheit wird geradezu zelebriert. Man kann sie nicht steigern. Hitchcock hätte seine Freude daran gehabt. Sehr schön auch die Figur des Anwalts Larry Lasker, der bei den Konsultationen immer wieder verheerende juristische Wasserstandsmeldungen abgibt.

Schwächen

Dass ein Geschworener sich in einem Prozess als Täter entpuppt, ist ein Zufall – unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. Er ist der Dramatik geschuldet. Der Gerichtsmediziner dürfte und würde sich in der Verhandlung nie und nimmer zu einer Mordtheorie hinreißen lassen, zumal er sie selber kurz zuvor relativiert hat. Diese fahrlässige Diagnose müsste auch ein Pflichtverteidiger im Verhör zerpflücken. Desgleichen dürfte dieser den älteren Zeugen, der den Angeklagten aus einer Entfernung von über 100 Metern identifiziert hat, nicht ungeschoren davonkommen lassen. Nach zwei Drittel der Geschichte gibt es eine Pattsituation bei den 12 Geschworenen. Die Gründe für ein einheitliches „schuldig“ bis zum Ende werden nicht so recht deutlich. Diese Versäumnisse schwächen die Glaubwürdigkeit der Filmhandlung.

Fazit

Es dürfte in der Filmgeschichte wohl einmalig sein, dass ein 94-jähriger ein derart spannendes und konzentriertes Drama hergestellt hat. Anderen Regiegrößen – wie Hitchcock, Kurosawa oder Truffaut – hat man das Alter in ihren Spätwerken deutlich angemerkt. Bei Clint Eastwood bekommt man so langsam den Eindruck, dass er auch nach seiner Beerdigung noch weiter Filme drehen wird. Dann eben Underground-Filme.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Juror #2".

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Spotlight (Tom McCarthy) USA 2015

Reden wir zunächst mal über das Positive: Im Stile eines Dokumentarfilms erzählt „Spotlight“ von mehreren Journalisten des „Boston Globe“, die einen Missbrauchsskandal durch katholische Priester aufdecken. Das Krimidrama ist informativ, teilweise erhellend und keine verlorene Lebenszeit. Er erinnert an „Vergiftete Wahrheit“ von Todd Haynes oder natürlich an „Die Unbestechlichen“ von Alan J. Pakula. Herausragend ist die Besetzung der Schauspieler bis in die kleinsten Nebenrollen, vor allem die der Opfer und Täter.
Aber, und jetzt kommt das große ABER: „Spotlight“ hat eigentlich keine Geschichte, kein klassisches Erzählmotiv, keine Hauptperson, wenig Spannung, keinen Suspense. Es fehlen also die elementarsten Zutaten für die Gestaltung eines spannenden, unterhaltsamen Spielfilms.

Taugliche Filmstoffe

Da sind wir bei der interessanten Frage, was denn eigentlich ein tauglicher Filmstoff ist, der – wie hier – auf wahren Begebenheiten beruht? Wie erkennt man ihn? Er sollte eine Fülle von konflikthaften Interaktionen aufweisen. Er sollte seine Protagonisten in maximale Schwierigkeiten bringen, sie vor schwere Entscheidungen stellen. All das ist in „Spotlight“ nicht der Fall. Die Journalisten des „Boston Globe“ stoßen zwar auf Hindernisse, aber nicht auf Gefahren, Bedrohungen oder Gewissenskonflikte. Mit etwas Akribie kann das Spotlight-Team alle Probleme lösen. 

Reale Fälle

In Clint Eastwood Meisterwerk „The Mule“ zum Beispiel – ebenfalls nach einer wahren Begebenheit – verdingt sich ein alter Mann mehr oder weniger wissentlich als Rauschgiftschmuggler für ein mexikanisches Drogenkartell. Hier liegen die Schwierigkeiten auf der Hand, die dann zusammen mit seinen familiären Problemen allesamt durchdekliniert werden. In „Barry Seal“ – wiederum nach einer wahren Begebenheit – gerät der Held von einem Schlamassel in den nächsten. Die Konzentration auf den Helden lässt uns bis zum bitteren Ende mitzittern

Dramaturgie

Eigentlich wählt Tom McCarthy die falsche Perspektive. Wer hätte denn im Szenario von „Spotlight“ in Gewissenskonflikte geraten können? Doch nicht die Guten. Genau. Das Geschehen wäre besser aus der Sicht eines Kirchenoberen erzählt worden. Sein Konflikt zwischen Aufklärung der Verbrechen und Loyalität wäre existenziell gewesen. Im britischen Spielfilm „Der Priester“ von Antonia Bird wird genau dieser innere Kampf durchexerziert.

Die Figuren

„Spotlight“ bietet ein ganzes Bataillon an Personen auf, wobei der Überblick schon mal verloren gehen kann. Wer war das denn jetzt eigentlich? Diese Invasion trägt nicht gerade zum Verständnis bei. Ist es dramaturgisch ertragreicher, einen bzw. wenige Helden ins Spiel zu bringen oder mehrere, wie in „Spotlight“? Antwort: Am besten eine zahlenmäßige Reduktion der Helden, weil wir dann unsere Gefühle besser synchronisieren können. Wir können tiefer eintauchen, eine intensivere Nähe herstellen. Wir können eher mit dem oder den Helden mitzittern. Also, am besten mit einem Helden (s. TOP 20).

Fazit

„Spotlight“ wirft ein eher spannungsarmes Schlaglicht auf einen Skandal, den auch einschlägige Magazine detailliert beleuchtet haben. Mit seinem brillanten „Stillwater“ und seinem früheren „Station Agent“ hat Tom McCarthy gezeigt, dass er sich sehr wohl auf seine Figuren und ihre Geschichten konzentrieren und Emotionen wecken kann.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 3 blaue Smileys und 4 schwarze traurige Gesichter für Spotlight.

The Zone of Interest (Jonathan Glazer) USA, GB, PL 2023

Es gibt zwei bis drei Stellen, die interessant oder eindrucksvoll sind. Aber das war’s dann. So ist das eben, wenn die guten Absichten alles andere dominieren. Aber gute Absichten sind gutgemeint und – bekanntermaßen – das Gegenteil von gut. Von seiner Herangehensweise erinnert der Film an „Nomadland“, der vor zwei Jahren ebenfalls mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Auch da unterliegt die Regisseurin dem Irrtum, dass ein ehrenwerter Inhalt auch ein gutes Werk bedeutet. Leider ist es nicht so einfach. In „The Zone of Interest“ fehlen alle Zutaten für eine taugliche Filmerzählung: Es gibt keine Geschichte, es gibt keine Figuren und keine Konflikte, die unsere Anteilnahme wecken. In jeder Szene spürt man die Theatervergangenheit des Regisseurs. Alles sehr getragen hier, eine stilisierte, düstere Auschwitz-Collage, aber kein Spielfilm.

Die Form

Es beginnt mit einer langen schwarzen Sequenz. In Zelluloidzeiten hätte ich einen Filmriss vermutet. Aber nein, hier geht es um höhere Kunst, wie auch der anschließende elektronische Brummton suggeriert. Die Inszenierung besteht aus tableauartigen, langen Einstellungen in Totalen oder Halbtotalen. Ganz selten mal eine Halbnah oder Nah-Einstellung. Auch das trägt zur Distanz bei. Zweimal liest Rudolf Höß (Christian Friedel) seiner Tochter ein Märchen vor. Das wird dann mit einer Infrarotkamera in schwarz-weiß visualisiert. Die Nahaufnahme einer Mohnblume verschwimmt zu einem blutroten Stilleben. Was soll uns das sagen? Der Fokus auf diesen artifiziellen Spielereien demonstriert Glazers Vergangenheit als Musikclip- und Werbefilmregisseur. Das Grauen lässt sich so nicht übertragen. 

Die Figuren

„Die Banalität des Bösen“ ist ein Zitat von Hannah Ahrendt und mag für Glazer eine Art Leitmotiv gewesen sein. Wir sehen die Familie Höß beim Badeausflug, beim Essen, bei alltäglichen Verrichtungen. Damit werden uns die Figuren aber nicht näher gebracht. Sie wecken kein Interesse, schon gar keine Emotionen. Man fühlt sich noch nicht mal angeekelt. Sie sind einem schlicht egal. Nur die Leidenschaftslosigkeit, mit der diese Protagonisten durch die Gegend schleichen, überträgt sich.

Einmal erklärt Ehefrau Hedwig (Sandra Hüller) ihrer Mutter, die zu Besuch weilt, dass sie die vielen Blumen gepflanzt hat, damit man die Mauer (zum KZ) nicht sieht. Da schimmert dann doch doch so etwas wie ein Erkennen durch. An anderer Stelle droht Hedwig einer Hausangestellten, dass Rudolf sie „verbrennen“ könnte, wenn sie nicht spurt. Natürlich wusste Hedwig von den Krematorien und den grausamen Vorgängen jenseits der Mauer, genau wie ihre Mutter, die irgendwann einfach mit ihrem Koffer auf und davon ist. Leider sind das die einzigen Male, bei denen das Verdrängen thematisiert wird. 

Konflikte gibt es so gut wie keine zwischen dem Ehepaar, was dramaturgisch natürlich fahrlässig ist. Einmal gesteht Rudolf, dass er nach Oranienburg versetzt wird, was Hedwig empört. Sie möchte einfach weiter mit ihren Kindern im Anwesen neben dem KZ leben. Rudolf gibt klein bei, womit sich auch dieses Problem verflüchtigt. Einmal zeigt er tiefer gehende Gefühle, als er sich vor seiner Versetzung von seinem Pferd verabschiedet.

Das Grauen

Glazers Entscheidung, das Grauen visuell komplett auszublenden, ist einerseits verständlich, andererseits undramatisch. Der Film leidet darunter, dass es keine Berührungspunkte zwischen den Welten gibt, zumal wir Rudolf nicht bei seiner Arbeit im KZ erleben. Einmal sehen wir ihn beim Angeln im Fluss, wie er ein Gebiss am Haken hat und mit seinen Jungs panisch das Weite sucht. Dann hören wir bei den Familienszenen im Garten ständig Schreie, Wehklagen oder Schüsse, die von der anderen Seite der Mauer herüber dringen. Aber das Grauen bleibt gesichtslos. Es tritt nur objekthaft oder akustisch in Erscheinung.

Fazit

Insgesamt hat Glazer mit „The Zone of Interest“ eine Chance vertan, sich dem Geschehen dokumentarisch zu nähern. Dreimal wird ein Brief vorgelesen oder diktiert, den Rudolf von Vorgesetzten erhält bzw. verfasst. Da bekommt man eine Ahnung, wie spannend und erhellend dieses düsterste Kapitel deutscher Kriegsgeschichte hätte sein können. Das wär’s gewesen. Ein verdichteter Dokumentarfilm anstelle dieser verquasten Collage.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 1 blauer Smiley und 6 schwarze traurige Gesichter für "The Zone of Interest".

Rachels Hochzeit (Jonathan Demme) USA 2008

„Rachels Hochzeit“ ist ein herausragendes Familiendrama von Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“). Es erzählt vom Besuch der ehemaligen drogenabhängigen Kym auf der Hochzeit ihrer Schwester Rachel. Auch hier erweist sich das Prinzip der Einheit von Zeit, Raum und Handlung als großer erzählerischer Vorteil, spielt sich die ganze Geschichte doch innerhalb von drei Tagen auf dem großbürgerlichen Anwesen des Vaters ab.

Die Geschichte

Eigentlich soll es eine harmonische, perfekte Familienfeier werden, zu der Freunde und Familienangehörige zusammenkommen. Leider regnet es und leider ist Kym anwesend, die irgendwie deplatziert wirkt. Wieso, kommt nach und nach zum Vorschein. Kym hat nämlich früher im Vollrausch einen Autounfall verursacht, bei dem ihr jüngerer Bruder Ethan ums Leben kam. Diese Tragödie mit ihren unausgesprochenen Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und Vorwürfen überschattet die Hochzeit. Die finale Auseinandersetzung mit der Mutter findet in Kyms Anklage ihren Höhepunkt: „Warum hast du mich damals fahren lassen? Ich war ein vollgedröhnter Junkie.“ Der nachfolgende Schlagabtausch vollzieht sich nicht nur verbal. Als die Mutter auf die Tochter einschlägt, wird die ganze Hilflosigkeit angesichts verdrängter Mitschuld transparent. Das ist die Frage, die auch die anderen Familienmitglieder mit sich herumschleppen und verdrängt haben: Warum habt ihr es zugelassen?

Achterbahn

Als Kym nach diesem Schlagabtausch völlig aufgelöst ins Auto steigt, befürchtet man eine Replik der tragischen Ereignisse, nämlich ihren Unfalltod. Aber auch dieser Vermutung begegnen die Filmemacher mit einer viel besseren Entscheidung: Kym hat zwar einen Unfall, ist genauso ramponiert wie der Wagen, muss aber weiterleben. Ihr Tod wäre keine Lösung gewesen.

Neben all diesen tragischen Elementen sorgen immer wieder skurrile, originelle oder rührende Szenen für ein Wechselbad der Gefühle, zum Beispiel wenn Sidney und Paul einen spielerischen Wettkampf am Geschirrspüler ausführen. Die heitere Stimmung wechselt abrupt, als Paul einen alten Kinderteller von Ethan in den Händen hält. So ist das richtig: Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt. Das Ende hat etwas Tröstliches. Zum einen wurde unter den Teppich gekehrtes angesprochen, was die Chancen für eine funktionierende Trauer ermöglicht. Des weiteren sind die finalen Umarmungen Ausdruck echter vorhandener Gefühle. Außerdem ist da noch Sidneys bester Freund, der ebenfalls eine Drogenvergangenheit hat, und Kym gern mal wiedersehen würde. Das gibt Hoffnung für die Heldin, die sich schuldig fühlt, überhaupt am Leben zu sein. Trotz hochdramatischer Hintergründe – null Punkte auf der Defätismusskala.

Die Form

Der gesamte Film ist aus der Hand bzw. von der Schulter gedreht, was ihm einen dokumentarischen Touch verleiht. Die Schwenks mit den eingefangenen Impressionen haben dabei nie etwas Zufälliges oder Flüchtiges. Es sind pointierte Reactionshots, die zum Verständnis und zur Synchronisation von Gefühlen beitragen. Die ganze Kameraarbeit ist ziemlich genial.

Die Musik

Jonathan Demme ist auch Regisseur einiger Musikfilme, zum Beispiel „Stop Making Sense“ über die Talking Heads. Das ist auch in „Rachels Hochzeit“ spürbar. Häufig erklingt irgendwo ein Instrument probender Musiker oder es sind Ausschnitte auftretender Musiker zu hören und zu sehen. Die kurzen musikalischen Darbietungen auf dem Hochzeitsfest sind vom Feinsten. Musik spielt auch eine zentrale Rolle im Leben von Rachels Ehemann Sidney, der bei der Trauung folgende Liebeserklärung abgibt: „Ich wollte eigentlich immer nur Musik hören. Als ich Rachel traf, habe ich nur noch Rachel gehört.“ Ein schönes Bild und eine schöne Liebeserklärung. Das ist überhaupt einer der Stärken dieses Films, dass er neben der dramatischen Vorgeschichte immer auch diese Momente der Leichtigkeit und Rührung hat.

Das Drehbuch

Es wird viel geredet, aber es gibt hier nichts Überflüssiges. Die Dialoge sind pointiert, auch mal unkorrekt oder schonungslos, manchmal auch witzig, aber nie langweilig. Das brillante Drehbuch stammt von Jenny Lumet, der Tochter von Sydney Lumet (s. TOP 20 der Filmgeschichte). Der Meister wird sicher beratend zur Seite gestanden haben, was die Leistung seiner Tochter aber nicht schmälert. Insbesondere die Skizzierung der Heldin, die dramatischen Enthüllungen und Zuspitzungen sind optimal entwickelt. Chapeau! Insgesamt macht es Spaß, dem Werk von lauter Könnern zuzuschauen.

Die Figuren

Die Heldin charakterisiert sich selbst folgendermaßen: „Die Öffentlichkeit hasst mich.“ Kym ist einfach eine faszinierende Hauptperson. Sie bringt alle Zutaten für einen interessanten, prägnanten Charakter mit. Sie ist der leibhaftige Fremdkörper in einer um Idylle bemühten Festgemeinschaft. Nicht nur ihre Rede am Polterabend löst Beklemmungen aus. Ihre Anwesenheit und Direktheit konfrontiert Freunde und Familie permanent mit der Tragödie und – noch schlimmer – mit ihren eigenen Schuldgefühlen. Kyms eigentlich ausweglose Situation besteht darin, dass sie sich selber nicht vergeben kann. Erst ganz am Ende schimmert so etwas wie Hoffnung durch. Anne Hathaway spielt diese Rolle einfach grandios. Überhaupt ist das ganze Casting perfekt. Hervorragend ist auch Bill Irwin in der Rolle des ständig um Harmonie und Kontrolle bemühten Vaters.

Fazit

Ein Vergleich mit Thomas Vinterbergs „Das Fest“ drängt sich auf, ebenfalls eine Familienfeier in herrschaftlichem Umfeld. Allerdings kann das dänische Drama „Rachels Hochzeit“ nicht das Wasser reichen. Dafür ist das Dogma-Machwerk mit seinen unscharfen Wackel-Schwenks einfach zu unprofessionell, auch zu eindimensional, zum Beispiel wenn der böse kapitalistische Patriarch sich im Verlauf der Geschichte als Kinderschänder entpuppt. “Rachels Hochzeit“ ist erwachsener, professioneller, vielschichtiger, intelligenter, witziger, spannender – einfach besser.

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 6 blaue Smileys und 1 schwarzes trauriges Gesicht für "Rachels Hochzeit".

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Killers of the Flower Moon (Martin Scorsese) USA 2023

Ähnlich wie bei „Oppenheimer“ ist es schon faszinierend, wie in einem Dokumentarfilm in zurückliegende Zeiten einzutauchen. „Killers of the Flower Moon“ ist ein Gangsterdrama, das auf wahren Begebenheiten beruht und von einer Mordserie vor hundert Jahren an den Osage Indianern in Oklahoma erzählt. Der Film ist opulent und brillant ausgestattet, fotografiert und gecasted. Die Filmmusik von Robbie Robertson ist angenehm zurückhaltend, unterschwellig bedrohlich und intensiviert die Atmosphäre. Soweit alles super. Aber dann.

Überlänge

Der gravierendste Fehler ist die Länge von dreieinhalb Stunden! Die resultiert im wesentlichen aus dem angestrengten Bemühen um Wiedergutmachung der bis heute nicht wirklich aufgearbeiteten Morde an den Osage Indianern. David Granns Sachbericht, die Grundlage von „Killers of the Flower Moon“, stammt aus dem Jahre 2017. Die New York Times befasste sich im letzten Jahr eingehender mit einem der grausamsten Kapitel des amerikanischen Raubtierkapitalismus’. Die Veröffentlichungen erscheinen also ziemlich genau 100 Jahre nach den Ereignissen in Oklahoma. In puncto medialer Aufmerksamkeit ist jeder psychopathische Serienkiller in den USA „besser“ gestellt.

Bedeutungsschwere

Martin Scorsese wird Opfer der Bedeutsamkeit dieser Aufarbeitung. Sein angestrengtes Bemühen, insbesondere den Osage Indianern gerecht zu werden, ist der „Killer of the Flower Moon“. Es gibt nichts Spielerisches, keine Leichtigkeit, keine Hemmungslosigkeit im Umgang mit den „Fakten“, keinen Humor und wenig Spannung. Da kommt man dann auf die Idee, dass auch das fortgeschrittene Alter des Regisseurs mit ein Grund für die Überlänge ist. Verglichen mit seinem unglaublich rasanten und kraftvollen „Casino“ von 1995 wirkt „Killers of the Flower Moon“ schon etwas betulich.

Figuren

Der zweite große Fehler liegt in den Figuren dieses Gangsterdramas begründet. „Held“ ist Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio), der anfangs einen Job bei seinem Onkel William Hale (Robert De Niro) erhält. Ernest taugt nicht wirklich als Held. Dafür ist er zu einfältig, zu sehr Erfüllungsgehilfe der mafiösen Machenschaften seines Onkels. Vergeblich wartet man als Zuschauer auf eine Entwicklung, auf eine Wendung, auf etwas Raffinesse. Nein. Da kommt nichts. Die meiste Zeit läuft Ernest mit heruntergezogenen Mundwinkeln durch die Gegend. Die Eindimensionalität seines Charakters ist erschlagend. Und irgendwann ist man es leid, tumben Weißen stundenlang bei der Planung und Umsetzung von Morden an Indianern zuzuschauen. Nach geschlagenen drei Stunden und dem vorangegangenen Ableben seines kleinen Jungen, wagt Ernest zum ersten Mal Widerspruch. Zu spät kann man da nur sagen. Seiner lebenslangen Haftstrafe entgeht er genauso wenig wie der Zuschauer einer quälenden Filmnacht.

Osage Indianer

Ausgerechnet in diesem Versuch einer Wiedergutmachung geben die Osage kein gutes Bild ab. Sie agieren meist überfordert oder schicksalsergeben, im Grunde nicht minder einfältig als der Protagonist. Es gibt zwei Stammespalawer, bei denen die Osage ihre Standhaftigkeit betonen: Wir lassen uns nicht vertreiben. Ihre mutigste Reaktion besteht noch in einer Reise nach Washington, wo sie beim Präsidenten vorsprechen und auf die Mordserie aufmerksam machen. Ansonsten kommt von ihnen keine Gegenwehr. Was man schmerzlich vermisst, ist ihre Kriegsbemalung, das Satteln ihrer Pferde, der Ritt in den Kampf.

Erzählperspektiven

Scorseses dritter großer Fehler ist die Erzählperspektive, die sich ganz auf den einfältigen Ernest konzentriert. Dabei sollte der ursprünglich den FBI Ermittler Tom White spielen sollen, was DiCaprio aber nicht behagte. Schade, kann man da nur sagen. Das wäre eine taugliche Lösung gewesen, also die Geschichte als harten Krimi zu erzählen, bei dem die Ermittler auf eine Mauer des Schweigens stoßen, dann nach und nach die Puzzleteile zusammenfügen. Außerdem hätte die Erzählung später eingesetzt und damit Patricia Highsmiths dramaturgisches Postulat erfüllt: „Eine gute Geschichte sollte so nah wie möglich vor ihrem Ende beginnen.“

Psychothriller

Die Perspektive von Ernest indianischer Ehefrau Mollie (Lily Gladstone) wäre ebenfalls eine bessere Alternative gewesen. Es wäre ein Psychothriller geworden, in dem die Heldin aus Liebe zu ihrem Mann die schleichende Vergiftung in Kauf genommen hätte. Ein Strukturmodell, das an „Walzer in die Dunkelheit“ von Cornell Woolrich erinnert, adaptiert von Francois Truffaut unter dem Titel „Das Geheimnis der falschen Braut“.

Verdeckte Ermittler

Der US-Kommissar für indianische Angelegenheiten hatte seinerzeit FBI Agenten als verdeckte Ermittler eingesetzt. Ganze zwei Jahre haben sie gebraucht, um William Hale und seinen Leuten auf die Schliche zu kommen. Auch das wäre eine taugliche Erzählperspektive gewesen, zumal sie die tödliche Gefahr impliziert, die bei ihrer Enttarnung droht. Um Ernest Burkhart machen wir uns dreieinhalb Stunden keine Sorgen.

Das Gerichtsdrama

Auch die Perspektive der Staatsanwaltschaft wäre ein mögliches Szenario gewesen: Gerichtsverhandlungen, die nach und nach das Ausmaß der Massenmorde enthüllen. In „Killers of the Flower Moon“ sind wir leider nur kurz im Gerichtssaal. Aber dieser Besuch hat es in sich. Die Apathie der Killer bei ihren Vernehmungen macht einen fassungslos und enthüllt einen weiteren Aspekt der Mordserie: Das Leben eines Indianers war praktisch wertlos. Trotz seines Schuldeingeständnisses und seiner Kooperation mit den Ermittlern wird Ernest schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt, genauso wie sein Onkel. Im Epilog erfahren wir, dass beide später auf Bewährung frei gelassen wurden. Auf die interessante Frage wie das möglich sein konnte und warum sie nicht hingerichtet wurden, gibt der Film keine Antwort.

Fazit

In „Killers of the Flower Moon“ steckt der Fehlerteufel. Das ganze Staraufgebot nützt dann auch nicht mehr viel. Meidet einfach Filme, die länger sind als zwei Stunden. Was ist schon so bedeutsam, als dass man es nicht in diesem Zeitfenster erzählen könnte?

7 Emojis zur Bewertung eines Spielfilms, hier 2 blaue Smileys und 5 schwarze traurige Gesichter für "Killers of the Flower Moon".

Drachenläufer (Marc Forster) USA 2007

„Drachenläufer“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Khaled Hosseini. Regisseur Forster hält sich in seiner Adaption eng an die brillante Vorlage. Das ist gut so. Aber gibt es überhaupt gelungene Bestseller-Verfilmungen? „Vom Winde verweht“, „Einer flog über das Kuckucksnest“ oder „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ vielleicht? Aber generell ist es schwierig, die Qualitäten oder den Erfolg einer Kunstgattung auf eine andere zu übertragen. Alfred Hitchcock hat es irgendwann begriffen. Er hat sich auf Kurzgeschichten („Fenster zum Hof“) oder C-Literatur („Psycho“) konzentriert, in denen er das dramatische und visuelle Potenzial erkannt hat.

Stärken

Es geht um die Freundschaft des kleinen Amir zum gleichaltrigen Hassan, der ihn vergöttert. Amirs Verrat ist eine klassische Suspense-Situation. Zusammen mit ihm wird der Zuschauer Zeuge einer sadistischen Vergewaltigung Hassans durch drei ältere Jungen. Man will Amir zurufen: Du musst eingreifen oder Hilfe holen. Aber der Junge ist wie gelähmt, unfähig sich zu rühren. Er ist nun mal kein mutiger Held. Der Vorfall traumatisiert ihn. Jetzt will man ihm zurufen: Du musst dich den Erwachsenen anvertrauen, auch wenn du dein Unvermögen damit zugibst. Nein. Selbstekel und Schuldgefühle führen den Jungen in den Abgrund. Amir kann den Anblick des Menschen nicht mehr ertragen, der ihn an seine Feigheit erinnert: sein Busenfreund Hassan. Im Grunde kann Amir sich selbst nicht mehr ertragen, aber es ist scheinbar einfacher, den Auslöser zu entfernen. 

Drama

„Keine Tat ist erbärmlicher als Stehlen“, ist eine Lebensweisheit von Amirs Vater. Also fingiert der Junge einen Diebstahl, den Hassan aus Liebe zum Freund fälschlicherweise gesteht. Denn das hat er ja vorher verkündet: „Wenn du willst, dass ich Dreck fresse, dann fresse ich Dreck.“ Und das tut Hassan dann. Das ist schon grandios von Khaled Hosseini konstruiert. Schwerer kann man seinem Helden das Leben eigentlich nicht machen. Sehr gut ist auch das Casting der Protagonisten, die dem Film etwas Authentisches verleihen. Auch der ältere Amir spielt – ganz im Gegensatz zu seinem Vater – in seiner Rolle etwas Unverbindliches, Flüchtiges. Das macht seinen seelischen Ballast transparent.

Schwächen

Ein Defizit in „Drachenläufer“ ist die bis zum Schluss andauernde Unfähigkeit des Helden, sich anderen Menschen anzuvertrauen und sein Trauma aufzuarbeiten. Daran ändert auch Amirs Versuch einer Wiedergutmachung nichts, indem er Hassans Sohn aus den Fängen der Taliban befreit. Ohne Gespräche, keine seelische Heilung. Amir hat noch eine weitere Schuld auf sich geladen, die in der Verfilmung nicht weiter behandelt wird. Eigentlich kommt es erst durch seinen Verrat zur Ermordung von Hassan durch die Taliban. Ohne die Trennung wäre die Familie seinerzeit wohl zusammen vor den Sowjets nach Pakistan geflohen. Amir trägt also eine Mitschuld am Tod seines Freundes und Bruders, wie sich herausstellt. Insofern hat sein Schlußsatz „Für dich – 1000 mal“ etwas Scheinheiliges.

Roman

Im Roman spricht Hassans Sohn bis zum Ende kein einziges Wort mehr. Auf die Möglichkeit, erneut in ein Waisenhaus zu kommen, reagiert er mit einem Selbstmordversuch. Das ist dramatisch und ein glaubhafter Ausdruck seiner traumatischen Erlebnisse. Im Film lässt Regisseur Forster den Jungen leider sofort wieder zu Wort kommen. Diese Erklärungen benötigt aber niemand und sind bei weitem nicht so beredt wie das Schweigen. Den Suizidversuch lässt Forster unter den Tisch fallen. Beides keine guten Entscheidungen.

Fazit

Insgesamt ist „Drachenläufer“ ein sehenswerter Film, dessen Bildergeschichte aber nicht an die Kraft der literarischen Vorlage heranreicht.

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